01.03.2023 | Kulturerbe auf der Kippe

Parlamentarischer Abend der DBU: Folgen der Klimakrise für das Kulturerbe | In der Projektdatenbank - AZ 37502

Altarbild im Freisinger Dom © Theresa Hilger
Das Altarbild im Freisinger Dom (Bild) schrumpft und weist Risse auf – Folgen der Klimakrise, die das Kulturerbe weltweit bedroht. Ein Parlamentarischer Abend der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) lädt Politik, Wissenschaft und Kulturerbe-Verantwortliche zum Austausch über Lösungen für besseren Kulturgüterschutz und zur Frage ein, wie Kulturerbe stärker in der Klimapolitik zur berücksichtigen ist.
Download
Museum Louvre in Paris  © psychoshadow – AdobeStock.com
Publikumsmagnet – aber hoher Energieverbrauch: Das Museum Louvre in Paris (Bild) steht wie andere Kultureinrichtungen vor der Herausforderung, mit mehr Nachhaltigkeit zum Klimaschutz beizutragen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt ein entsprechendes Projekt „Grünes Museum“ – und lädt auf einem Parlamentarischen Abend in Berlin zum Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Kulturerbe-Verantwortlichen ein. Ein Ziel: das Kulturerbe mehr als bisher in der Klimapolitik berücksichtigen.

Osnabrück/Berlin. Das mehr als 525 Jahre alte spätgotische Altarbild im Freisinger Dom ist einzigartiges Zeugnis seiner Zeit. Doch es schrumpft, weist Risse auf, und die Farbe blättert. Das national bedeutsame Kulturgut leidet unter den Folgen der menschengemachten Klimakrise – und ist symptomatisch für die Lage des Kulturerbes weltweit. Die Mission zur Rettung des Freisinger Altarbilds läuft, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 361.000 Euro. Damit aus solchen einzelnen Projekten eine Gesamt-Strategie zum Schutz von Kulturgut vor dem Klimawandel wird, holt die DBU die Politik mit ins Boot: In Kooperation mit dem baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst findet morgen (Donnerstag) der Parlamentarische Abend „Klimakrise und Kulturerbe“ statt. Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien, ist mit einem Impulsvortrag dabei.

Kulturstaatsministerin Roth: Ökologische Transformation unserer Gesellschaft gelingt nur disziplinübergreifend

Neben der Frage, wie das Kulturerbe besser in nationale und internationale Klimapolitik zu integrieren und vor den Folgen globaler Erhitzung zu schützen ist, wird analysiert, welchen Beitrag das Kulturerbe zu ambitionierten Klimaschutz-Zielen leisten kann. So will etwa die Europäische Union (EU) mit dem 2019 verkündeten Grünen Deal Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Und die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen 2015 in Paris beschloss unter anderem die Beschränkung der menschengemachten globalen Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die ökologische Transformation unserer Gesellschaft kann nur gelingen, indem wir disziplinübergreifend daran arbeiten. Kultur und Medien können hierbei mit ihrer Kreativität und ihrem Ideenreichtum wertvolle Impulsgeber sein.“ Dies gelte auch und insbesondere für den Erhalt des baulichen Kulturerbes, „das im Zuge des Klimawandels schon jetzt vor immensen Herausforderungen steht“. Auch hier seien ökologisch-nachhaltige Strategien und Lösungsansätze gefragt. Roth weiter: „Umso wichtiger ist es, den Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Kulturerbe-Verantwortlichen zu verstärken. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der Parlamentarische Abend auf Initiative der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.“

„Klimaschutz heißt auch die Bewahrung von Kunst und Kulturgut“

Petra Olschowski, Baden-Württembergs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, beschreibt die Aufgabe so: „Treibhausgase reduzieren und zugleich Kunst und Kultur stärken.“ Deshalb habe Baden-Württemberg die Green Culture fest etabliert. „Mit diesem Leitfaden unterstützen wir die Kunst- und Kultureinrichtungen auf dem Weg zur Klimaneutralität mit konkreten Handlungsmöglichkeiten“, so die Ministerin. Was dem Freisinger Tafelbild infolge der Klimakrise widerfährt, ist für alle Formen des Kulturerbes zunehmend eine Bedrohung – von archäologischen Stätten über Baudenkmäler bis hin zu Landschaften, Schlössern, Gärten sowie Skulpturen oder Gemälden. „Die Klimawandelfolgen für das Kulturerbe sind bislang viel zu stiefmütterlich behandelt worden. Denn Kulturerbe kann für jede Gesellschaft Identität und Anker sein“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Für viele sei es „eine Quelle der Inspiration“. Doch diese Quelle ist in Gefahr. Dürre, Hitze, Stürme, Starkregen: Der Weltklimarat IPCC hat in seinen Berichten dargelegt, dass solches Extremwetter als Folge der Klimakrise zunimmt. Deren Auswirkungen setzen auch dem Kulturerbe zu. „Um die Konsequenzen der Klimakrise für das Kulturerbe zu verringern oder zu verhindern, fördert die Stiftung neuartige Maßnahmen und Methoden. Die Digitalisierung hat daran großen Anteil“, so Bonde. Kameras, Klimafühler und Lasertechnik sorgen etwa beim Freisinger Holzaltarbild für notwendige Befeuchtung. In einem anderen DBU-Projekt werden die durch Umwelteinflüsse schwarz gewordenen Steine des Halberstädter Doms per Laser gereinigt. Und für das Kloster St. Marienthal wurden mit DBU-Förderung Fußbodenaufbauten errichtet, um das Stift besser vor Hochwasser und Starkregen zu sichern.

DBU-Projekt „Grünes Museum“

Neben den Extremwetterlagen bringen hohe Energiepreise die Kulturerbe-Einrichtungen, Museen und Denkmal-Institutionen in die Bredouille. Constanze Fuhrmann, Leiterin des DBU-Referats Umwelt und Kulturgüterschutz, weist auf ein aktuelles Projekt der DBU unter dem Titel „Grünes Museum und klimagerechte Kultur“ hin, das Klimaschutzstrategien und Energieeinsparungen im Museumsbereich entwickeln soll. Unter die Lupe genommen werden Kriterien wie Ressourcenverbrauch, Heizung, Kühlung, Lüftung und Gebäudemanagement. Laut Fuhrmann ist Kulturerbe „nicht nur stark vom Klimawandel bedroht, sondern kann zur Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit in der Klimakrise beitragen“. Auch historische Bauwerke und damit verbundene traditionelle Techniken können Fachleuten zufolge als Vorbild für umweltfreundliches und energieeffizientes Bauen dienen. Fuhrmann: „Um dieses Potenzial zu nutzen, muss das Kulturerbe stärker in der Klimaschutzdiskussion berücksichtigt werden.“ Tatsächlich hat die jüngste Weltklimakonferenz Ende 2022 in Ägypten erstmals das Kulturerbe in Beschlüssen berücksichtigt.

Fachleute legen Zehn-Punkte-Plan mit Empfehlungen für die „Resilienz des Kulturerbes“ vor

Der Abschlussbericht zur „Stärkung der Resilienz des Kulturerbes gegen den Klimawandel“ der sogenannten OMK-Gruppe auf EU-Ebene vom September 2022 mahnt ebenfalls an, das Kulturerbe mehr in der Klimapolitik zu berücksichtigen. OMK steht für „offene Methode der Koordinierung“. Der Vorsitz der OMK-Gruppe lag bei Dr. Johanna Leissner. Die wissenschaftliche Repräsentantin der Fraunhofer-Gesellschaft und der Forschungsallianz Kulturerbe ist beim Parlamentarischen Abend dabei. Der OMK-Abschlussbericht nennt unter anderem Forschungslücken und Konflikte zwischen Klima- und Kulturerbeschutz, die es zu lösen gelte. Gewarnt wird dabei vor „Fehlanpassungen“ – also Klimaschutzmaßnahmen, die unbeabsichtigt schädliche Folgen für das Kulturerbe haben. Die OMK-Fachleute legen zudem einen Zehn-Punkte-Plan mit Empfehlungen vor. Demnach soll die EU bis 2025 eine europäische Karte der durch die Klimakrise für das Kulturerbe ausgelösten Risiken erarbeiten. Die Bedeutung der Forschung wird ebenso erwähnt wie „unverzüglich Investitionen“ zum Kulturerbeschutz. Dazu Fuhrmann, die als Expertin zum OMK-Abschlussbericht beigetragen hat: „Beispiele aus der EU zeigen, dass Forschung die Umsetzung von Klimamaßnahmen im Kulturerbe-Bereich beschleunigen kann. Allerdings gibt es in vielen EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, hierfür noch kein nationales Forschungsprogramm.“

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege
131.02 kB