31.05.2022 | Rehe zählen mit Drohnen

DBU fördert neues Verfahren mit Wärmebildkameras | In der Projektdatenbank - AZ 34923

Rehkitz © Gerd Herrmann/piclease
Für die Kitzrettung werden mitunter Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt. Unter Zuhilfenahme der gleichen Technologie wurde eine innovative Methode für die Bestandszählung von Rehen entwickelt, die die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert hat.
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Rehwild Offenland © FAWF/Landesforsten RLP
Eine Wärmebildkamera macht Rehe in kühlen Winternächten als helle Flecken sichtbar. Das funktioniert auf freiem Feld und im Wald. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz hat erforscht, wie weit eine Drohne entfernt sein muss, um die Tiere nicht zu stören.
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Drohne © FAWF/Landesforsten RLP
Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz in Trippstadt hat ein für Rehe störungsarmes Verfahren mit Drohnen und Wärmebildkameras entwickelt. Nach Expertenmeinung könnte die Methode die Diskussionen um den Einfluss der Rehe auf die Waldentwicklung zwischen Jägern, Wildökologen und Förstern versachlichen.
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Osnabrück/Trippstadt. Drohnen mit Wärmebildkameras erhalten für Rehpopulationen künftig eine völlig neue Bedeutung. Bislang waren sie für die Tiere vor allem als Lebensretter im Einsatz. Denn der Frühling bedeutet für Rehe oft Lebensgefahr. Im Mai und Juni erwarten sie Nachwuchs. Und zum Schutz werden die Kitze von ihren Müttern häufig im hohen Gras der Wiesen versteckt. Mit Kameras ausgestattete Drohnen können dann verhindern, dass beim ersten Mähen Tiere zu Tode kommen. Künftig könnte solche Technik auch für die Bestandszählung im Winter eingesetzt werden. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz in Trippstadt hat ein für die Tiere störungsarmes Verfahren mit Drohnen und Wärmebildkameras entwickelt. Die für das Wildtiermanagement innovative Methode hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell mit 125.000 Euro unterstützt.

Schwieriges Erfassen durch versteckte Lebensweise

Frühjahr bedeutet Schonzeit für viele Wildtiere. Hin und wieder kann man Rehe auf waldnahen Wiesen beim Fressen beobachten. Zählen lassen sie sich wie andere versteckt lebende Wildtiere aber kaum – vor allem im Wald, wo sie sich vorwiegend aufhalten. Schätzungen zur Populationsgröße basieren dabei meistens nur auf Wildunfallstatistiken oder Jagdstrecken, also der Zahl der in der Jagdzeit erlegten Tiere. „Erfahrungswerte von Forst- und Jagdexperten liefern ebenfalls Hinweise auf die Populationsgröße“, sagt Wildtierökologe Dr. Jörg Tillmann, Mitglied des Projektbeirats und stellvertretender Leiter des DBU Naturerbe, einer gemeinnützigen Stiftungstochter. Zuviel Wild kann durchaus einen Wirtschaftsforst nach seinen Worten „ziemlich stressen“. Denn „Rehe sind Feinschmecker“, so der Agrarwissenschaftler: „Sie fressen gerne die zarten Knospen junger Bäume.“

Verbiss wirkt sich auf Waldentwicklung aus

Zum Schutz vor Verbiss werden neu bepflanzte Waldflächen oft umzäunt. Försterinnen und Förster schätzen dann aufgrund des Unterschieds zwischen den eingezäunten – und dadurch geschützten – sowie den angeknabberten Bäumchen außerhalb der Umzäunung den Verbissdruck und leiten davon die ungefähre Anzahl der Rehe ab. Das DBU Naturerbe mit Sitz in Osnabrück ist verantwortlich für bundesweit 71 Flächen des Nationalen Naturerbes mit insgesamt 70.000 Hektar. In den weiträumigen Waldbeständen mit etwa 55.000 Hektar sollen sich große Gebiete nach einem ökologischen Waldumbau natürlich entwickeln können. Tillmann: „Natürliche Mischwälder sollen sich selbst überlassen bleiben. Im Naturerbe schließt das Pflanzungen und Umzäunungen aus.“ Eine hohe Rehpopulation kann sich auch hier auf die Verbissrate der natürlich nachwachsenden Pflanzen auswirken. Aber: „Auf den Naturerbeflächen steht die naturschutzfachliche Sicht im Vordergrund“, so Tillmann. „Wir wägen ab, ob die Wildpopulation eine ausreichende Verjüngung des Waldes zulässt.“ Forstwirtschaftliche Ziele spielen dabei nach seinen Worten keine Rolle. Das neue Verfahren hält er in diesem Zusammenhang für nützlich.

Nutzen im Umgang mit klimagestressten Waldbeständen

Mit drohnengestützter Technik wurde „eine Methodik entwickelt, mit der sich Rehe nachts im Wald zur Hauptaktivitätszeit in größeren auch unwegsamen Gebieten erfassen lassen, ohne sie großartig zu stören“, sagt Projektleiterin Dr. Carolin Tröger von der rheinland-pfälzischen Forschungsanstalt. Um letzteres zu untersuchen, ließ die Biologin die mit Wärmebildkameras ausgestatteten Drohnen unterschiedlich hoch über den Rehen fliegen und beobachtete das Verhalten. Ergebnis: Ab einer minimalen Flughöhe von 80 Metern flüchtete keines der untersuchten Rehe und nur ein Prozent der Tiere reagierte nervös. „Zudem lässt sich das nächtliche Raumnutzungsverhalten über die Wärmebildkameras beobachten“, so Tröger, vor allem im winterlichen Laubmischwald, „wenn keine Blätter die Sicht behindern“. Für reine Nadelwälder und deren Verjüngungen bestehe für die Anwendung dieser Methodik noch weiterer Forschungsbedarf. Die Wissenschaftlerin erhofft sich mit Blick auf ein zukunftsweisendes Wildtiermanagement ein „hohes Potenzial und einen Nutzen gerade im Umgang mit klimagestressten Waldbeständen“. Denn dort dürfte der Aufwuchs junger Bäume durch einen dichten Rehbestand zusätzlich gefährdet sein.

Potenziale für eine Versachlichung der Diskussionen

Tillmann sieht einen weiteren Vorteil: „Der Drohneneinsatz kann die Diskussionen zwischen Jägern, Wildökologen und Förstern versachlichen, die nicht selten unterschiedliche Ansichten haben, was den Einfluss der Größe von Rehpopulationen auf die Waldentwicklung angeht.“ Außerdem sind nach seinen Worten genauere Kenntnisse über die Population für wildökologische Untersuchungen wichtig. Dabei gehe es zum Beispiel um die Frage, wie sich das Wild in Gebieten mit Luchs- oder Wolfspräsenz in der Fläche bewege oder wie sich das Verhalten durch den gerade während der Corona-Pandemie gestiegenen Freizeitdruck ändere und damit die Lebensraumqualität beeinflusse.