22.11.2021 | Wie die Ostseeinsel Ruden autark werden kann

DBU fördert Potenzialanalyse zu Strom, Wasser und Abwasser | In der Projektdatenbank - AZ 37758/01 | In der Projektdatenbank - AZ

Team der TU Berlin © Stefan Rettig/TU Berlin
Das Team des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft der TU Berlin machte sich im September ein Bild: Auf der Ostseeinsel Ruden sind noch Reste der alten Abwasserinfrastruktur vorhanden.
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Luftbild Insel Ruden © Uwe Wobser/Bundesforst
Mit umweltfreundlichen Technologien bei Frischwasser, Abwasser und Strom autark werden: Ein DBU-Projekt mit der TU Berlin und Hochschule Stralsund untersucht, wie das für die Insel Ruden gelingen kann.
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Wasservögel Insel Ruden © Jörg Tillmann/DBU Naturerbe
Unter anderem auf den Wellenbrechern der Insel Ruden brüten und rasten zahlreiche Wasservögel. Neben dem Umwelt- und Denkmalschutz muss das DBU-Projekt auch den Vogelschutz mitdenken.
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Peenemünde/Berlin/Stralsund. Die kleine Ostseeinsel Ruden an der Spitze der DBU-Naturerbefläche Peenemünde der Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), dem DBU Naturerbe, dürfte zu den am wenigsten besiedelten Regionen bundesweit gehören: Kegelrobben, Wasservögel und gerade einmal zwei Menschen sind dort anzutreffen. Ein DBU-Projekt untersucht nun, mit welchen umweltfreundlichen Technologien die Insel bei Strom, Wasser und Abwasser autark werden könnte. Denn auch andere dünn besiedelte Inseln oder ländliche Gebiete sind oft ohne entsprechende Ver- und Entsorgung. Die Potenzialanalyse der Technischen Universität (TU) Berlin wird seitens der DBU fachlich und finanziell mit rund 55.000 Euro gefördert.

Umweltfreundliche Technologien mit Vogel- und Denkmalschutz in Einklang bringen

„Was Strom, Wasser und Abwasser angeht, stellt die Situation auf der Insel besondere Anforderungen“, erklärt Diplom-Ingenieur Stefan Rettig vom Institut für Bauingenieurwesen der TU Berlin. „Wir werden in der Potenzialanalyse untersuchen, wie der Ruden mit umweltfreundlichen Technologien autark werden kann.“ Diese müssten außerdem technisch handhabbar, nicht zu wartungsintensiv sowie bezahlbar sein und sich mit dem Vogel-, Natur- und Denkmalschutz vereinbaren lassen. Denn der Ruden ist als Teil des Nationalen Naturerbes dem Naturschutz gewidmet und ein wichtiges Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für zahlreiche Wasservögel. Zudem finden sich auf der Ostseeinsel denkmalgeschützte Gebäude. Ziel des Projektes ist es, neue Technologien miteinander zu vergleichen und auf dieser Grundlage Empfehlungen zu erarbeiten. Diese lassen sich idealerweise auf andere Inseln oder den ländlichen Raum übertragen – überall dort also, wo die Wohnsituation in ähnlicher Weise kleine Ver- und Entsorgungseinheiten fordert.

Uni-Team nutzt das Simulationsprogramm aus vorherigen DBU-Projekten

Mit dem Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft widmet sich die TU Berlin der Ver- und Entsorgung von Wasser. „Dafür werden wir zuerst schauen, ob und wie wir die vorhandene Infrastruktur mitnutzen können“, so Rettig. Er hat sich deshalb gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Matthias Barjenbruch, Luisa Otto, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft, und Studierenden, die an dem Projekt forschen werden, bereits die Situation vor Ort angeschaut. Auf dem Ruden gibt es kein Trinkwasser aus dem Hahn und keine Möglichkeit, an Grundwasser zu gelangen – also an Süßwasser. Daher denkbare Optionen laut Rettig: „Ostseewasser entsalzen und Regenwasser oder Grauwasser – beim Duschen oder Händewaschen anfallendes Abwasser – mit umweltfreundlichen Technologien aufbereiten.“ Um herauszufinden, welche Methoden sich am besten für die Ostseeinsel eignen, nutzt das TU-Team den Simulator SAmpSONS2, der in vorherigen DBU-Projekten entwickelt wurde. Anhand von Daten wie der Abwassermenge und dem Nährstoffgehalt des Wassers können die Forschenden ausrechnen, ob die jeweilige Technologie den Anforderungen der Insel entspricht.

Vom Dieselgenerator zu erneuerbaren Energien

„Die Hochschule Stralsund analysiert als Kooperationspartner die Möglichkeiten zur Energieversorgung der Insel“, sagt Franz-Peter Heidenreich, DBU-Referatsleiter für Kreislaufführung und Bautechnik. „Derzeit gibt es einen Dieselgenerator, um Strom zu produzieren.“ Die Forschenden gehen die Potenzialanalyse nach Heidenreichs Worten „ergebnis- und technologieoffen an“. Doch die Richtung steht fest: Es wird eine Kombination aus Wind- und Solarenergie untersucht. Bei allen Untersuchungen werden überdies Erkenntnisse aus vorherigen DBU-Projekten wie etwa zur umweltgerechten Ver- und Entsorgung von alpinen Berghütten berücksichtigt. „Denn bei DBU-Projekten ist es wichtig, dass die Ergebnisse und Lösungen übertragbar sind und möglichst vielen zur Verfügung stehen, also nachgeahmt und umgesetzt werden können“, so Heidenreich.

Ostseeinsel Ruden dem Naturschutz gewidmet

Die etwa 24 Hektar große Insel Ruden diente seit 1648 als Lotseninsel und zu DDR-Zeiten als Zollstation. Teilweise unter Denkmalschutz gestellte Bauwerke wie der „Lootsenwart Turm“, Backsteinhäuser und eine Kaserne sind noch vorhanden. Heute gehört die Insel zur DBU-Naturerbefläche Peenemünde und somit zum Nationalen Naturerbe. Die Flächeneigentümerin DBU Naturerbe verantwortet gemeinsam mit der Naturschutzgesellschaft Vorpommern den Naturschutz vor Ort. Die Insel hat eine große Bedeutung als Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für tausende Wasservögel wie dem Gänsesäger. Derzeit wohnen zwei Menschen auf dem Ruden, die den Naturschutz im Blick behalten und Naturinteressierte bei organisierten Tagestouren über die Insel führen. Dabei sind sie derzeit auf das Festland angewiesen, um sich etwa mit Wasser oder Diesel für den Stromgenerator zu versorgen.