28.04.2021 | Wasser marsch in den Roßlauer Elbauen

Letzter Schritt zur Renaturierung des Flutrinnensystems: ehemaliger Sommerdeich geschlitzt – erste Erfolge sichtbar

Renaturierte Flutrinne
 © Andreas Regner/Biosphärenreservat Mittelelbe
Die renaturierte Flutrinne auf der DBU-Naturerbefläche Roßlauer Elbauen versorgt die umliegenden Feuchtsenken und Kleingewässer mit Wasser und wird bei Elbhochwasser gespeist.
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Verlandedet Flutrinne vor Bauarbeiten © Andreas Regner/Biosphärenreservat Mittelelbe
Vor den Bauarbeiten: Die nun renaturierte Flutrinne war mit Erde überlagert und bewachsen.
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Bauarbeiten © Andreas Regner/Biosphärenreservat Mittelelbe
Mithilfe von Baggern wurde die Flutrinne um bis zu eineinhalb Meter vertieft.
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Roßlau. Sie grenzen unmittelbar an die Elbe und doch waren sie in den vergangenen Jahren von großer Trockenheit gezeichnet: Die Roßlauer Elbauen gehören zu den natürlichen Überschwemmungsflächen der Elbe. Mit den seit Jahren ausbleibenden Überflutungen fehlte der Aue im Roßlauer Oberluch noch bis vor kurzem das Wasser. In einem Projekt des Biosphärenreservats Mittelelbe und mit fachlicher Unterstützung der Flächeneigentümerin DBU Naturerbe, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), sowie dem Bundesforstbetrieb Mittelelbe wurde das Flutrinnensystem reaktiviert. Nun folgte mit einer Deichschlitzung der finale Schritt zur Wiedervernässung der Auen – mit ersten sichtbaren Erfolgen.

Elbauen trocken gefallen

Über ein Flutrinnensystem speist die Elbe die angrenzenden Auen und deren Feuchtsenken, -wiesen und Kleingewässer bei Hochwasser. Dieser Wasseraustausch ist für die Feuchtlebensräume auf der DBU-Naturerbefläche unbedingt notwendig. Die vergangenen drei Jahre in Folge waren jedoch sehr niederschlagsarm. Hochwasser blieben bis Anfang dieses Jahres aus und der Wasserstand der Elbe sank, sodass die umliegenden Auen sehr trocken gefallen sind. Typische Tierarten wie die Rotbauchunke oder der Kranich verschwanden. Daher hat das Biosphärenreservat Mittelelbe ein Projekt in die Wege geleitet, um das teils verlandete Flutrinnensystem zu sanieren und es mit der Elbe zu verbinden. Laut Auenzustandsbericht 2021 des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz sind in Deutschland nur noch neun Prozent dieser Lebensräume an Flüssen ökologisch unversehrt. „Besonders vor diesem Hintergrund freuen wir uns über diesen großartigen Einsatz für intakte Auen und Artenvielfalt“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der DBU.

Das Projekt wurde gänzlich mit Mitteln des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt für das „Gesamtkonzept Elbe“ finanziert und konnte in Abstimmung mit den zuständigen Behörden realisiert werden. „Ich danke allen Beteiligten dafür, dass dieses Projekt so erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die ca. 230.000,- Euro sind gut investiertes Geld, weil wir den landschaftserhaltenden Kräften der Elbe wieder mehr Raum geben. Ein Teil der natürlichen Elbaue ist zum Leben erweckt worden und Auenbiotope als Heimat zahlreicher seltener Pflanzen und Tieren können wieder entstehen. Wieder ist ein kleiner Schritt getan, um die Artenvielfalt an der Elbe zu schützen und die Lebensbedingungen zu verbessern“, freute sich Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert zum Abschluss des Projektes.

4.500 Kubikmeter Erde entnommen

Im Fokus stand ein Flutrinnenteilstück im Roßlauer Oberluch. Aufgrund des flusstypischen Bodens geht der Projektinitiator Andreas Regner von der Biosphärenreservatsverwaltung davon aus, dass es sich um einen ehemaligen Nebenarm der Elbe handelt. Im Zuge des Projekts entnahm die Oranienbaumer Tiefbau, Umwelt- und Gewässerpflege mithilfe von Baggern und Radladern rund 4.500 Kubikmeter Verlandungsmassen aus der Flutrinne. An manchen Stellen sei sie um bis zu eineinhalb Meter vertieft worden und umfasse nun rund 200 Meter Länge bei 30 Metern Breite. Den Zweck nennt Regner: Mit der wiederhergestellten natürlichen Flutrinnentiefe vergrößert sich das Wasservolumen, das darin aufgenommen werden kann. Bei moderatem Regen bleibt die Flutrinne dauerhaft mit Wasser gefüllt und typische Auenbiotope können sich wieder etablieren.

Hoher Wasserstand der Elbe flutet Auen

Während der Phase der Bauarbeiten Mitte Februar stieg der Wasserstand der Elbe durch Tauwetter im Riesengebirge in Tschechien und durch Niederschläge. Das Wasser überflutete die Auen über einen Umweg. Es gelangte über die Rossel, einem Zufluss der Elbe, bis in den renaturierten Flutrinnenbereich. Das natürliche Hochwasserereignis verzögerte die Restarbeiten.

Finaler Schritt: Deichschlitz

Anfang April folgte der finale bauliche Schritt: Unmittelbar an der Elbe liegt ein ehemaliger Sommerdeich. An dessen tiefstem Punkt auf Höhe der wiederhergestellten Flutrinne öffnete das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe (WSA) im Rahmen der Wasserstraßenunterhaltung diesen mit Hilfe eines Baggers. So kann das Elbwasser in Zukunft bei kleinen und mittleren Hochwassern wieder einen direkten Weg in die Aue finden. Wie geplant, steht aktuell das Wasser in der renaturierten Flutrinne. Regner ist zuversichtlich, dass der Bereich ökologisch nachhaltig aufgewertet worden sei.

Wiesenbrüter und Amphibien profitieren

Die naturbelassene Auenlandschaft ist Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere wie Kranich, Weißstorch, Wachtelkönig und Rotbauchunke. Eine weniger bekannte Zielart ist der Schnepfenvogel Bekassine, der in staunassen Bereichen brütet und in Deutschland vom Aussterben bedroht ist.