besser spenden statt wegwerfen

Zielsetzung & Anlass

14.11.2022

Das deutsch-tschechische Projekt "besser spenden statt wegwerfen" wird von der Tafel-Akademie und Zachraň jídlo durchgeführt und zielt darauf ab die Lebensmittelverschwendung im Gastronomie-Sektor zu reduzieren, indem dort anfallende Lebensmittelüberschüsse durch wohltätige Organisationen an armutsbetroffene Menschen in der Tschechischen Republik verteilt werden.

Die Lebensmittel, die von der Weiterverarbeitung oder dem Verkauf in einem Gastronomiebetrieb ausgeschlossen werden, die aber kein Lebensmittelabfall sind, sind nach wie vor für den Verzehr durch Personen geeignet. Dabei handelt es sich meist um Fertiggerichte, die strengen Hygienestandards unterliegen. Untersuchungen über Lebensmittelverschwendung in der öffentlichen Gastronomie zeigen, dass die Menge dieser Gerichte zwischen 1,8 und 24,9 kg pro Betrieb und Tag liegt. 2019 hat das Thünen-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft festgestellt, dass die Lebensmittelverschwendung im Außer-Haus-Verzehr in Deutschland bei 1,7 Millionen Tonnen im Jahr liegt.

Auch in der Tschechischen Republik wird das Spendenpotential von Fertiggerichten bislang nicht genutzt. Ein Hindernis sind die rechtlichen Rahmenbedingungen. Nach den geltenden tschechischen Rechtsvorschriften dürfen Gerichte nur unmittelbar nach dem Kochen abgekühlt werden. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Gastronomiebetrieb jedoch noch nicht, ob das Gericht verkauft oder gespendet wird. Wenn eine spätere Abkühlung erlaubt wäre, würde sich die Zeit für die Weitergabe von Gerichten an Wohltätigkeitsorganisationen verlängern und die Transportkosten würden sinken. In anderen europäischen Ländern wie Portugal oder Italien ist das abkühlen und anschließende Spenden von Fertiggerichten unter klaren Hygieneauflagen allerdings erlaubt. Auch in Tschechien könnte sich die Rechtslage bald verändern. Im November 2021 wurde ein Entwurf einer neuen Verordnung über die Anforderungen an Gerichte durch das Landwirtschaftsministerium ins Gespräch gebracht.

Die aktuelle Rechtslage erschwert die Spendenlogistik. Da die fertigen Gerichte sofort abgekühlt, gefroren oder bei einer Temperatur von über 60°C gehalten werden müssen und diese Temperaturen auch während des gesamten Transports, der Lagerung und bis zur endgültigen Verteilung konstant gehalten werden müssen, ist es für die Lebensmittelbanken und gemeinnützige Organisationen extrem Ausstattungs- und Kostenintensiv.

Dieses Projekt nutzt einen mehrphasigen Ansatz, um überschüssige Lebensmittel aus der Gastronomie schnell, sicher und möglichst unaufwändig an wohltätige Organisationen zu verteilen.

In der ersten Projektphase im Winter 2021 werden Beratungen mit Rechtsexpert:innen, Jurist:innen und Besprechungen mit Regierungsvertreter:innen durchgeführt, um hygienerechtlichen Fragen zu identifizieren und politische Netzwerke zu mobilisieren. Gleichzeitig beginnt ein Austausch mit Akteuren aus der Gastronomie und von wohltätigen Organisationen, um Wünsche und Bedarfe für den Lebensmittelspendenprozess zu identifizieren.

In einer zweiten Projektphase werden zwei Modelle zum Spenden von Fertiggerichten pilotiert und evaluiert. Bei beiden Modellen werden mikrobiologische Tests von einem staatlichen Labor durchgeführt, um die sicherste und hygienischste Transportmodalität für Spenden aus der Gastronomie zu entwickeln.

In einer weiteren Projektphase wird nun eine Web-Applikation entwickelt, durch die das Spendenangebot der gastronomischen Betriebe möglichst effektiv mit den Spendenbedarfen der wohltätigen Organisationen zusammengeführt wird. Die Web-Applikation wird zusammen mit möglichen Nutzer:innen getestet. Anschließend werden Angestellte der gastronomischen Betriebe und wohltätigen Organisationen durch Schulungen auf die Nutzung der Web-Applikation vorbereitet.

Durch die zu Beginn des Projekts aufgebauten politischen Netzwerke können die Erkenntnisse der mikrobiologischen Tests und die Ergebnisse der Spendenmodelpilotierung an staatliche Akteure weitergegeben werden und so auf die Gesetzgebung eingewirkt werden. Über ihre online Auftritte und ihre Profile auf sozialen Medien werden die Tafel und Zachraň jídlo fortlaufend über das Projekt informieren.

Zachraň jídlo führt das Projekt in Tschechien durch. Die Tafel-Akademie unterstützt und berät Zachraň jídlo basierend auf langjähriger Projekterfahrung, politischen Kommunikation und digitaler Lebensmittelrettung. Durch das Projekt „Tafel macht Zukunft- gemeinsam digital“ und die dafür entwickelte eco-Plattform hat die Tafel-Akademie umfangreiche Erfahrung in der praktischen Umsetzung von digitalen Ansätzen zur Lebensmittelrettung und kann zudem auf ein weitreichendes Netzwerk zurückgreifen. Lebensmittelrettung in der Gastronomie ist ein Zukunftsthema auch für Deutschland. Daher wird der Erkenntnisgewinn aus diesem Projekt in Bezug auf Hygienestandards, Verteilungsmodalitäten und die Web-Applikation richtungsweisend für zukünftige Initiativen in Deutschland sein.

Weiterführende Informationen/Links:
Tafel-Akademie
Zachran jidlo
Lebensmittelverschwendung in Deutschland nach Sektor

Arbeitsschritte & Methoden

Problemdefinition und Netzwerkaufbau:
Um aktuelle Barrieren zu identifizieren, die das Spenden von Fertiggerichten verhindern, wird eine Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen aus Hygienebehörden, staatlichen Landwirtschafts- und Lebensmittelaufsichtsbehörden, mikrobiologischen Labors und Gastronomiebetrieben eingerichtet.

Im Anschluss sollen 2 Beratungen mit Rechtsexpert:innen, Jurist:innen und 2 Treffen mit Regierungsvertreter:innen stattfinden, bei denen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe geteilt werden. Gleichzeitig werden Partnerschaften mit Gastronomiebetrieben aufgebaut, damit frühzeitig die Interessen und Bedarfe der potentiellen Spender:innen identifiziert werden können.

Basierend auf ihrer langjährigen Erfahrung, berät die Tafel-Akademie Zachraň jídlo in der Kommunikation mit den hier benannten Stakeholdern.

Pilotprojekt zur Weitergabe von Fertiggerichten:
Für die Entwicklung der Pilotmodelle werden zunächst die Bedarfe der beteiligten Kooperationspartner:innen und Zielgruppen ermittelt. Dabei werden sechs Interviews mit Vertreter:innen der Organisationen geführt, die Lebensmittelspenden entgegennehmen würden. Außerdem werden fünf Interviews mit Vertreter:innen der Gastronomiebetrieben durchgeführt.

2 Pilotmodellen von Spenden von Fertiggerichten werden entwickelt und getestet: Modell 1 konzentriert sich auf das Spenden von warmen Gerichten direkt an Wohltätigkeitsorganisationen in der Nähe von Gastronomiebetrieben. Es wird geprüft, zu welchem Zeitpunkt die Fertiggerichte am besten zu transportieren sind, damit sie rechtzeitig an die Emfpfänger:innen geliefert werden können, welche Behälter sich am besten für den Transport eignen, wie man ihre potenzielle Rückgabe organisieren kann und wie die Route richtig geplant wird.

Modell 2 konzentriert sich auf das Spenden von abgekühlten Gerichten. Aktuell ist die Abkühlung aus hygienischen Gründen noch nicht erlaubt, so dass es sich um eine Simulation handelt und die Fertiggerichte anschließend nicht verzehrt werden. Im Rahmen des Modells 2 werden die Gerichte in einem oder zwei Gastronomiebetrieben gekühlt, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. In der Praxis wird getestet, wann es am sinnvollsten ist, die Gerichte zu transportieren, welche Einweg- oder Mehrwegbehälter für den Transport am besten geeignet sind und wie die Route optimal geplant werden muss. Im Rahmen der mikrobiologischen Tests werden 24 und 48 Stunden nach der Kühlung Proben entnommen und im Labor untersucht. Dabei wird festgestellt, ob die Kühlung in der Praxis durchführbar ist und ob eine Änderung der entsprechenden Verordnung angestrebt werden kann, um die Kühlung für Spendenzwecke zu ermöglichen. Das Spektrum der für das Testen geeigneten Fertiggerichten wird mit der Hygienebehörde abgestimmt.

Beide Pilotmodelle werden intern evaluiert, einzelne Schritte analysiert, die Machbarkeit einzelner langfristiger Lösungen bewertet und die Vor- und Nachteile beider Modelle erfasst.

Basierend auf den Erkenntnissen der Modell-Evaluation wird ein Leitfaden „Wie können Fertiggerichte gespendet werden“, mit Empfehlungen für Gastronomiebetriebe, Wohltätigkeitsorganisationen und Lebensmittelbanken veröffentlicht und an relevante Akteure verschickt. Zum Leitfaden wird zudem eine Pressemitteilung formuliert.
Die Tafel-Akademie berät bei der Umsetzung und Evaluation der Modelle.

Entwicklung einer Web-Applikation:
Eine ausführliche, Tiefenrecherche zu Web-Applikationen aus anderen Ländern ist vorgesehen. Im Anschluss wird in der Kooperation mit IT-Fachleuten eine Web-Applikation entwickelt, die durch Name, Logo und Design die Nutzer anspricht.

In der Testphase werden von den künftigen Nutzer:innen die Funktionalität und Benutzer:innenfreundlichkeit getestet und die Ergebnisse ausgewertet. Ausgehend vom Feedback wird die Web-Applikation angepasst.

Mitarbeiter:innen der beteiligten Gastronomiebetriebe und gemeinnützigen Organisationen werden in der Nutzung der Web-Applikation geschult.

Um den Start der finalen Web-Applikation zu fördern, wird eine Crowdfunding-Aktion organisiert, die auch als eine Art der Werbung fungiert. Im Rahmen der Crowdfunding-Aktion werden Partnerschaften mit 5 Unternehmen gesucht, die das Vorhaben mit einer Spende oder einem Produkt unterstützen.

Die Tafel-Akademie berät Zachraň jídlo sowohl in der Entwicklung der Web-Applikation, als auch in der Schulung für Nutzer:innen und ermöglicht Beratung und Erfahrungsaustausch zur Ansprache von Unternehmen.

Ergebnisse & Diskussion

Zu diesem Zeitpunkt (November 2022) hat das Projekt bereits erste Ergebnisse produziert.

Für Modell 1 wurden verschiedene Verteilungsmodalitäten und Verpackungsmaterialien pilotiert. Es konnten fast 70 noch nicht ausgegebene Mahlzeiten aus 5 Kantinen an wohltätige Organisationen übergeben werden. Der Temperaturverlust mit verschiedenen Verpackungen wurde nach Ankunft der Spenden am Zielort gemessen.

Für Modell 2 wurden mikrobiologische Tests an Gerichten, die nach der Zubereitung abgekühlt wurden, durchgeführt. Die Untersuchungen haben ergeben, dass auch die Abkühlung eine hygienetechnische sichere Weitergabemodalität ist.

Erste Gespräche mit Ministeriumsvertreter:innen haben stattgefunden. Die Analyse der rechtlichen und politischen Lage zeigt, dass die Ergebnisse des Projekts zu einem opportunen Zeitpunkt kommen, in dem die Gesetzeslage in Tschechien überdacht wird. Somit kann das DBU-Projekt direkten Einfluss auf die tschechische Gesetzgebung ausüben. Gleichzeitig können die Ergebnisse und die Zusammenarbeit auf deutscher Seite zur Ausgestaltung möglicher Gesetzesvorhaben als Erfahrungsgrundlage dienen und die ersten konkreten Ergebnisse zur Umsetzung des Projektes in Gespräche von deutschen Kooperationspartner:innen einfließen.

Erste Austauschformate mit Gastronomiebetrieben und wohltätigen Organisationen haben stattgefunden. Von Mitte April bis Ende Oktober 2022 wurden mehr als 13.000 Portionen gekühlter und warmer Mahlzeiten zu Wohltätigkeitsorganisationen transportiert.

Die Entwicklung der Web-Applikation zur Verteilung der Lebensmittelspenden an wohltätige Organisationen wird weitergeführt unter Einbindung von Spendern und Empfängern.

Die Online-Präsenz des Projektes sowie begleitende Grafikmaterialien wurden erstellt. Der Auftritt auf sozial Media Kanälen in tschechisch und deutsch hat die Bekanntheit des Projekts erhöht. Weitere Kommunikationsmaßnahmen sind geplant.

Öffentlichkeitsarbeit

Eine Kommunikationskampagne begleitet das Projekt in sozialen und traditionellen Medien. In den ersten Monaten des Projekts wurde mehrfach in der tschechischen Presse darüber berichtet. Bislang wurden 5 Beiträge auf Facebook, 5 Beiträge auf Instagram und 2 Beiträge auf Twitter veröffentlicht. Die Themen, die dabei behandelt wurden, fokussierten die Inhalte des Leitfaden „Wie spendet man Fertiggerichte?“ und den Prozess der Lebensmittelweitergabe. 8 weitere Posts sind bis zum Ende des Projekts geplant.

4 Newsletter wurden verschickt, die sich thematisch mit der Veröffentlichung des Dokuments „Wie spendet man Fertiggerichte?“, der Durchführung von Lebensmitteltransporten von Kantinen an wohltätige Einrichtungen, der Erstellung unserer Website für Catering und Wohltätigkeitsorganisationen sowie der App befassten.

Zusätzlich wird auf den Webseiten der Tafel-Akademie und Zachraň jídlo regelmäßig über das Projekt informiert. Zum Projekt werden Foto- und Videomaterialen produziertwurde , die über das Projekt informieren und dafür werben.

Die Tafel-Akademie berät Zachraň jídlo in der Entwicklung des Medienplans und der konkreten Kommunikationsmaßnahmen. Die Tafel-Akademie arbeitet die Projektergebnisse regelmäßig auf und veröffentlicht diese über die eigenen Medien sowie denen der Tafel Deutschland (Website, Newsletter, ggf. Social Media wie facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn).

Weiterführende Informationen/Links:
Projektwebsite (deutsch)
Projektwebsite (tschechisch)
Aktenzeichen 37522/01
Abschlussbericht:
Projektträger: Bildungsakademie der Tafel Deutschland gGmbH
Germaniastr. 18
12099 Berlin
weitere Projekte aus der Umgebung
Telefon: 030 200 59 7620
Internet: -
Bundesland: Grenzüberschreitend
Förderzeitraum: 15.09.2021 - 15.06.2023 (1 Jahr und 9 Monate)
Fördersumme: 115.389,00
Förderbereich: 13
Stichworte: Lebensmittelabfall, Lebensmittelverschwendung, Verbraucherverhalten
Publikationen: