DBU aktuell Nr. 06 | 2018

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Deutscher Umweltpreuis 2018 der DBU, Preisträger © Kerstin Rolfes/Alfred-Wegener-Institut; Sebastian Wiedling/UFZ
Die Bremer Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (l.) und ein interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam aus Leipzig (o.v.l.: Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld, Dr. Manfred van Afferden, Dr. Mi-Yong Lee, Prof. Dr. Roland A. Müller) teilen sich in diesem Jahr je zur Hälfte den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
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Prof. Boetius: Expedition mit dem Forschungsschiff Merian ins Schwarze Meer im Frühjahr 2010 © JAGO Team/Geomar
Expedition mit dem Forschungsschiff Merian ins Schwarze Meer im Frühjahr 2010 unter Leitung von Prof. Dr. Antje Boetius.
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Leipziger Abwasser-Experten, Träger Deutscher Umweltpreis der DBU 2018 © Andre Kuenzelmann/UFZ
Starkes Quartett für starken Umweltschutz: das Leipziger Abwasserexperten-Team mit (v.l.) Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld, Prof. Dr. Roland A. Müller, Dr. Mi-Yong Lee und Dr. Manfred van Afferden.
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Forschungs- und Demonstrationsanlage in Fuheis, Jordanien © André Künzelmann/UFZ
In dieser Forschungs- und Demonstrationsanlage in Fuheis, Jordanien, werden unterschiedliche dezentrale Technologien zur Abwasserreinigung im Realbetrieb getestet und weiterentwickelt. Konzipiert und entwickelt wurde die Anlage vom UFZ in Zusammenarbeit mit dem Bildungs- und Demonstrationszentrum für dezentrale Abwasserbehandlung (BDZ) in Leipzig.
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1.) Deutscher Umweltpreis 2018 für Meeresbiologin und interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam

Die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (51, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven) und ein interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam aus Leipzig werden 2018 je zur Hälfte mit dem mit 500.000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet. Boetius wird für ihre wissenschaftlichen Leistungen in der Tiefsee- und Polarforschung geehrt. Das Team aus Leipzig mit Prof. Roland A. Müller (55), Dr. Manfred van Afferden (57), Dr. Mi-Yong Lee (47, alle Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ) und Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld (70), Initiator des Bildungs- und Demonstrationszentrums für dezentrale Abwasserbehandlung (BDZ), erhält die Auszeichnung für seine Pionierarbeit zum Schutz der Wasserressourcen in Jordanien.

Die DBU betont damit die Bedeutung der Meere für Klima, Lebensvielfalt und Nahrungsversorgung und warnt vor Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überfischung. Gleichzeitig soll auch der weiteren Forderung der Vereinten Nationen Nachdruck verliehen werden, bis 2030 für die Weltbevölkerung sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen und eine angemessene Sanitärversorgung für alle und damit deutlich bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten. Den Preis wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 28. Oktober in Erfurt überreichen.

Wissenschaftlerin mit herausragenden Talenten

„Lebendige Ozeane sind ein Muss. Ohne sie können wir nicht existieren“, betonte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde bei der Bekanntgabe der Preisträgerinnen und Preisträger. „Ozeane sind wichtiger Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, bedeutsamster Wärmespeicher auf unserem Planeten und regulieren sein Klima.“ Antje Boetius, die Tiefsee- und Polarforscherin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, beschrieb Bonde als „herausragende Wissenschaftlerin mit einem außerordentlichen Talent für das fachübergreifende Verständnis systemischer Prozesse in den weltweiten Ozeanen und für das Vermitteln der Zusammenhänge“.

Bonde: „Frau Boetius‘ meistzitierte wissenschaftliche Veröffentlichungen befassen sich mit der marinen Mikrobiologie, speziell mit der sogenannten anaeroben Methanoxidation. Durch ihre Forschung hat sie die Bedeutung von Tiefsee-Bakterien für das Weltklima belegt: Mikroben sind unter Ausschluss von Sauerstoff für den Abbau von Methan verantwortlich, das im Ozeangrund in großen Mengen vorkommt. Methan wirkt als Treibhausgas 25-mal stärker als Kohlendioxid. Die Bakterien sorgen dafür, dass nur ein Teil aus den Ozeanen in die Atmosphäre entweicht und verhindern somit ein schnelleres Aufheizen des Planeten.“

Boetius selbst ist sich sicher, dass „der Klimawandel auch die Algen und die Mikroorganismen an der Meeresoberfläche verändert. Die sinken durch die Schwerkraft herab und sind die Nahrung der Tiefseetiere. Daher haben die Änderungen, die sich oben abspielen, direkt auch eine Wirkung bis in die tiefsten Tiefseegräben.“ Aufgrund des menschengemachten Anteils der Klimaerwärmung gebe es demnach keine unberührte Natur mehr auf dem Planeten. Das zeigten auch der fast allgegenwärtige Plastikmüll und andere Spuren des Menschen. Auch der hohe Fischereidruck auf die Meere ist nach Boetius‘ Einschätzung schon lange ein Problem.

Doch die Tiefsee bietet nicht nur Raum für noch weitgehend unerforschte Ökosysteme, sondern auch Bodenschätze wie Nickel, Kobalt und andere seltene Metalle. Diese Rohstoffe werden für Hightech-Produkte wie Mobiltelefone gebraucht und wecken das Interesse an der Nutzung der Tiefsee. „Persönlich würde ich sagen, wir brauchen den Tiefseebergbau noch lange nicht, weil wir die Möglichkeiten zum Metallrecycling, zur Wiederverwertung, zum Schließen des Wertkreislaufs der Metalle überhaupt noch nicht ausgeschöpft haben“, so die Meeresbiologin, Ökosystemforscherin und Wissenschaftskommunikatorin Boetius. Ihr Ziel sei es, „deutlich zu machen, dass die noch kaum erforschte Welt der Tiefsee als Teil des Planeten und unserer Zukunft verstanden wird, für den ebenfalls die UN-Nachhaltigkeitsziele gelten. Wichtige Erkenntnisse aus der Erforschung der Tiefseearten und ihrer Vielfalt und besonderen Anpassung könnten bei einem nicht nachhaltigen Abbau künftigen Generationen für immer verloren gehen.“

Preisträgerteam leistete „großartige Pionierarbeit“

„In wasserarmen Regionen verunreinigt meist Abwasser die ohnehin knappen Trinkwasserressourcen und macht die Menschen krank. In Jordanien ist der Schutz des Wassers eine Überlebensfrage. Mit ihrer Überzeugung, dass wirksamer Wasserschutz durch dezentrale Abwasserreinigung gelingt, hat das interdisziplinäre Expertenteam neuartige Systemlösungen in schwierigem politischen Umfeld entwickelt, konsensfähig gemacht und in die Praxis umgesetzt: Umweltschutz mit Hirn, Herz und Hand!“ – Mit diesen Worten würdigte DBU-Generalsekretär Bonde das Leipziger Abwasser-Expertenteam um die Forschergruppe des Departments „Umwelt und Biotechnologisches Zentrum“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und den BDZ-Initiator Hirschfeld.

Gegenwärtig werden nur 20 Prozent des Abwassers weltweit sachgemäß gereinigt. In Jordanien, einem der drei Länder, die weltweit am stärksten von Wasserknappheit betroffen sind und dessen Bevölkerung nicht zuletzt durch Flüchtlinge aus Syrien von 5,6 Millionen (2006) um fast 70 Prozent auf 9,5 Millionen (2016) gewachsen ist, fließen jährlich allein schon im ländlichen Bereich 45 Millionen Kubikmeter Abwasser direkt ins Grundwasser und verunreinigen es. Kanalnetze, wie in Deutschland üblich, existierten in Jordanien nur in den größeren Städten.

Hier setzte das Leipziger Team mit innovativen Ideen an: „Um eine zukunftsfähige Abwasserbehandlung zu entwickeln und voranzubringen, hat das Preisträgerteam großartige Pionierarbeit geleistet. Erst in Deutschland und später im Nahen Osten“, lobte Bonde. Durch dezentrale Abwassersysteme, die flexibel angepasst werden können und bestehende zentrale Systeme ergänzen, wird das Abwasser direkt am Entstehungsort behandelt und kann unmittelbar zum Bewässern landwirtschaftlicher Flächen genutzt werden. Der Frischwasserverbrauch und der Eintrag von Schadstoffen und Krankheitskeimen ins Grundwasser werden so deutlich gemindert. „Das Verknüpfen von alten und neuen Strukturen und das Schaffen eines funktionierenden, handhabbaren, wartungsarmen, kosten- und energiesparenden Abwassersektors ist bahnbrechend für eine Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort und ihrer Kinder und Kindeskinder“, so Bonde.

Durch das politische Verankern und das langfristige Neuausrichten des jordanischen Abwassersektors ist es jetzt realistisch, das vom jordanischen Wasserministerium gesetzte Ziel zu erreichen, das jährliche Volumen gereinigten Abwassers von heute 140 Millionen Kubikmeter bis zum Jahr 2025 auf 235 Millionen Kubikmeter zu steigern und eine Anschlussrate von rund 80 Prozent zu verwirklichen.

Bonde: „Dass das funktioniert, ist von zentraler Bedeutung, wenn man weiß, dass weltweit mindestens zwei Milliarden Menschen Trinkwasser nutzen, das mit Fäkalien verunreinigt ist. Neben Armut, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und mangelnder politischer Teilhabe spielen schwierige Lebensbedingungen einschließlich des Wassermangels eine entscheidende Rolle als zentrale Fluchtursache.“

Presstexte, Fotos und O-Töne zum Umweltpreis 2018 finden sich unter: https://www.dbu.de/123artikel37810_2362.html