Monitoring │ Umwelteinflüsse │ Modellbildung auf und von Objekten der Industriekultur im Ruhrgebiet

Zielsetzung & Anlass

Die Industriekultur des Steinkohlenbergbaus sowie der Stahlgewinnung und –verarbeitung im Ruhrgebiet und darüber hinaus in vergleichbaren Regionen, wie der Gegend um Ibbenbüren, dem Aachener Raum und dem Saarland, ist teils monumental und prägend für die Regionen. Sie bietet seit vielen Jahren eine identitätsstiftende Kulisse mit weit sichtbaren Schachtgerüsten, Stahlwerken und Kokereien. Es besteht die Aufgabe, diese Architektur so weit wie möglich zu erhalten.
Negative Umwelteinflüsse verschärfen die Situation: So entstehen Hitzeperioden, in denen deutlich höhere Temperaturen erreicht werden als in den Jahrzehnten der Erbauung. Starkregenereignisse sind mit ungewohnten Regenmengen und Windgeschwindigkeiten verbunden. Neben der direkten Auswirkung von extremen Temperaturschwankungen, etwa auf die Stahlkonstruktionen, kommt es zu Trocknung und Quellung des Untergrundes, was nahezu vergleichbare
Auswirkungen zu den im aktiven Bergbau noch üblichen Bergsenkungen hat.
In der Folge leiden klimabedingt die für die „Ewigkeit“ gedachten Gebäude und Denkmale. Sie erleiden Risse, Lack-Abplatzungen und andere Materialschäden, die die strukturelle Integrität derart beeinträchtigen, dass gegebenenfalls teure Sanierungen oder gar der Abriss droht. Eine große Herausforderung ist bei der Vielzahl der betroffenen Bauwerke, wie eine Materialbewertung für die Denkmäler schützende aktive Organisationen bewerkstelligt werden kann.

Das Projekt möchte im Sinne einer Machbarkeitsstudie eine Methode erarbeiten, die mit Hilfe von Drohnen getragenen optischen, thermalen und multispektralen Sensoren eine Einschätzung von Fachleuten, insbesondere den Materialwissenschaften, zur Erhaltung zulässt. Gemeinsam mit dem für die Monumente der Route Industriekultur zuständigen Regionalverband Ruhr werden dazu repräsentative Gebäude ausgewählt und mit diversen Sensoren erfasst. Die Sensordaten werden in einem im Projekt zu entwickelnden Verfahren fusioniert und bieten eine Möglichkeit zur umfassenden, hochgenauen raumzeitlichen und dreidimensionalen Betrachtung solcher komplexeren Gebäude. Materialwissenschaftler:innen des FZN und des Deutschen Bergbaumuseums können daraus ihre Schlüsse ziehen und aus ausgewählten Sensordaten eine Schadensbilddatenbank erstellen, die zukünftig etwa als Referenz für vergleichbare Schäden genutzt werden kann. Die Ergebnisse, hochgenaue mit Sensordaten überlagerte 3D-Modelle der betreffenden Gebäude, werden über den RVR in die Raum-Daten-Infrastruktur (SDI1) der Metropole Ruhr integriert und so einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Diese dienen insgesamt als Basis für diverse Fragen. Neben den Materialwissenschaften
können das Historiker, Architekten und Denkmalpfleger, aber auch die Öffentlichkeit sein.
Der assoziierte Partner 52° North begleitet das Projekt, um in einer weiteren Förderphase als IT-Spezialist die Möglichkeit einer Software-Entwicklung für Nicht-Spezialisten (etwa kleineren Denkmalschutzbehörden) zu bewerten. Mit der Hauptschule Hamm, die bereits die App route.industriekultur entwickelt hat, wird ein weiterer Aspekt im Projekt berücksichtigt. Die Idee ist, ein Schülerlabor sowie entsprechende Unterlagen zu entwickeln, über die Jugendliche für das Thema Industriekultur insgesamt, aber auch für die möglichen beruflichen Bildungsmöglichkeiten zu begeistern.

Das Projekt hat im Sinne einer Machbarkeitsstudie zwei übergeordnete Ziele:
1. Entwicklung eines optischen, multispektralen, thermalen kopterbasierten Verfahrens zur raumzeitlichen Datenerfassung, -analyse und -visualisierung an durch anthropogen bedingte Umwelteinflüsse belasteten Denkmälern der Industriekultur als Grundlage für eine objektbasierte Zustandsbewertung durch die Denkmalbehörden und Restauratoren.
2. Transfer in die Zivilgesellschaft über die Integration und Erweiterung der Ergebnisse in die App route.industriekultur, um die regionale Identität und die Wissensvermittlung und Querschnittsfunktionen zur Industriekultur
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu befördern. Die Projektförderung dient somit der Zusammenführung der Aspekte innovativer Technologien und Nachhaltigkeit in der Denkmalpflege und im Transfer in Richtung von Bildungseinrichtungen u.a. mit sozialen und kulturellen Aspekten. Das entwickelte Verfahren hilft bei der Beurteilung von Oberflächeneigenschaften von
Denkmälern und unterstützt so zukünftig die Bewahrung und Sicherung national wertvoller Kulturgüter vor schädlichen Umwelteinflüssen und perspektivisch klima- und ressourcenschonendes Bauen. Es wird betont, dass es sich um eine Machbarkeitsstudie handelt, die die vorgeschlagene Methode (Kombination
aus Geomonitoring, Bildverarbeitung und Übertragbarkeit auf die Materialwissenschaften) entwickelt. Ziel wird sein, den lauffähigen Demonstrator so zu etablieren, dass das Konsortium die operative Anwendbarkeit des Verfahrens belegen kann.

Arbeitsschritte & Methoden

In dem Projekt wird unter Anwendung von Sensor-tragenden Flugrobotern ein Verfahren zur Sensordatenfusion mehrerer Sensoren entwickelt, um durch diese Fusion präventive Konservierung, Sicherung und Bewahrung von Kulturgütern zu ermöglichen. Das Verfahren wird im Reallabor Zeche/Kokerei Zollverein und
an der Landmarke des Schachtgerüstes des Deutschen Bergbau-Museums getestet. Die Dokumentation dieser Objekte eröffnet die Möglichkeit, schnell und kostengünstig ein hochgenaues 2D-/3D-Kataster zu erstellen, das als Basis für eine (Material-)Veränderungsdokumentation genutzt werden kann. Die optische und multispektrale Datenbasis bis in den thermalen IR-Bereich wird dabei so aufeinander referenziert, dass Materialveränderungen und -schäden erkennbar, lokalisierbar und deren Position auch nach Jahren exakt nachzuvollziehen
sind. Aus den bildgebenden Verfahren entstehen Kartierungen von Materialwechseln, Spannungen im Material, sich ablösenden Beschichtungen, Spaltkorrosionen, etc. die über anthropogene Immissionen hervorgerufene Schäden und Gefahren der Konstruktion Auskunft geben. Hierzu werden hochgenaue optische Kopter, Kopter zur dreidimensionalen Vermessung von Objekten und Kopter mit Spezialsensorik in Form einer Multispektralkamera sowie einer hochauflösenden, radiometrischen Thermal-IR-Kamera kombiniert. Für alle Flugroboter werden Flugpläne konstruiert, um die Gebäude systematisch zu erfassen. Die Befliegung kann verstetigt werden um zyklisch und saisonal eine (kostengünstige) Wiederholung zur Veränderungsdokumentation durchzuführen und neue Daten über Umweltauswirkungen auf die Materialeigenschaften und den Erhaltungszustand zu leisten (z.B. spektrale Veränderungen an Beschichtungen und präzise Positionierung als Grundlage für ein Monitoring im Regelbetrieb).
Im Anschluss führen Materialwissenschaftler und Denkmalbehörden Bewertungen im Hinblick auf anthropogene Umweltauswirkungen durch. Sie beginnen im hochaufgelösten RGB-Bereich mit einer optischen Begutachtung, um danach detaillierte Spektralanalysen vorzunehmen. Materialverändernde Prozesse entstehen unterhalb der Multi-Layer-Coatings durch Veränderung der Schichtdicke sowie spektrale Farbveränderungen, die nicht direkt für das menschliche Auge wahrnehmbar sind und sich dann an der Oberfläche abbilden.
Diese Prozesse sind immer auch mit exothermen Vorgängen - thermal detektierbaren Reaktionen etwa bei der Oxidation – verbunden, die sich im hochauflösenden Infrarotsensor abbilden lassen. Dadurch ergeben sich Hinweise auf Materialeigenschaften und Zustand. Alle Ergebnisse werden in digital weiterverarbeitbare Formate übertragen und unter anderem in die App route.industriekultur vom RVR eingebunden.
Ziel ist die Integration in Strategien des RVR und der Denkmalbehörden zur präventiven objektbasierten Zustandsbewertung für die Konservierung, Sicherung und Bewahrung.

AP 1: Auswahl und Priorisierung montanhistorischer Objekte
AP 2: 3D-Befliegung (optisch, thermal, multispektral)
AP 3: Photogrammetrische Auswertung und Überarbeitung der Befliegungsdaten
AP 4: Auswertung der Umwelteinflüsse auf Metallurgien mit Auswertung und Bewertung der Sensordaten
AP 5: Umsetzung der Geodaten in die App route.industriekultur
AP 6: Aufbau des Schülerlabors
AP 7: Inwertsetzung des Projektes in enger Abstimmung mit der DBU
AP 8: Koordination

Laufzeit des Projektes erstreckt sich über 12 Monate mit jeweils 4 Meilensteilen, die vierteljährlich anstehen.

Aktenzeichen 37668/01
Abschlussbericht:
Projektträger: Technische Fachhochschule Georg Agricola Forschungszentrum Nachbergbau
Herner Str. 45
44787 Bochum
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Telefon: +49 234 968 3682
Internet: https://www.thga.de
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Förderzeitraum: 01.01.2022 - 31.12.2022 (12 Monate)
Fördersumme: 123.868,00
Förderbereich: 12
Stichworte: Industriebau, Kulturgüter, Baudenkmal
Publikationen: