Die Regime-Umwelt von Umwelt-Regimen. Internationale Regime-Konflikte im Bereich des internationalen Umweltschutzes

Stipendiatin/Stipendiat: Prof. Dr. Fariborz Zelli

Die letzten Jahrzehnte waren Zeuge einer wachsenden Verflechtung der internationalen Beziehungen in unterschiedlichsten Politikfeldern. Mit dieser politischen Integration geht auch eine zunehmende Verregelung der internationalen Beziehungen einher, in deren Kontext es nicht nur zu funktionellen Überlappungen (d. h. zwei oder mehr Regime behandeln teilweise ähnliche Regelungsgegenstände), sondern auch zu Konflikten zwischen den einzelnen Regulierungssystemen (d. h. zwei oder mehr Regime enthalten einander widersprechende Regeln) kommen kann.Zu den Zielsetzungen der Promotion zählen: erstens die empirisch-typologische Intention der Aufdeckung und systematischen Beschreibung von internationalen Regime-Konflikten im Bereich des internationalen Umweltschutzes, zweitens die theoretische Intention einer Erweiterung der politikwissenschaftlichen Regime-Theorie durch die Gewinnung von Hypothesen über die Auswirkung von Regime-Konflikten, und drittens die praxis-relevante Zielsetzung des Überprüfens dieser Hypothesen zwecks Erkenntnisgewinns über sinnvolle Konflikt-Lösungen.Empirisch-typologische Fortschritte:Insgesamt konnten 60 internationale Regime-Konflikte im Bereich des internationalen Umweltschutzes identifiziert werden. Parallel hierzu wurden wesentliche Unterscheidungskriterien erarbeitet, angeführt von den Kriterienpaaren latent?manifest und direkt?indirekt. Darauf folgte eine weitere typologische Ausdifferenzierung anhand zusätzlicher Kriterien, u. a. dem funktionellen Geltungsbereich (Umweltschutz oder Freihandel) oder der Reichweite (regional oder global) der beteiligten Regime sowie der Austragungsebene (regime-intern oder regime-extern), der Akteursebene (Bürokratien, Staaten oder nicht-staatliche Akteure) und schließlich auch des Grads der Beabsichtigung/Intentionalität der Regime-Konflikte. Theoretische Fortschritte: 13 Hypothesen über die Auswirkungen von Regime-Konflikten wurden generiert. Die abhängige Variable (relative Veränderung der Regime-Effektivität) wurde in zwei Explananda unterteilt: einerseits die Wahrscheinlichkeit der Regelung eines Regime-Konfliktes und andererseits die Verteilung der Auswirkungen des Konfliktes unter den betroffenen Regimen (relative Gewinne und Verluste). Wichtigste Indikatoren waren hierbei rechtliche oder politische Regelungen, gescheiterte Regelungs-Versuche und Konflikt-Verschärfungen. Die unabhängigen Variablen wurden in zwei Schritten aus gängigen Theorien über die Wirksamkeit einzelner Regime abgeleitet. Zunächst wurden einzelne Erklärungsfaktoren isoliert (z. B. Verrechtlichungsgrad der beteiligten Regime oder die Machtkonstellation zwischen den Mitgliedstaaten). Anschließend wurden diese Faktoren auf zwei verschiedene Arten zueinander in Beziehungen gesetzt, nämlich vergleichend ("relativ") und verknüpfend ("relational").Praxis-relevante Fortschritte:Von den 13 Hypothesen wurden fünf ausgewählt und auf zwei Arten getestet: einmal in Form eines Korrelationstests an 21 Regime-Konflikten und zum anderen im Zuge einer detaillierten Einzel-Fallanalyse des Konflikts zwischen dem globalen Klimawandel-Regime (UNFCCC und Kyoto-Protokoll) und dem Welthandels-Regime der WTO.Die vorläufigen Ergebnisse dieser beiden Tests unterstützen die Annahme, dass in erster Linie die Machtkonstellation zwischen Staaten für die Konflikt-Auswirkungen, d. h. die Verteilung von Gewinnen und Verlusten verantwortlich ist. Umweltschutz-Regime können sich in solchen Konflikten nur dann durchsetzen, wenn sie über eine entsprechend einflussreiche bürokratische Führung (etwa in Form eines starken Mandats ihrer Sekretariate) verfügen. Die Regelbarkeit solcher Konflikte ist schließlich erheblich davon abhängig, inwiefern Themen und Interessen im Rahmen von "package deals" zwischen Staaten verknüpft werden. Dies ist in der Praxis bisher unzureichend geschehen, denn das Potenzial für solche Themenbündelungen liegt weit höher. Stattdessen finden pro- und contra-Koalitionen von Staaten immer noch in den engen Grenzen eines Problemfeldes (z. B. Klimawandel oder Artenvielfalt) zusammen. Und auch innerhalb ein und desselben Staates gibt es ? jenseits von Lippenbekenntnissen zu ?nachhaltiger Entwicklung? oder ?nachhaltiger Ressourcenverwendung? ? zumeist keine stabile themenübergreifende Position. Kurzum: es fehlt eine ganzheitlichere Sicht der Verhandlungspartner auf die verschiedenen ökologischen Problemfelder. Ein besserer Informationsfluss zwischen den Themenbereichen auf allen Ebenen - also innerhalb von Regierungen ebenso wie zwischen internationalen Regimen - könnte daher einen ersten Ansatz zur Regelung von Regime-Konflikten bieten, die bisher nachweislich eher zu Lasten der involvierten Umweltschutz-Regime gegangen sind.

Förderzeitraum:
01.07.2003 - 31.05.2006

Institut:
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Institut für Politikwissenschaft

Betreuer:
Prof. Volker Rittberger

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