Beteiligung von energieabhängigen Efflux-Transportern an der multiplen Fungizidresistenz des Grauschimmelerregers Botrytis cinerea in französischen und deutschen Weinanbaugebieten

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Matthias Kretschmer

Der Erreger der Graufäule, Botrytis cinerea, gehört zu den Schlauchpilzen und befällt mehr als 230 Pflanzenarten. Unter diesen befinden sich wirtschaftlich wichtige Kulturpflanzen, unter anderem Weintrauben und Erdbeeren, sowie diverse Gewächshauskulturen wie Tomaten und Gurken. Ein Pflanzenpathogen kann eine Pflanze nur erfolgreich infizieren, wenn es in der Lage ist, die pflanzliche Abwehr zu überwinden. Diese setzt sich aus mechanischen Barrieren, abiotische und biotische Substanzen zusammen. Abiotische Abwehrmechanismen beinhalten die Produktion von z.B. Sauerstoffradikalen. Die biotischen Abwehrmechanismen gehen auf die Synthese von schädlichen Substanzen, z.B. Gerbstoffe (Polyphenole), toxische Substanzen (Tomatin, Rishitin oder Resveratrol) zurück. Kann sich das Pflanzenpathogen nicht gegen diese Substanzen schützen, gehört diese toxinproduzierende Pflanze nicht mehr zu seinen Wirtspflanzen. Zur Entgiftung dieser toxischen Substanzen können sie aus dem Zytosol nach außen oder in die Vakuole abgegeben werden. Dies geschieht durch einen energieabhängigen Export und ist bekannt aus der Medizin, z.B. bei Krebszellen oder bei Bakterien (Mycobacterium tuberculosis). Die Entgiftung durch Exportmechanismen aus den Gruppen der ABC- und MFS-Transporter wurde in der Medizin als MDR (Multidrug Resistenz) bezeichnet, da die Exportsysteme wenig selektiv sind und unterschiedliche Substanzen als Substrat akzeptieren. Potentiell besitzen alle Organismen die Fähigkeit sich mit diesen Mitteln gegen natürliche oder auch künstliche, vom Menschen geschaffene Substanzen zu schützen.Fungizide sind vom Menschen entwickelte für Pilze toxische Substanzen, die in der Medizin oder in der Landwirtschaft verwendet werden um pathogene Pilze zu bekämpfen. Durch vermehrten Einsatz synthetischer Fungizide in der Landwirtschaft und im Weinbau entwickelten sich im Laufe der Zeit durch diesen Selektionsdruck resistente Botrytis cinerea-Stämme, die je nach verwendetem Fungizid eine Modifikation des Wirkorts der toxischen Substanz (z.B. Carbendazimresistenz), eine verringerte Aufnahme durch Veränderung der Membranzusammensetzung (Azolresistenz) oder Metabolisierung aufwiesen (Fenhexamidresistenz). Seit etwa 15 Jahren werden in der Champagne vermehrt Isolate vorgefunden, die einen MDR Phänotyp aufweisen. In den letzten Jahren bilden diese Isolate einen immer größer werdenden Anteil an der Botrytis cinerea Freilandpopulation und erreichten 2005 und 2006 bereits einen Anteil von 50% an der Gesamtpopulation. Die genetische Grundlage dieser Resistenzen bei Freilandisolate wurde bisher noch nicht untersucht. Untersuchungen mit im Labor erzeugten resistenten Isolaten deuten jedoch auf die Beteiligung von Exportern hin. Die ABC (ATP binding cassette)-Transporter benötigen Energie in Form von ATP, um Wirkstoffe gegen ein Konzentrationsgefälle aus der Zelle zu transportieren. Die MFS-Transporter (major facilitator superfamily) gehören zu einem weiteren Typ von Transporter, der möglicherweise an der Resistenz von Organismen gegen verschiedene Fungizide beteiligt ist. Sie benutzen einen elektrochemischen Transmembran-Gradienten (der i.a. durch unterschiedliche Protonenkonzentrationen innerhalb der Zelle und im umgebenden Medium gebildet wird) um verschiedene Wirkstoffe aus dem Zellinneren zu exportieren. Bei einer Untersuchung 2006 und 2007 einer Botrytis cinerea-Population aus Weinbergen entlang der Deutschen Weinstraße (Weinanbauregion Pfalz) wurde festgestellt, dass 23 bzw. 33% der untersuchten Isolate eine Fungizidresistenz des MDR Typs aufwiesen. Dies war bei Weitem die verbreitetste Form einer Fungizidresistenz. Einzelresistenzen traten vereinzelt gegen Carbendazim, Fenhexamid, Boscalid, Iprodion und Cyprodinil auf.Die MDR Isolate konnten in 3 durch ihre Resistenzspektren unterschiedene MDR Klassen unterteilt werden. Die ersten 2 Klassen zeigten eine leichte bis mittlere Resistenz gegen einen Teil der 7 untersuchten Fungizide, wobei die verschiedenen Klassen gegen einzelne Fungizide besonders resistent waren, MDR 1 z.B. gegen Fludioxonil oder MDR 2 gegen Fenhexamid.Die 3 Klasse (MDR3) zeigte eine leichte bis mittlere Resistenz gegen alle 7 untersuchte Fungizide. Die Multi Drug Resistance ist bei Botrytis cinerea Freilandisolaten in der Weinanbauregion Pfalz daher eine zunehmende Bedrohung des Weinanbaus (der Ertragsmenge und der Weinqualität).Die molekularbiologischen Grundlagen der multiplen Fungizidresistenz von multiresistenten pflanzenpathogenen Pilzen sind bisher nur unzureichend untersucht und die Mechanismen die zu dieser führen sind bisher unverstanden. Dies gilt ins Besondere auch für die MDR von B. cinerea Freilandisolaten.Der Grauschimmel besitzt etwa 350 Exportsysteme die zu den Transportern der ABC und MFS Klassen gehören. Durch bioinformatische Analysen konnten 29 ABC und 82 MFS Transporter identifiziert werden, die mögliche Kandidaten für einen Auslöser der MDR darstellen, identifiziert werden. Durch eine Macroarray Analyse, einer Methode zur Untersuchung der Genaktivität, es wird festgestellt, wie oft ein Gen abgelesen wird und wie oft dann das gebildete Exportsystem in einer Zelle vorliegt, konnte gezeigt werden, dass bei einer MDR Klasse ein ABC Transporter und bei einer anderen ein MFS Transporter besonders häufig gebildet wird. Diese beiden MDR Transporter sind deshalb mögliche Auslöser der multiplen Fungizidresistenz und werden im Moment weitergehend untersucht. Durch molekularbiologische Methoden konnte nachgewiesen werden, dass die Überexpression eines ABC-Transporters in MDR1 Stämmen für den MDR-Phänotyp verantwortlich ist. Der MDR2 Phänotyp wird zurzeit noch untersucht. Der 3 MDR-Phänotyp konnte mittels Kreuzungsversuche als eine Kombination aus MDR1 und MDR2 identifiziert werden. Im Freiland ist die Frage von besonderer Bedeutung, ob sich Isolate mit MDR-Phänotyp gegenüber den Wildtyp-Isolaten nur unter einem Selektionsdruck durch Fungizid-Behandlungen oder auch unter nichtselektiven Bedingungen, z.B. im Winter außerhalb der Vegetationsperiode behaupten können. Durch Wachstumsanalysen mit mehren MDR Stämmen aus jeder Klasse auf künstlichen Nährmedien und Wachstumstemperaturen, konnte gezeigt werden, dass die MDR Stämme im Vergleich zu sensitiven Isolaten kaum Wachstumsnachteile durch die MDR besitzen. In manchen Stresssituationen (oxidativ) zeigen die MDR Isolate sogar bessere Wachstumseigenschaften als sensitive Stämme.Durch einen Freilandversuch mit sensitiven und MDR Isolaten konnte gezeigt werden, dass sich im Freiland ohne Selektion die sensitiven Isolate durchsetzten. Bei einem geeigneten Selektionsdruck besitzen dann die MDR Isolate durch die Multidrug Resistenz einen großen Vorteil gegenüber sensitiven Isolaten und akkumulieren in der Population.Durch den Einsatz von Inhibitoren der MDR-Transporter soll dann abschließend untersucht werden, ob durch deren Einsatz in Verbindung mit Fungiziden, die Sensitivität der MDR Isolate gegenüber diesen erhöht werden kann. Dies würde zur Unterdrückung der MDR führen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung könnten einen Beitrag zum Resistenz-Management des Pflanzenpathogens Botrytis cinerea leisten. Bisher gilt noch immer das Motto ?hit hard and hit early?, wobei verschiedene Fungizide eingesetzt werden, um eine Resistenz zu verhindern oder zu verzögern. Durch die MDR-Phänotypen wird es evt. nötig, neue Strategien bei der Bekämpfung von resistenten Pathogenen zu entwickeln.

Förderzeitraum:
01.04.2006 - 31.03.2009

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