Kolmation und ihre Wirkung auf rheophile Fischlebensgemeinschaften

Aktenzeichen 35211/01
Abschlussbericht:
Projektträger: Planungsbüro Zumbroich Landschaft und Gewässer (PBZ)
Breite Str. 21
53111 Bonn
weitere Projekte aus der Umgebung
Telefon: +49 228 2277770
Internet: https://www.zumbroich.com
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Beschreibung:
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Anthropogene Feinsedimenteinträge können ein großes ökologisches Problem für Gewässer darstellen. Sie verstopfen den Lückenraum von Gewässersohlen (das hyporheische Interstitial) und beeinträchtigen dadurch den Wasser- und (Nähr-) Stoffaustausch zwischen frei fließendem und Interstitialwasser. Diese „Kolmation“ gefährdet die ökologische Funktionsfähigkeit von Fließgewässern, einschließlich der Lebensgemeinschaften.
Salmoniden wie der Lachs (Salmo salar) legen ihre Eier direkt in diesen Lückenraum ab. Unnatürliche Feinsedimenteinträge können den Schlupferfolg von Eiern hemmen, da es zu Sauerstoffdefiziten, Anrei-cherung von (Schad-) Stoffen und ggf. weiteren negativen Interaktionen kommen könnte.
Das vorliegende Forschungsprojekt „Kolmation und ihre Wirkung auf rheophile Fischarten“ betrachtet die Degradation von Laichhabitaten durch Kolmation und die Auswirkungen auf den Reproduktionserfolg anadromer Salmoniden an simulierten Laichgruben. Durchgeführt wurden die Untersuchungen an ausgewählten Gewässern des Wanderfischprogramms Nordrhein-Westfalen im Einzugsgebiet der Sieg.
Das Projekt dient auch der Identifikation geeigneter Forschungsansätze zur Beurteilung der Eignung von Gewässern für die Wiederansiedlung anadromer Salmoniden mit Blick auf deren Feinsedimentbelastung.
Die Arbeiten, die in Zuläufen der Unteren Sieg stattfanden, erfolgten im Jahr 2020. Fachlich unterstützt wurde das Projekt durch den Rheinischen Fischereiverband NRW 1880 e. V. Das Lebendmaterial (Lachseier im Augenpunktstadium) wurde durch die Landesfischereianstalt NRW (LANUV NRW, Abteilung
Fischereiökologie und Aquakultur) zur Verfügung gestellt.
Mit den Erfahrungen des Projektes soll eine Basis für ein weitergehendes investigatives Monitoring zur Habitateignung von kiesgeprägten Gewässern für rheophile Fischarten gelegt werden.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZu dem Untersuchungsprogramm gehören Laichhabitatkartierungen, Messungen mit dem Kolmameter, optisch-haptische Kartierung von Kiesbänken, chemisch-physikalische Untersuchungen, Makrozoobenthosbewertungen und das Ausbringen von Fischbrutbehältern zur Beobachtung der Laichentwick-lung.
Die Auswahl der Probestellen erfolgte aus einer Kombination biotischer und abiotischer Sekundärdaten sowie eigener Begehungen und Kartierungen.
Im Anschluss erfolgten detaillierte Kolmationsmessungen in 13 Untersuchungsbereichen und physika-lisch-chemische Untersuchungen des Interstitialwassers und der fließenden Welle (Temperatur, Sauer-stoffge-halt und -sättigung, pH-Wert sowie elektrische Leitfähigkeit). Weitere Kolmationsmessungen zur räumlichen Kolmationssituation erfolgten im Rahmen einer universitären Abschlussarbeit. Für die Erfas-sung der Kolmation wurde u. a. das Messgerät Kolmameter, das als Funktionsmuster zur Verfügung stand, eingesetzt.
Zur Ermittlung des Reproduktionserfolges wurde von der Landesfischereianstalt NRW bereitgestellte
lebende Lachsbrut im Augenpunktstadium verwendet. Für die In-Situ-Versuche wurden verschiedenartige Brutbehälter eingesetzt und auf ihre Funktionstüchtigkeit hin getestet. Die Lachsbrut wurde in künstlich angelegte Laichgruben gegeben und nach Erreichen von ca. 500 Tagesgraden aus der Gewässersohle entnommen.



Ergebnisse und Diskussion


Das Schlupfergebnis war sehr unterschiedlich: Auffallend war eine hohe Ausfallrate in Behältern mit eingeschwemmten Feinsediment. Zeitgleich mit der Entnahme der Brutboxen erfolgten die Kolmametermessungen. Dabei zeigte sich, dass keine der 13 gemessenen Stellen stark kolmatiert war.
Trotz nicht nachweisbarer Kolmation während des Expositionszeitraumes der Eier im Interstitial sammelten sich jedoch Feinsedimente in den Brutbehältern an und führten insbesondere bei Brutbehältern ohne Kies-einlage zu hohen Verlustraten.
Aus dieser Beobachtung lässt sich ableiten, dass die bewegliche Feinsedimentfracht in der fließenden „Interstitialwelle“ während der Brutentwicklung von großer Bedeutung ist. Diese wurde von den Kolmametermessungen möglicherweise nicht erkannt, da das Messprinzip Verstopfungen bzw. Durchströmungswiderstand misst und nicht frei bewegliches Feinsediment.
Dennoch geben Messungen der Kolmation grundlegende Hinweise auf eine generelle Feinsedimentbelastung und sie können als wichtiger Entscheidungsträger beispielsweise zur Eingrenzung weiterer Untersuchungen oder Auswahl geeigneter Gewässerbereiche dienen.
Neue Erkenntnisse zur Kolmationsdynamik in Gewässern lieferte eine in den weiteren Projektverlauf integrierte Diplomarbeit zur räumlichen Kolmationsverteilung im Interstitial. Die Messergebnisse aus punktuellen Messungen lassen bei Übertragung in den dreidimensionalen Raum verschiedene Interpretationen zur Feinsedimentverteilung zu, wobei die Kolmation tendenziell in die Tiefe zunimmt (Hahn, Lisa 2021, unveröff.). Es konnten Vorschläge für ein Anwendungsverfahren für die räumliche Kolmationserfassung des
Interstitialkörpers abgeleitet werden.




Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation


Die überregionale Verbreitung der Ergebnisse soll via Tagungen und zielgruppenrelevanter Publikationen, aber auch über Fachzeitschriften erfolgen.
Zudem ist geplant, die Projektergebnisse auf der Jahrestagung 2022 der Deutschen Gesellschaft für Limnologie (DGL) im September 2022 im Rahmen von Vorträgen vorzustellen.




Fazit

Die gewonnenen Erfahrungen eröffnen weitergehende Fragestellungen und vielversprechende Forschungsperspektiven. So sollten die Brutbehälter konstruktiv mit Blick auf die eingetragenen und zu-gleich unerwünschten Feinsedimente so angepasst werden, dass sie einerseits die reale Feinsedimentsi-tuation widerspiegeln und andererseits nicht zur unerwünschten Falle für Sedimente werden.
Einen weiteren, gegebenenfalls hochrelevanten Aspekt stellt die mögliche toxische Belastung dar, welche sich aus der Akkumulation von Schadstoffen im Feinsedimentmaterial ergeben könnte. Neben dem quantitativen Ansatz, die Kolmation über die Permeabilität des Interstitials (und somit dem Anteil der kolmatierenden Feinsedimente) zu erheben, würde der Blick vom „wieviel“ (Verstopfung durch Feinsedimente) auf das „was“ (Bestandteile der Feinsedimente) gelenkt werden.
Um diese Fragestellung angehen zu können, wurde während der Projektlaufzeit vom Planungsbüro Zum-broich ein Sampler zur Entnahme von Interstitialwasser und -feinsediment entwickelt. Erste, testweise erhobene Probenahmen und zwei während der Laufzeit im Projektgebiet durchgeführte Bachelorarbeiten zur Schwermetallbelastung der Sedimente bestätigten die Eignung für die Materialgewinnung zur Vor-Ort Analyse des Sediment-Wasser-Gemisches sowie für die chemische Analyse der Feinsedimente im Labor. Bei einer hohen Anzahl an Messpunkten lassen sich Eintragspfade detektieren und Belastungen bis zur Quelle nachverfolgen. Dies betrifft auch möglicherweise toxisch wirkende Schadstoffe aus u. a. Siedlungswassereinträgen.
Es erscheint sinnvoll, bei Fortführung der Fragestellung den Untersuchungsumfang auf weitere Gewässer des Wanderfischprogramms Nordrhein-Westfalen auszuweiten, mit größerem Probenumfang und ei-nem längeren Zeitraum. Dadurch ließen sich gezielte Entwicklungs- und Schutzmaßnahmen zur Habitat-qualität ableiten und auch die Priorisierung der Gewässer für die Wiederansiedlung des Lachses justieren.
Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Projekt während der gesamten Laufzeit von der Corona-Pandemie mit monatelanger Schließung des Präsenz-Universitätsbetriebes und andauernder Kontaktbeschränkungen begleitet wurde. Wir sind froh, dass dennoch ein zielgerichteter Projektablauf, insbesondere bezüglich der Arbeiten im Außenbereich stattfinden konnte. Allen Beteiligten, voran unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, gilt daher ein besonderer Dank.


Förderzeitraum: 27.11.2019 - 26.12.2021 (2 Jahre und 1 Monat)
Fördersumme: 124.710,00
Förderbereich: 10
Stichworte: Sediment, Fischart, Habitat
Publikationen: