Anwendung von kolloidaler Aktivkohle zur In-situ-Grundwassersanierung

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Ariette Schierz

Grundwasser stellt für den Menschen sowie für die gesamte belebte Umwelt eine essenzielle Ressource dar. In Deutschland werden rund 70 % der bereitgestellten Trinkwassermenge aus Grundwasser gewonnen. Obwohl vorsorgender Grundwasserschutz eine hohe Priorität besitzt, können vorhandene Grundwasserschäden nicht ungeschehen gemacht und, realistisch betrachtet, die Entstehung zukünftiger Belastungen nicht ausgeschlossen werden. Die bisher am häufigsten angewendete Technologie zur Behandlung von Grundwasserkontaminationen, die Hebung und oberirdische Behandlung des Grundwassers (sogen. Pump&Treat-Verfahren), hat einen hohen technischen Stand erreicht, erweist sich jedoch in den meisten Fällen als langwierig und kostenintensiv. Als Alternative zu den etablierten Pump&Treat-Verfahren sind in den 90er Jahren passive Verfahren, z.B. ?Reaktive Wände?, vorgeschlagen und erprobt worden. Unbestrittenen Vorteilen stehen jedoch auch bestimmte Nachteile gegenüber: Neben hohen Investitionskosten für die Errichtung der notwendigen unterirdischen Bauwerke treten in der Praxis häufig hydraulische Probleme auf. In den bekannten Verfahrensansätzen zur Grundwasserreinigung wird granulierte Aktivkohle als Adsorberschüttung in Reaktoren oder durchströmten Reinigungswänden eingesetzt. Im Rahmen des hier beschriebenen Projektes soll ein neues Verfahrenskonzept zur Errichtung einer Sorptionsbarriere durch Einspülung und Immobilisierung von kolloidaler Aktivkohle in-situ im Aquifer entwickelt werden. Grundlage dafür sind Kenntnisse über das Transportverhalten von Aktivkohlekolloiden im Aquifer und Möglichkeiten, dieses zu beschreiben bzw. zu modellieren. Aktivkohle ist das mit Abstand bedeutendste Sorbens des technischen Umweltschutzes. Aktivkohle zeigt hervorragende Sorptionseigenschaften gegenüber einem breiten Spektrum an organischen Verbindungen und ist aus ökologischer Sicht als unbedenklich einzustufen. Dies ist eine wesentliche Vorrausetzung für die Genehmigungsfähigkeit eines in-situ Einsatzes von Aktivkohle im Aquifer. Entsprechend der klassischen Kolloidfiltrationstheorie sind die Transportstrecken von Kolloiden in den meisten Aquiferen bei den üblichen Grundwasserfließgeschwindigkeiten auf einen Bereich zwischen 100 und 101 m beschränkt. Dies gilt selbst für Kolloide, für die starke abstoßende elektrostatische Wechselwirkungen zwischen den Kolloid- und Sedimentoberflächen zu erwarten sind. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Mobilität von natürlichen Kolloiden im Aquifer u.a. von der Partikelgröße und der Dichte der Partikel, der Ionenstärke und dem pH-Wert des Grundwassers, der Netto-Oberflächenladung des Kolloids und der Mineralkornoberfläche sowie der Fließgeschwindigkeit abhängig ist. Da für den Aufbau einer Aktivkohlebarriere eine gewisse Reichweite der Aktivkohlekolloide im Aquifer notwendig ist, müssen Bedingungen gefunden werden, unter denen die Aktivkohlekolloide eine hohe Mobilität aufweisen. Mit Hilfe von Säulenversuchen konnte gezeigt werden, dass die Aktivkohlekolloide unter Verwendung von basischen Fließmitteln (pH ? 10) und in Gegenwart von geringen Ionenstärken potentiell mobil sind. Beim Übergang zu realitätsnäheren Bedingungen, d.h. mäßigen Ionenstärken und neutralem pH-Wert des Fließmittels, weisen die Aktivkohlesuspensionen keine genügende Stabilität auf bzw. werden die Aktivkohlekolloide bevorzugt immobilisiert. Die Einstellung der erforderlichen Bedingungen für eine hohe Mobilität der nativen Aktivkohlekolloide in einem Grundwasserleiter ist infolge der z.T. hohen Pufferkapazität von Grundwasser technisch schwer realisierbar. Ebenso gestaltet sich eine totale Absenkung der Ionenstärke auf nahezu null als schwierig. Die Injektion der Aktivkohlekolloide sollte deshalb unter realitätsnahen Bedingungen erfolgen. Weitere wichtige Steuerungsparameter der Kolloidmobilität im Aquifer sind die Netto-Oberflächenladung der Aktivkohlekolloide und des Mineralkorns. Unter Grundwasserbedingungen sind die Suspensionen der nativen Aktivkohlekolloide instabil. Im relevanten pH-Wert-Bereich weisen die Mineralkornoberflächen eine negative Oberflächenladung auf. Die Anlagerung von Kolloiden an eine Mineralkornoberfläche wird unter unvorteilhaften chemischen Bedingungen durch die elektrostatische Abstoßung bestimmt. Eine Erhöhung der Netto-Oberflächenladung der Aktivkohlekolloide im neutralen pH-Wert-Bereich müsste sich also positiv auf die Stabilität der Aktivkohlesuspensionen und auf die Mobilität der Kolloide auswirken. Die Agglomeration von Kolloidsuspensionen kann durch sterische und elektrostatische Stabilisierung verhindert werden. Es wurden drei Konzepte zur Erhöhung der Oberflächenladung der Aktivkohlekolloide verfolgt: 1. die oxidative Vorbehandlung der Aktivkohle, 2. die Imprägnierung der Aktivkohle mit anionischen Tensiden und 3. der Zusatz von kohlestämmigen Huminsäuren. Alle Versuche, die Stabilität der Aktivkohlesuspensionen und die Mobilität der Aktivkohlekolloide im neutralen pH-Wert-Bereich und bei geringen Ionenstärken zu erhöhen, führten zum gewünschten Ergebnis. Die Ergebnisse zeigten, dass die Oberflächenchemie der Aktivkohlekolloide als ein Mittel zur Transportsteuerung betrachtet werden kann. Als optimale Methode ist die Beladung der Aktivkohle mit den kohlestämmigen Huminsäuren einzuschätzen. Es konnte gezeigt werden, dass eine gezielte Steuerung der Ablagerung der Aktivkohlekolloide in Gegenwart von Huminsäure unter Aquiferbedingungen möglich ist. D.h. Modellsandsäulen wurden gleichmäßig über die gesamte Säulenlänge mit kolloidaler Aktivkohle beladen. Gegenüber anionischen Tensiden besitzen Huminsäuren außerdem den Vorteil, dass sie natürliche, nicht toxische Zusatzstoffe darstellen und damit für einen praktischen Einsatz besser geeignet sind. Die Genehmigungsfähigkeit eines in-situ Verfahrens auf der Basis von Aktivkohle und Huminsäuren sollte aus umweltrechtlicher Sicht keine Probleme darstellen. Darüber hinaus sind Huminsäuren auch in großen Mengen technisch gut verfügbar. Die Kosten für die benötigten Mengen Huminsäure würden die Kosten für die Aktivkohlesuspensionen wahrscheinlich nicht signifikant erhöhen. Um das Konzept der Sorptionsbarriere in Richtung einer Reaktionsbarriere auszubauen, wird der Ansatz verfolgt, die Aktivkohle als Träger für Reaktivität, z.B. durch Aufbringen von Fe(0) auf die Aktivkohleoberfläche, zu benutzen. Das Fe/C-System verbindet somit die hervorragenden Adsorptionseigenschaften von Aktivkohle und die reduzierende Wirkung von Eisen.

Förderzeitraum:
01.01.2004 - 31.12.2006

Institut:
Universität Leipzig
Fachbereich Chemie
Institut für Technische Chemie

Betreuer:
Prof. Dr. Helmut Papp

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