Entwicklung und Untersuchung eines auf elektrolytischer Oxidation beruhenden Verfahrens zur Reinigung von Abwässern aus hochalpinen Schutzhütten

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Thomas Görlach

ZusammenfassungIn der vorliegenden Arbeit wurde die elektrolytische Oxidation an ß-Bleidioxid-Anoden zur Reinigung häuslicher Abwässer untersucht. Die Zielsetzung bestand darin, die Möglichkeiten der Entwicklung eines technisch, ökonomisch und ökologisch sinnvollen elektrochemischen Verfahrens zur Anwendung in alpinen Extremlagen zu beurteilen. Zur Behandlung des an Unterkunftshäusern und Schutzhütten anfallenden Schmutzwassers lassen sich aufgrund der sehr speziellen Standortsituationen die im Tiefland etablierten mechanischen und biologischen Klärverfahren nur begrenzt übertragen.Die Versorgung dieser Inselstandorte mit elektrischer Energie wird in zunehmendem Maße durch die Nutzung regenerativer Quellen sichergestellt, wobei die Speicherung des in den Phasen schwacher Hüttenauslastung produzierten Überschußstroms stark limitiert ist. Der Grundgedanke dieser Arbeit besteht daher darin, diesen Überschußstrom direkt zur elektrochemischen Abwasserreinigung zu verwenden. Als vielversprechendste Matrix für eine elektrolytische Behandlung stellten sich Sickerwässer aus Komposttoiletten heraus. Dieser hochbelastete Abwasserteilstrom fällt in relativ geringen Mengen an, ist bei biologischer Klärung schlecht abbaubar und wirkt inhibierend. Des weiteren besitzt er eine hohe elektrische Leitfähigkeit und wird praktisch immer separat erfaßt.Absatzweise elektrolytische Abbauversuche in ungeteilter Zelle mit menschlichem Urin als Modellabwasser dienten zur Untersuchung des Einflusses der Elektrolysebedingungen auf die Reinigungsleistung, wobei als Leitparameter der Chemische Sauerstoffbedarf (CSB) herangezogen wurde. Verfolgt wurden neben der Chloridkonzentration die Stickstoffparameter Ammonium, Nitrat und Nitrit. Die Elektrolyte wurden auf adsorbierbare halogenorganische Verbindungen analysiert, die über reaktive Chlorspezies gebildet werden können. Mittels polarographischer Bleibestimmung wurde die Korrosion der Bleidioxidanoden überwacht. Variiert wurden Behandlungsdauer, anodische Stromdichte, Elektrolyttemperatur und CSB-Belastung des zu behandelnden Urins. Auch wurden alternative Anodenmaterialien getestet sowie der Einsatz geteilter Zellen untersucht. Es konnte gezeigt werden, daß Entfärbung, Desodorierung sowie eine 95 %-ige CSB-Entfernung innerhalb 24 Stunden prinzipiell möglich ist. Die Temperaturabhängigkeit der elektrolytischen Oxidation der Wasserinhaltsstoffe war gering. Ein wärmerer Elektrolyt neigte jedoch weniger zum Schäumen. Die Bleikontamination und der spezifische Energiebedarf wurden durch höhere Temperaturen gesenkt.Angesichts des konträren Einflusses der anodischen Stromdichte auf Raum-Zeit-Ausbeute und spezifischen Energiebedarf der CSB-Eliminierung erwiesen sich bei der verwendeten Elektrodengeometrie 5 mA/cm2 als Optimum. Auch blieb die störende Schaumentwicklung bei geringeren Stromdichten beherrschbar, die unerwünschte Anodenkorrosion und die AOX-Neubildung traten in geringerem Maße auf.Elektrolytische Abbauversuche mit Realproben dienten zur Überprüfung, Verfeinerung und Ergänzung der mit Urin erhaltenen Ergebnisse. Dazu wurden von allen drei im deutsch-österreichischen Alpenraum eingesetzten Komposttoilettensystemen an mehreren Standorten Proben genommen. Es wurde ein starker Einfluß der qualitativen Zusammensetzung der Sickerwässer auf die CSB-Reinigungsleistung beobachtet. Die in der Literatur für Elektrolysen von Urin-Fäkalmischungen in Rührkesselreaktoren beschriebene lineare Abhängigkeit der Raum-Zeit-Ausbeute bzw. die negativ exponentielle Abhängigkeit des spezifischen Energiebedarfs vom CSB konnte nicht bestätigt werden. Allerdings wurde die biologische Abbaubarkeit der Proben, indiziert durch den Quotienten CSB zu BSB5 mittels elektrolytischer Oxidation in allen Fällen verbessert.Für eine effektive CSB-Verringerung eigneten sich neben den ß-Bleidioxid-Titan-Verbundanoden auch Platinelektroden und eine chlorentwickelnde Iridium-Titan-Mischoxidbeschichtung. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten, daß letztere als einzige keiner erkennbaren Degradation unterlag. Daß sie trotzdem nicht für einen technischen Einsatz in Betracht gezogen wurde, lag an ihrer hohen Aktivität zur Bildung chlororganischer Verbindungen, analog zu den Platinanoden. Speziell sauerstoffentwickelnde Elektroden erwiesen sich als praktisch inaktiv, Graphit hingegen zeigte einen extremen Abbrand.Für den kontinuierlichen Betrieb wurde eine fünfstufige elektrochemische Reaktorkaskade aus ungeteilten Zellen mit PbO2/Ti-Ti-Elektrodenstacks konstruiert. Orientierende Behandlungen von Lösungen der Modellverunreinigung Ethylenglykol fanden statt, die Abbauprodukte wurden ionenchromatographisch identifiziert und quantifiziert. Basierend auf diese Resultate wurden Volumenströme für eine realistische kontinuierliche Behandlung festgelegt. Bei diesen Flußraten wurde das Verweilzeitverhalten der Durchflußzelle untersucht und elektrolytische Abbauversuche einer Sickerwasser-Mischprobe durchgeführt. Durch Anpassen der anodischen Stromdichte konnte die Eliminierung des CSB und des gelösten organischen Kohlenstoffs verbessert und die Kontamination des Ablaufs mit Blei und chlorierten Substanzen verhindert werden. Für CSB-Eliminierung wurden mittlere Raumzeit-Ausbeuten bis 374 mg/hL erzielt, wofür unter optimalen Bedingungen 69 Wh/L elektrische Energie pro Abbaugrad aufzuwenden waren.Es wurde ein optimales Konzept zur Reinigung von Sickerwässern aus Komposttoiletten mittels elektrolytischer Oxidation formuliert. Um eine Anlage an wechselnden Abwasserstrom und Belastung zu adaptieren, wird die Parallelschaltung mehrerer zwei- bis dreistufiger Kaskadenstränge vorgeschlagen. Für die Behandlung von täglich 20 Litern einer Sickerwasser-Mischprobe bei photovoltaischer Elektrizitätsversorgung wurden die Investitions- und Betriebskosten abgeschätzt. Der Großteil der Kosten wird durch Neuanschaffung und Ersetzen der Verbundanoden verursacht.Derzeit stehen vor allem die für die Behandlung eines relativ kleinen Abwasserteilstroms extrem hohen Kosten der Einsatzfähigkeit eines elektrolytischen Oxidationsverfahrens an Inselstandorten in alpinen Extremlagen entgegen. Ein Schwerpunkt zukünftiger Forschung sollte daher auf der Entwicklung billigerer, stabilerer und aktiverer Anodenmaterialien liegen. Weiteres Verbesserungspotential liegt in der Vermeidung der besonders in ungeteilten Zellen auftretenden elektrolytischen Produktion von wassergefährdendem Chlorat bzw. dessen Emission.

Förderzeitraum:
01.01.1996 - 31.12.1998

Institut:
Technische Universität München
Umwelttechnik, Fakultät Chemie
Arbeitsgruppe Angewandte Elektrochemie

Betreuer:
Prof. Dr. Dietrich Wabner

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