Aktenzeichen | 35408/01 |
Abschlussbericht: | |
Projektträger: | Institut für Diagnostik und Konservierung
an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. (IDK)
Schlossplatz 1 01067 Dresden weitere Projekte aus der Umgebung |
Telefon: | +4935148435101 |
Internet: | https://www.idk-info.de |
Bundesland: | Sachsen |
Beschreibung: | Zielsetzung und Anlass des Vorhabens Das hochgiftige historische Pigment Schweinfurter Grün kommt in einer Vielzahl von Denkmalobjekten an verschiedensten Stellen, meist in der Wandgestaltung, gelegentlich aber auch an mobilen Ausstattungsstücken vor. Es herrscht große Unsicherheit, wie mit diesen Stoff unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller modernen Denkmal-, Sicherheits- und Umweltkriterien umgegangen werden sollte. Schon für die Identifikation des Pigmentstoffs besteht Aufklärungsbedarf. Das Projekt soll zu vielen dieser Fragen Antworten liefern und Lösungswege anbieten. Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt ist in fünf Arbeitspakete untergliedert: AP 1 Recherchen, Verbreitung, Objekte, Stand des Wissens Schweinfurter Grün ist einerseits als Pigment bekannt sowie auch seine Entstehungs- und Wirtschaftsgeschichte. Da Schweinfurter Grün als Pigment schon lange nicht mehr hergestellt und verbreitet werden darf, wurde versucht, noch Gebinde des Pigments für weitergehende Untersuchungen zu finden. AP 2 Analysen/Tests und Empfehlungen Die aktuell möglichen und mehr oder weniger in diesem Fachbereich einfach verfügbaren Analysemethoden werden im Hinblick auf Ihre Eignung zur Identifikation von Schweinfurter Grün insbesondere an Analysenmaterial aus oder im Denkmal evaluiert. Die Methoden werden erfasst, erklärt und Vor- sowie Nachteile im Bezug auf die Eignung dargelegt. Ergänzend werden eigene Untersuchungen durchgeführt. AP3 Untersuchungen zu gasförmigen Arsens u.a. durch Pilzwachstum Durch Laborexperimente und chemische Berechnungen sowohl an Tapetenmaterial als auch mit Präparaten aus Reinproben werden die biotischen und abiotischen Prozesse, die zur Bildung der gasförmigen Arsenspezies Arsenwasserstoff und Trimethylarsin führen nachvollzogen. Die Prozesse sind komplex und können ausschließlich unter AP 4 Verbreitung Ergebnisse, Veröffentlichung AP 5 Projektmanagement letztes Arbeitspaket kommuniziert werden. Ergebnisse und Diskussion Vor Beginn des Projektes zeigte sich vielfältig immer eine ausgeprägte Verunsicherung bei „Betroffenen“, hier: Beteiligten, die durch einen Befund von Schweinfurter Grün in ihrem Verantwortungsbereich damit umzugehen hatten. Durch die im Projekt erarbeiteten Arbeitsschritte und die neuen Kompetenzen der Projektbearbeiter wurde es schnell möglich, diese aktuell „Beteiligten“ durch Vermittlung des aktuellen Wissens, durch gezielte Fragestellungen und durch angepasst Hilfestellungen diese große Unsicherheit zu nehmen und die Schritte, die einen Erhalt möglich machen lassen, vorgeschlagen. Auch für notwendige Rückbauarbeiten wurden Hilfestellungen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und Arbeitsgänge, die weitestgehend denkmalgerecht sind gegeben. Zwar gibt es keine immer gleiche Universallösung für alle Fälle, aber nun gibt es vorgeschlagene Handlungsschritte, wie das Thema anzugehen ist. Die Bereitschaft, das Vorgehen so zu wählen, ist nicht an allen Baustellen gleichmäßig vorhanden. Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation Im Projekt waren mehrstufige differenzierte Öffentlichkeitsaktivitäten zu erarbeiten. Denn die Herausforderungen im Umgang mit Schweinfurter Grün werden einerseits unterschätzt, gelegentlich aber auch überschätzt. Zunächst gilt es, das Bewusstsein, dass das historische Pigment in Wandfassungen vorkommen kann, und bei denen, die an solchen Objekten arbeiten, stark zu schärfen. Sollte der Verdacht aufkommen, muss sich zwingend eine Analyse anschließen. Analysen an Wandfassungen bei restauratorischen Befunduntersuchungen sind noch nicht selbstverständlich etabliert. Im Fall des Schweinfurter Grüns geht es neben der Denkmalrelevanz zusätzlich um Gesundheitsaspekte. Das Projekt trägt seinen Teil dazu bei, dieses Bewusstsein weiterzuentwickeln. So wurde erreicht, dass der Arbeitsausschuss Arbeitssicherheit des Verbandes der Restauratoren (VDR) das Thema aufgenommen und Informationen zur Aufklärung auf seine Webseite gestellt hat. Auf der als Online-Konferenz von St. Augustin aus ausgerichteten Tagung „Fokus Gefahrstoffe“, eine Gemeinschaftsveranstaltung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) und des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), wurde am 29. Juni 2021 ein Vortrag gehalten: „Schweinfurter Grün: Arsenhaltiges Farbpigment in historischen Gebäuden“. Am 19. Januar 2022 wurde in Präsenz ein Vortrag: Arsen in historischen Wandfarben Schweinfurter Grün, Problembenennung Fragen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und zum Erhalt auf dem DCONex Fachkongress: Schadstoffmanagement, Abbruch - Analyse - Entsorgung - Sanierung - Prävention in Essen gehalten. Das Thema Schweinfurter Grün wurde an der BTU Cottbus in Lehrveranstaltungen zum Studiengang "Forensic Sciences and Engineering" aufgenommen: Module Forensische Untersuchungs- und Analyseverfahren 1 und 2 (Module 11183 und 11184) im Modulkatalog der BTU. Auch am Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Otto-Friedrich-Universität Bamberg wurde das Thema in die Lehre mit eingetragen. Fazit Schweinfurter Grün ist ein historisches hochgiftiges Pigment, das immer noch und immer wieder in Denkmalen und Kulturgutobjekten aus dem 19. Jahrhundert gefunden wird. Dabei sind mehrere Beobachtungstränge interessant: i) Unwissenheit führt in einigen Fällen dazu, dass ein romantisierendes historisches Verständnis völlig unterschätzt, welche Giftstoffe an "alten Sachen" sein können und auch hier im Umgang besondere Kenntnisse erforderlich sind. Beispielsweise bei der „Rettung“ von (Guts-)Häusern aus dem 19. Jh durch engagierte Laien werden häufig in Eigenleistung stauintensive Sanierungsarbeiten durchgeführt ohne die Gesundheits- und Umweltgefährdung, die dabei entsteht, auch nur zu erahnen. ii) Die Geschichte von Schweinfurter Grün ist ein wesentlicher Mosaikstein in der Entwicklung des modernen Umweltverständnisses. Die ersten wichtigen und wesentlichen Schritte im Zusammenspiel und zum Teil Wechselspiel zwischen Medizin, Naturwissenschaften, Industrie und staatlichen Institutionen wurden im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert an dem Industrie und Wirtschaftsprodukt Schweinfurter Grün und seiner Anwendung bis hin zur endgültigen Durchsetzung seines Verbots entwickelt. Dennoch sind eine ganze Reihe von Aspekten beispielsweise seiner Reaktionen in der Umwelt bis heute nicht ausreichend erforscht und somit ein aktuelles Desiderat. |
Förderzeitraum: | 17.12.2019 - 17.12.2022 (3 Jahre) |
Fördersumme: | 124.985,00 |
Förderbereich: | 12 |
Stichworte: | Pigment, Kulturgüter, Dekontamination, Arsen, Präventive Konservierung, Putz |
Publikationen: |