DBU aktuell Nr. 5 | 2017

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Sehen Sie selbst... © Deutsche Bundesstiftung Umwelt
v. l. n. r.: Dr. Barbara Hendricks, Prof. Dr. Johan Rockström, Rita Schwarzelühr-Sutter, Dr. Heinrich Bottermann
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Sehen Sie selbst... © Azote Images for Stockholm Resilience Centre
Zusammenhang von Sustainable Development Goals und Planetary Boundaries

1.) »Erkennen von Grenzen kann zu großen Möglichkeiten führen«

»Wissenschaftlich können wir heute sagen: Was die Menschheit in den letzten 50 Jahre getan hat, hat die Bedingungen auf der Erde verändert, die über die letzten 10 000 Jahre Bestand hatten. Ebenso aber gilt: Was wir die nächsten 50 Jahre tun werden, wird die nächsten 10 000 Jahre bestimmen.« Dies sagte der Leiter des Stockholm Resilience Centre und Umweltpreisträger Prof. Dr. Johan Rockström anlässlich der Konferenz »Making the Planetary Boundaries Concept work«.

Auf der zweitägigen international besetzten Konferenz des Bundesumweltministeriums, des Umweltbundesamtes (UBA) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) diskutierten Ende April 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Berlin, wie dieses Konzept in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zur Anwendung gebracht werden kann. Die Bundesregierung hat sich bei der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 am Konzept der Planetary Boundaries orientiert. Das Konzept soll – neben der Ausrichtung an einem Leben in Würde – die Leitplanke für politische Entscheidungen bilden.

Leben über unsere Verhältnisse
Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks beschrieb das Konzept von Johan Rockström in ihrer Rede als »eingängig und sofort verständlich«. Dies sei bei einem so komplizierten Thema eine großartige Leistung. Sie fuhr fort: »Die Einhaltung der planetaren Grenzen ist für die Umweltpolitik die zentrale Herausforderung. Wir leben nicht nur über unsere Verhältnisse, sondern auch über die anderer Menschen, die nicht annähernd unseren Wohlstand genießen.« Auch Deutschland müsse seinen ökologischen Fußabdruck auf ein verträgliches Maß reduzieren. »Wir sollten neben der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts eine Wirtschaftsweise anstreben, die alle Belastungsgrenzen der Umwelt akzeptiert«, sagte Hendricks.

Der Leiter des Stockholm Resilience Center, Prof. Dr. Johan Rockström, bezeichnete das Holozän als einziges uns bekanntes Erdzeitalter, das eine sichere Entwicklung für die Menschheit ermöglicht habe. Es stelle damit eine Art von »Garten Eden« für menschlichen Wohlstand in der Zukunft dar. Mit dem Anthropozän seien wir jedoch gegenwärtig dabei, diese stabile Phase zu verlassen. Als besonders wichtig in diesem Zusammenhang gelten sogenannte globale Kipp-Punkte des Erdsystems. Rockström wörtlich: »Es gibt sie nicht nur im Klimabereich oder im Blick auf die Versauerung der Ozeane, sondern auch bei den Regenwäldern oder den gemäßigten Waldzonen. Wenn dort bestimmte Schwellen überschritten werden, können in all diesen Bereichen abrupte, irreversible Vorgänge auftreten, die uns aus dem Gleichgewicht des Holozäns bringen und damit zu potenziell desaströsen Folgen für die Menschheit führen. Das wird nicht über Nacht passieren, aber möglicherweise über einen Zeitraum von Jahrhunderten.«

Nach Aussage des schwedischen Wissenschaftlers sind wir d i e  Generation auf der Erde, die das Wissen, die Verantwortung und die Möglichkeit hat, die große Transformation der Menschheit hin zu einem sicheren Handlungsraum zu schaffen. Als positive Beispiele in diesem Kontext führte Rockström an, dass es inzwischen mehrere Initiativen gebe, die »Planetary Boundaries« auf nationale Ebene herunterzuskalieren, zum Beispiel in Deutschland, der Schweiz, in den Niederlanden und Schweden. Außerdem würden größere Konzerne wie ABB, SKF, unilever oder Volvo inzwischen versuchen, das Konzept der planetaren Grenzen in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren.

Abschließend ging Rockström auf die Verbindung der beiden Konzepte »Planetary Boundaries« und Sustainable Development Goals« (SDGs) ein. Er sagte, da sich die Nachhaltigkeits-Triade »Ökonomie, Ökologie und Soziales« einseitig in Richtung auf eine dominante Ökonomie entwickelt habe, bevorzuge er inzwischen einen anderen Ansatz. Dazu wurden die 17 SDGs in Form eines »wedding cake« umgesetzt (siehe Grafik). Basis dieser Darstellung seien vier nichtverhandelbare planetare Grenzen, nämlich: Trinkwasser, Klima, Biodiversität und Meere.

DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann wies eingangs seiner Ausführungen darauf hin, dass beide Konzepte – »Planetary Boundaries« und »Sustainbale Development Goals« – seiner Erfahrung nach in der breiten Öffentlichkeit so gut wie nicht bekannt seien. Daraus leite sich laut Bottermann die wichtige Aufgabe ab, das wissenschaftliche Konzept der Planetaren Leitplanken zu erklären und verständlich in die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln. Diese Aufgabe sei auch aufgrund der komplexen Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen nicht leicht. »Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Komplexität zu sehr zu vereinfachen, müssen sie aber andererseits verständlich machen«, sagte Bottermann.

Brauchen neues Zeitalter der Aufklärung
Er fuhr fort: »Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist ein neues Zeitalter der Aufklärung. Wir brauchen eine Renaissance der Vernunft! Denn Vernunft und rationales Denken scheinen weltweit auf dem Rückzug zu sein. Ich sehe es als unser aller Aufgabe an, diesem Trend mit Fakten und vor allem mit Lösungsperspektiven positiv zu begegnen. Das Konzept der Planetaren Grenzen bietet sich hierfür hervorragend an.« Immer noch sei das Thema Nachhaltige Entwicklung viel zu sehr ein Eliten-Projekt, kritisierte der DBU-Generalsekretär. Um dies zu ändern, müsse der Staat noch viel mehr seine Vorbildrolle, aber auch seine Gestaltungskraft wahrnehmen. Es müsse und könne gelingen, Unternehmen gute wirtschaftliche Perspektiven zu bieten und sie gleichzeitig durch eine langfristige Denkweise im Sinne der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Bottermann weiter: »Was wir brauchen, sind Beispiele für Geschäftsmodelle, für Produkte und Verfahren, die genau das aufzeigen.«

Die DBU wolle dazu einen Beitrag leisten, ergänzte er. Sie plane deshalb unter anderem ein Kooperationsvorhaben mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und dem Stockholm Resilience Centre. In diesem Projekt sollen Ansätze und Wege für eine Operationalisierung des Konzepts der Planetaren Grenzen für die Wirtschaft, vorzugsweise für den Mittelstand entwickelt, erprobt und verbreitet werden.

Arbeit an Stickstoff-Reduktionsplan
Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium und DBU-Kuratoriumsvorsitzende Rita Schwarzelühr-Sutter verwies in ihrer Schlussansprache auf den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung vor und erklärte, dass die Bundesregierung derzeit an einem integrierten Stickstoff-Reduktionsprogramm für alle Sektoren und Medien arbeite. Dies sei insofern von Bedeutung, als Deutschland einer Studie zufolge der zweitgrößte Netto-Stickstoff-Importeuer weltweit sei, so die Staatssekretärin. Wie die Klimaschutzpolitik könne auch das Stickstoff-Management Innovationen anstoßen, Arbeitsplätze schaffen und Modernisierung befördern. Schwarzelühr-Sutter fügte hinzu: »In diesem Sinne kann das Erkennen von Grenzen zu großen Möglichkeiten führen.«

Die in den Vorträgen angesprochenen Aspekte wurden in Diskussionsrunden und zahlreichen Workshops vertieft und ergänzt. Die englische Journalistin Jacki Davis erwies sich dabei als versierte Moderatorin der Veranstaltung.


Die gesamte Veranstaltung steht im Youtube-Kanal der DBU in drei Teilen als Videoaufzeichnung zur Verfügung und wird im Juni 2017 von adelphi als Konferenzdokumentation in schriftlicher Form veröffentlicht:

Youtube-Video: Making Planetary Boundaries Concept Work - Part 1
Youtube-Video: Making Planetary Boundaries Concept Work - Part 2
Youtube-Video: Making Planetary Boundaries Concept Work - Part 3