StSP Bionik: Strukturelle, biochemische und mechanische Eigenschaften von Faser-Matrix-Übergängen bei pflanzlichen Festigungsgeweben als Grundlage für innovative, technische Faserverbundmaterialien

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Markus Rüggeberg

Pflanzen haben sich im Laufe der Evolution verschiedene Lebensräume erschlossen und sich dabei an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst. Die Struktur und die Eigenschaften der pflanzlichen Materialien sind daher Ausdruck einer physiologischen und mechanischen Funktionsoptimierung. Mechanischen Belastungen wird durch die strukturoptimierte Anordnung von Festigungsgeweben und ihre Einbindung in das pflanzliche Grundgewebe widerstanden. Diese Strukturen bieten durch ihrem Aufbau und ihren mechanischen Eigenschaften eine Fülle interessanter Anregungen für einen bionischen Ansatz zur Entwicklung innovativer Werkstoffe. Der bionische Arbeitsprozess ? wie er in der Freiburger Plant Biomechanics Group umgesetzt wird ? beinhaltet zu Anfang die umfassende Untersuchung eines biologischen Systems, um die Prinzipien seines Aufbaus und seiner Funktion zu charakterisieren und zu verstehen. Der nächste Schritt ist die Abstraktion und Loslösung von diesem biologischen System und eine erste Übertragung auf technische Materialien, die zunächst im Labormaßstab hergestellt werden. Übergeordnetes Ziel ist die Markteinführung eines bionisch inspirierten Produktes, welches in Zusammenarbeit mit kooperierenden Firmen erfolgen soll.Der Aufbau von Pflanzenachsen kann auf mehreren hierarchischen Strukturebenen als Verbundstruktur aufgefasst werden. Die Festigungsgewebe bestehen zumeist aus verholzten, dickwandigen Faserzellen (Sklerenchym) und sind in eine Matrix aus Grundgewebe (Parenchym) eingebettet. Diese Grundgewebe besteht zumeist aus unverholzten, dünnwandigen und isodiametrischen Zellen besteht. Bei Pflanzen lassen sich bei raschen Lastwechseln, wie beispielsweise durch Windböen verursacht, gute Dämpfungseigenschaften beobachten. Diese Eigenschaften werden u. a. durch die Ausbildung eines graduellen Übergangs zwischen den Fasern des Festigungsgewebes (Sklerenchym) und der Matrix (Parenchym) ermöglicht. Bei dem graduellen Übergang zwischen verholzten, dickwandigen, stabilen Faserzellen und unverholzten, dünnwandigen Parenchymzellen handelt es sich um die Überlagerung mehrerer einzelner Gradienten. Es liegen hier u. a. eine kontinuierliche Veränderung der Zellgröße, der Zellwanddicke, aber auch Veränderungen in der Zellwandultrastruktur und deren chemischer Zusammensetzung vor. Die Kombination dieser einzelnen Gradienten bestimmt die funktionellen Eigenschaften des Gewebes. Gradienten auf mehreren Strukturebenen ermöglichen bei raschen Lastwechseln eine gute Energiedissipation aufgrund hoher innerer Reibung. Kritische Scherspannungen, die zu einer Loslösung der Festigungsgewebe aus der Matrix führen können, werden weitestgehend vermieden. In technischen Faserverbundwerkstoffen werden Fasern hoher Steifigkeit (z. B. Glas- oder Kohlefasern) in eine weichere Matrix (zumeist aus Kunstharzen) eingebettet. Aufgrund der abrupten Steifigkeitsübergänge zwischen Faser und Matrix treten bei technischen Werkstoffen bei raschen Belastungsänderungen am Interface zwischen den Materialien hohe Scherspannungen auf. Diese können eine Trennung der beiden Komponenten und damit eine weitgehende Zerstörung des Werkstoffs bewirken.Im Rahmen dieser ?bionisch? inspirierten Doktorarbeit sollen die graduellen Übergänge zwischen Festigungsgewebe und Parenchym bei Achsen von vier Palmenarten und zwei Sauergrasarten untersucht werden. Die Charakterisierung soll auf verschiedenen Strukturebenen des pflanzlichen Materials erfolgen. Auf Achsenebene, Gewebe- und Zellebene sollen strukturelle und mechanische Eigenschaften von Gewebe und Einzelzellen analysiert werden. Weiterhin erfolgen Untersuchungen zur Ultrastruktur der Zellwand und biochemische Analysen, um den jeweiligen Zellwandaufbau der Zellen entlang der verschiedenen Gradienten aufzuklären. Ziel ist es, durch diese umfassende und interdisziplinäre Herangehensweise ein Verständnis des Gradientenprinzips auf den jeweiligen hierarchischen Strukturebenen zu gewinnen. Nach einer notwendigen Abstraktion und Loslösung von diesem biologischen System sollen in Zusammenarbeit mit Ingenieuren bionisch inspirierte Faserverbundwerkstoffe im Labormaßstab hergestellt werden. Solche innovativen technischen Materialien sollen sich aufgrund der Strukturoptimierung durch hohe Qualität und Lebensdauer bei gleichzeitig niedrigem Materialverbrauch auszeichnen.

Förderzeitraum:
01.02.2005 - 31.01.2008

Institut:
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Botanischer Garten
Kompetenznetz Biomimetik

Betreuer:
Prof. Dr. Thomas Speck

E-Mail: E-Mail schreiben

URL: www.ifb.ethz.ch/woodmaterialsscience