Giftfreier Bewuchsschutz für Schiffe

Haihaut 2.0 – Herstellung biologisch inspirierter Anti-Bewuchsoberflächen

Giftfreier Bewuchsschutz für Schiffe

Der jährliche Treibstoffbedarf der Welthandelsflotte, also aller seegestützten Transportmittel, wird auf etwa 300 Millionen Tonnen Schweröl geschätzt. Allerdings unter einer Voraussetzung: Die Schiffswand muss frei von Oberflächenbewuchs sein. Bereits geringe Bewuchsstärken des Unterwasserschiffes von wenigen Millimetern verändern die Umströmungscharakteristik und erhöhen den Reibungswiderstand und damit den Treibstoffverbrauch. Schiffe werden daher mit giftigen, sogenannten Antifouling-Anstrichen gegen Bewuchs geschützt. Die heute als Biozide üblichen Kupferverbindungen sammeln sich allerdings durch Auswaschung (Leaching) im Wasserkörper und in den Sedimenten an und schädigen so die Meeresflora und -fauna.

Biofouling
Mariner Bewuchs, das sogenannte Biofouling, hier an Schiffsschraube und Schiffsrumpf

Biozidfreie Alternativen

Doch es gibt Alternativen: Seit dem Jahr 2009 ist ein vom Bionik-Innovations-Centrum (B-I-C) der Hochschule Bremen und der Vosschemie GmbH, Uetersen, entwickelter biozidfreier Schutzanstrich für Sportboote am Markt erhältlich. Aktuell wird das Produkt für die Anwendung in großem Maßstab, beispielsweise für Containerschiffe, weiterentwickelt: Das B-I-C arbeitet daran, den Anstrich so zu modifizieren, dass er mit industriell gängigen Applikationsmethoden, d. h. im Airless-Spritzverfahren, aufgetragen werden kann und für große Flächen und hohe Lackiergeschwindigkeiten einsetzbar wird. Kooperationspartner dabei ist der größte deutsche Schiffsfarbenhersteller, die Wilckens Farben GmbH, Glückstadt.

Biozidfreien Schutzanstrich
Vorbild für den biozidfreien Schutzanstrich (oben rechts): ein Hai mit seinen besonderen Hautstrukturen

Vorbild Haihaut

Der Wirkmechanismus der neuen Schutzbeschichtung stammt aus der Natur: Er beruht auf physikalischen Eigenschaften, die von marinen Organismen inspiriert wurden, wie beispielsweise dem sogenannten Haihaut-Effekt: Haie besitzen besondere Hautstrukturen (Dentikel), die so ausgerichtet sind, dass sich die Haut glatt anfühlt, wenn man vom Kopf zum Schwanz über den Rücken streicht. In Gegenrichtung sind sie dagegen rau. In ihrer Wirkung senken die Dentikel den Wasserwiderstand, optimieren die Hydrodynamik des Haies und verhindern durch ihre flexible Einlagerung in der Haut die Ansiedlung von Bewuchs. Diesen »Selbstreinigungseffekt« ahmt der neue Schiffsanstrich nach: Seine raue Oberfläche erschwert es Wasserlebewesen wie Algen, Seepocken und Miesmuscheln sich fest zu verankern.

Aufbringen einer Farbe
Aufbringen einer Farbe mittels Spritzverfahren – dies soll auch für den neuen Schutzanstrich möglich sein

Vorteile des Lacksystems

Erste Tests mit der modifizierten Antihaftbeschichtung im Labor und im Freiland sind erfolgversprechend. Damit steht in Zukunft auch für große Handels- und Containerschiffe ein Lacksystem zur Verfügung, das

  • den Bewuchs von Schiffen auf physikalischem Weg wirkungsvoll verhindert und dadurch auch das Einschleppen von Fremdorganismen (Neobiota) unterbindet,
  • den Treibstoffverbrauch und damit die Treibstoffkosten reduziert und so die Kohlendioxid- und Schwefeldioxidemissionen der Schiffe möglichst gering hält,
  • ohne die marinen Tiere und Pflanzen zu schädigen

Projektthema:
Haihaut 2.0 – Herstellung biologisch inspirierter Anti-Bewuchsoberflächen

Projektdurchführung:
Bionik-Innovations-Centrum Bremen (B-I-C)

Hochschule Bremen
Neustadtswall 30
28199 Bremen
E-Mail: b-i-c@hs-bremen.de
www.bionik-bremen.de

Kooperationspartner:
Wilckens Farben GmbH, Glückstadt

E-Mail: info@wilckens.com
www.wilckens.com


AZ 30726