Tagfaltererfassung mit Bürgerbeteiligung – Citizen Science im Örség Nationalpark (Ungarn)

Projekt aus der internationalen Förderung

Tagfaltererfassung AZ 33793 © NP-Verwaltung Örség
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Gegenstand und Ziele des Projektes

Eine Herausforderung bei der Erreichung des von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten Sustainable Development Goals „Leben an Land“ (SDG 15) wie auch für die Einhaltung der von Johan Rockström beschriebenen planetaren Grenze des Biodiversitätsverlustes ist die Bewahrung von Lebensräumen und Arten bedrohter Spezies. Eine Voraussetzung für die Bewertung des Zustandes von Populationen und Lebensräumen ist die Erfassung und Analyse entsprechender Kenndaten. Die erforderliche Sachkenntnis in Bezug auf relevante Arten geht zunehmend verloren. Insbesondere gelingt es bislang kaum, das Wissen von Fachexpertinnen und Fachexperten an interessierte Laien weiterzugeben und diese so zu qualifizieren, dass sie in entsprechende Monitoring-Ansätze eingebunden werden können. Mit dem Vorhaben wurde erstmals in einem ungarischen Nationalpark in einer Kooperation zwischen deutschen und ungarischen Naturschutzakteurinnen und -akteuren unter Mitwirkung von wissenschaftlichen Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Biodiversitätsforschung ein Citizen Science-Ansatz zum Tagfalter-Monitoring erprobt, implementiert und an eine interessierte Öffentlichkeit sowie Fachexpertinnen und Fachexperten in Ungarn kommuniziert.

In Ungarn war bürgerschaftliches Engagement und Partizipation in wissenschaftlichen und Naturschutz-Kontexten in Form von Citizen Science kaum bekannt. Daher war es Ziel, für den ungarischen Őrség Nationalpark und die umliegenden Natura 2000-Gebiete ein Netzwerk von qualifizierten Freiwilligen aufzubauen, die unter fachlicher Betreuung Daten zu den dortigen Tagfalterpopulationen erfassen. Aus den erhobenen Daten wurden Schutzmaßnahmen abgeleitet und naturschutzgerechte Landnutzungsperspektiven festgelegt. Darüber hinaus wurde der in Ungarn kaum bekannten Begriff Citizen Science als Form partizipatorischen ehrenamtlich-wissenschaftsnahen Engagements eingeführt und in der Breite vermittelt.

Es gab drei Arbeitspakete (AP):

  • AP 1 – Aufbau und Qualifizierung eines Freiwilligennetzwerks mit Informationsveranstaltungen an 21 ungarischen Bildungseinrichtungen mit nachfolgender Qualifizierung von Freiwilligen für die Datenerfassung auf Basis einer theoretischen Vermittlung und einer praktischen Qualifizierung im Kontext von Felderhebungen und ergänzenden Freiwilligentagen sowie –aktionen für die Tagfaltererfasserinnen und -erfasser und ihren Familien: Im Rahmen dieses Arbeitspaketes wurden ein Tagfalter-Sommercamp und -Workshop mit einem Nachtfalter-Lichtfang und Diskussions- und Arbeitsrunden zum Wissenstransfer in Deutschland organisiert.

  • AP 2 – Vorbereiten und Durchführen der Datenerfassung mit Erstellung einer zur Eingabe der Monitoringdaten bestimmten Homepage: Neben der Onlineplattform ist auch eine auf OpenBioMaps (OBM) basierende App für mobile Endgeräte erstellt und in Betrieb genommen worden. Ergänzend zur Erfassungs-App ist ein interaktives Spiel entwickelt worden, mit der die Felderfassung um einen spielerischen Erlebnisfaktor erweitert wurde.
    Die Datenerfassung erfolgte im Rahmen von praktischen Felderhebungen in 17 ausgewiesenen Tagfalter-Transekten in der Kooperation mit zwei weiterführenden Schulen und erwachsenen Freiwilligen (im Jahr 2018 wurden 43 Tagfalterarten erfasst; im Jahr 2019 wurden 78 Tagfalterarten erfasst). Das Flächenmanagement wurde dem Artbestand angepasst und es wurde ein modifiziertes Landnutzungskonzept erstellt. Als Anerkennung für geleistete Ehrenamtsarbeit fand jedes Jahr ein Tag der Freiwilligen statt.

  • AP 3 – Die Aufbereitung und Kommunikation der Projektergebnisse erfolgte in Form eines Workshops mit 54 Expertinnen und Experten in Ungarn. Zu den wichtigen Ergebnissen des Workshops zählt die Anpassung der Tagfaltererfassung in Ungarn an das europäische Monitoring-Konzept von Butterfly Conservation Europe. Über die Homepage von Butterfly Conservation Europe steht nun ein Tagfalter-Erfassungsleitfaden in ungarischer Sprache zur Verfügung. Weiterhin wurde ein „Schmetterlingsabenteuertag“ im Örség Nationalpark für interessierte Bürgerinnen und Bürger der Region etabliert. Die Kommunikation der Projektergebnisse erfolgte auch in Form einer Dauerausstellung. Zum Projektabschluss wurde durch den Örség Nationalpark ein Workshop für Vertreterinnen und Vertreter ungarischer Nationalparks, ziviler Umweltorganisationen sowie anderer Freiwilligengruppen und Ministerien ausgerichtet.

 

Innovation und Modellhaftigkeit des Projektes

Das Vorhaben des Örség Nationalpark (ÖNP) zur Durchführung eines Vorhabens nach Kriterien von Citizen Science war nicht nur für den ŐNP und die Region Westungarn, sondern für ganz Ungarn einmalig und neu. Dabei wurden innovative Methoden und Instrumente für Kooperationen mit freiwilligen Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft entwickelt und basierend auf einem konkreten Umsetzungsziel modellhaft angewendet.

Weiterhin wurde im Rahmen des Projektes das in Ungarn kaum bekannte Konzept Citizen Science als Form bürgerschaftlichen wissenschaftsnahen Engagements und der Partizipation an wissenschaftlichen Prozessen eingeführt und das Potenzial für ganz Ungarn beispielhaft aufgezeigt.

Das gesamte Kommunikations- und Bildungskonzept mit allen Komponenten inklusive der Internet-Plattform und der App zur Tagfaltererfassung kann auf andere Kontexte adaptiert werden und wurde den anderen ungarischen Nationalparks vorgestellt und zur Verwendung angeboten.

 

Besondere Aspekte des Projektes

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des Vorhabens war, dass erfahrene Akteurinnen und Akteure aus dem praktischen Naturschutz, aber auch aus dem Bereich der Biodiversitätsforschung und der Umweltbildung aus Deutschland an der Realisierung des Vorhabens mitwirkten und ihre langjährigen Erfahrungen aus dem Bereich Citizen Science (u. a. Wildkatzen-Monitoring und Tagfalter-Monitoring in Deutschland) in das Vorhaben einbrachten.

Ein wichtiger Aspekt war auch die gezielte Aktivierung von ungarischen Jugendlichen, welche an vielen umgesetzten Maßnahmen partizipierten. Sie nahmen am Sommercamp und an Workshops in Deutschland und Ungarn sowie an Fachtagen für junge Tagfaltererfasserinnen und -erfasser teil. Von ihnen wurde auch eine Dauerausstellung entworfen.

 

Förderthema: FT 11: Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung in Nutzlandschaften und Schutzgebieten

Kooperationspartner:

Assoziierte Partner:

Wirkungsorte:

  • Deutschland (Schwerpunkt: Nationalpark Hainich, Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal)
  • Ungarn (Schwerpunkt: Nationalpark Örség)

Förderzeitraum: Oktober 2017 bis Dezember 2019, Abschlussbericht zum Download

Projektkosten: Gesamtvolumen: 309 058 Euro, Förderung durch DBU: 153 311 Euro

DBU-AZ: 33793


Stand: 16.09.2021