DBU aktuell Nr. 9 | September 2014

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Moor © Schier, Thorsten/piclease
Aus ökologischer Sicht sind insbesondere Flächensicherungsmaßnahmen für Nieder- und Hochmoore vordringlich.
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1.) Trend umkehren: Anstatt weniger, mehr Lebensraum- und Artenvielfalt schaffen

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des Bundesamtes für Naturschutz ist der Trend abnehmender Biodiversität in Deutschland nach wie vor ungebrochen. Und das, obwohl die Anzahl als auch die Fläche der Schutzgebiete aller Kategorien (Nationalparke, Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, Nationales Naturerbe) zugenommen hat. Zudem werden erhebliche Fördermittel bereitgestellt, um bedrohte Arten und Lebensräume zu erhalten.

Es stellt sich konkret die Frage, wie dieser Rückgang an Lebensräumen und den darin vorkommenden Arten zu stoppen ist.

Zunächst erscheint es wichtig, die Naturschutzanstrengungen auf die Lebensräume zu konzentrieren, in denen die Rückgänge an Lebensraum- und Artenvielfalt am größten sind. Dies sind vor allem Lebensräume mit einer sehr extensiven landwirtschaftlichen Nutzung oder Pflege. Lebensräume und Arten gehen sowohl durch eine Intensivierung der Nutzung, als auch durch eine Aufgabe und damit Wiederbewaldung verloren. Das trifft insbesondere für Grünland, aber auch für Ackerflächen auf Grenzstandorten zu.

Abgesehen von einem Umbruchverbot für Grünland haben ordnungsrechtliche Maßnahmen nur eine begrenzte Wirkung. Sie allein können den Rückgang der Artenvielfalt nicht stoppen.

Erfolge sind erst dann zu erwarten, wenn die Naturschutzziele integraler Bestandteil der Flächenbewirtschaftung werden. Das heißt, die Flächenbewirtschafter, also Landwirte, sind sehr viel stärker als bisher sowohl in die Planung als auch in die Umsetzung einzubeziehen. Kurz: In Agrarlandschaften sind Naturschutzmaßnahmen mit den Flächennutzern zu entwickeln und umzusetzen.

Ausgleich schaffen

Einen Ansatzpunkt dafür könnte das viel gescholtene „Greening“ der neuen EU-Agrarpolitik bieten. Es schreibt auf 5 % der Fläche aktive Maßnahmen zugunsten des Naturschutzes vor. Die Wirksamkeit hängt entscheidend von der konkreten Ausgestaltung vor Ort ab. Jetzt ist die Zeit reif, von Seiten des Naturschutzes gemeinsam mit Landwirten optimale Greening-Varianten zu entwickeln. Sollten diese aus ökonomischer Sicht nachteilig für den Flächenbewirtschafter sein, könnte man durch Agrar-Umwelt-Maßnahmen entsprechenden Ausgleich schaffen. Wiederum kurzgefasst: Naturschutzmaßnahmen mit den betroffenen Landwirten und nicht ohne sie planen und durchführen. Eine solche Vorgehensweise böte die Chance, regionale bzw. lokale Naturschutzziele ganz konkret zu benennen und dann die dazu erforderlichen Maßnahmen zu definieren und auch konkret umzusetzen.

Derzeit wird sehr über die Bedeutung und den Wert des Grünlandes diskutiert. Einen weiteren Rückgang dieser Nutzungsform in Deutschland darf es nicht geben. Dies ließe sich mit einem Umwandlungsverbot erreichen. Die Sicherung wichtiger Tier- und Pflanzenarten des Grünlandes ist damit aber noch keineswegs erreicht. Für den Naturschutz besonders wertvolles Grünland bedarf einer so extensiven Nutzung, dass es unter den heutigen Bedingungen (z.B. Ansprüche an Futterqualität für Milchkühe) für Landwirte kaum oder nicht mehr nutzbar ist. Dennoch bieten z.B. eine verbesserte Beratung, eine verstärkte Weidewirtschaft, aber auch technologische Innovationen zur Verwertung des Aufwuchses Ansatzpunkte, konsequent nach Naturschutzerfordernissen bewirtschaftetes Grünland in das gesamtbetriebliche Management landwirtschaftlicher Betriebe einzubeziehen. Die dafür erforderliche Finanzierung zu sichern, scheint das kleinere Problem zu sein. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer fairen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz.

Weitere Schritte müssen folgen

Für Lebensräume, die nicht auf landwirtschaftliche Nutzungsformen angewiesen sind, ist neben der ordnungsrechtlichen Sicherung durch Ausweisung von Schutzgebieten die Eigentumssicherung der wichtigste Garant für den Erhalt der Biodiversität. Mit der Bereitstellung von demnächst 155.000 ha Flächen des Nationalen Naturerbes hat die Bundesregierung einen bedeutenden Schritt getan. Jetzt sind die Bundesländer am Zug. Die Flächenbereitstellung für neue Nationalparke in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind erste Schritte, denen weitere folgen müssen.

Aus Biodiversitätssicht sind insbesondere Flächensicherungsmaßnahmen für Nieder- und Hochmoore dringlich. Sie sollten aktuell Vorrang haben vor der Sicherung von Waldlebensräumen, da hier kein nennenswerter Rückgang der Biodiversität konstatiert wird.

Die Eigentumssicherung alleine reicht aber noch nicht, Schutzgebiete bedürfen einer aktiven Betreuung. Sie ist in Nationalparken und Biosphärenreservaten etabliert, nicht aber für die meisten Naturschutzgebiete und Natura-2000-Flächen. Hier kommt es darauf an, negative Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von gezielten Erfolgskontrollen, die nicht nur die Umsetzung von Maßnahmen, sondern auch die damit verbundenen naturschutzfachlichen Ziele verfolgen.

Fazit: Für eine Trendumkehr bei der Biodiversität kommt es vor allem darauf an, sowohl wichtige Flächen für den Naturschutz eigentumsrechtlich zu sichern und sie aktiv zu managen, als auch auf genutzten Flächen gemeinsam mit den Bewirtschaftern anspruchsvolle Naturschutzziele zu vereinbaren und umzusetzen. Unterschiedliche Schutzgüter bedürfen ganz unterschiedlicher Schutzstrategien. Wird das beherzigt, lässt sich auch der Trend zu Biodiversitätsverlusten in Deutschland umkehren.

Prof. Dr. Werner Wahmhoff

DBU-Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz