Vergleichende Untersuchung der aquatischen und semiaquatischen Fauna ausgewählter Hochmoorrenaturierungsgebiete Niedersachsens unter Berücksichtigung von Aspekten des Flächenmanagements und der Biotopvernetzung

Stipendiatin/Stipendiat: Andrea Lipinski

Von allen Bundesländern weist Niedersachsen die höchsten Flächenanteile an Hochmooren auf, von denen allerdings keines als unbeeinflusst gelten kann. Auf mehr als 20.000 ha wird heute noch industrieller Torfabbau betrieben (Dr. B. Aue, Bezirksregierung Weser-Ems, mdl. Mitt. 2004). Mit dem Ziel, spezifischen Arten und Lebensgemeinschaften des Hochmoores Rückzugs- und Entwicklungsräume zu verschaffen, begann man am Ende des 20. Jahrhunderts damit, industrielle Torfabbauflächen und Moorreste konsequent zu renaturieren (Niedersächsisches Moorschutzprogramm, Teil I 1981, Teil II 1986, Erweiterung 1994). Die Flächen wurden vernässt und weiteren Renaturierungs- und Pflegemaßnahmen unterzogen. Auch die derzeit noch industriell genutzten Torflagerstätten sind nach Beendigung des Abbaues für die Renaturierung vorgesehen. In den folgenden Jahren werden also viele Tausend Hektar Wiedervernässungsfläche vorliegen. Dafür bedarf es wissenschaftlich begründeter Leitbilder und Bewertungsvorgaben. Darauf aufbauend müssen Entwicklungs- und Managementkonzepte konzipiert werden, in denen die Gebietsspezifika berücksichtigt werden können.Die bisherigen Managementkonzepte basieren in erster Linie auf vegetationskundlichen, hydrologischen Untersuchungen (Eigner 1995; Sliva 2000) sowie auf Beobachtungen der terrestrischen Fauna. Die Fauna der aquatischen Lebensräume und deren Entwicklung im Verlauf des Renaturierungsprozesses wurden in Niedersachsen bisher weitgehend außer Acht gelassen. Erste Vergleichende Untersuchungen zur Besiedlung der aquatischen Lebensräume wurden in einem von der Niedersächsischen Umweltstiftung geförderten Projekt (Kiel 2004, Projekt 98/02) begonnen.Genau an diesem Punkt setzt die geplante Untersuchung an. Zentrales Ziel ist es, Erkenntnisse über die Besiedlung und Habitatbindung der für Hochmoorrenaturierungsgebiete typischen Fauna zu erhalten. Daraus sollen sowohl grundlegende Erkenntnisse über den Sukzessionsprozess gewonnen, als auch Konsequenzen für das Management der Flächen im Hinblick auf Arten- und Biotopschutzmaßnahmen abgeleitet werden.Die Arbeit konzentriert sich auf die Untersuchung der aquatischen und semiaquatischen Fauna unterschiedlich alter Hochmoorrenaturierungsflächen in Niedersachsen unter dem Aspekt des Flächenmanagements und der Biotopvernetzung.Die Untersuchung betrachtet aber nicht nur die Moor- bzw. Renaturierungsgebiete allein, auch die im engeren Umfeld liegenden aquatischen Biotope (Gräben, Teiche, aber auch andere Moorgebiete) werden vergleichend untersucht. Erkenntnisse verschiedener Forschungsarbeiten zeigen das die Beschaffenheit des Umfeldes von erheblicher Bedeutung für die Besiedlung einer Renaturierungsfläche hat. Diese Annahme wird im Rahmen der Arbeit experimentell analysiert. Darauf aufbauend wird die Frage geprüft, inwieweit umliegende aquatische Flächen bei Maßnahmen zur Biotopvernetzung und Umfeldgestaltung in die Planung einbezogen werden sollten.Die Ergebnisse sind im jeden Fall für den angewandten Naturschutz von Bedeutung. Für die Anwendung können daraus Konsequenzen im Hinblick auf eine ggf. notwendige Biotopvernetzung sowie Einschätzungen der Entwicklungschancen unterschiedlicher Gebiete erwachsen. Aus dem Vergleich mit Referenzflächen sowie Erkenntnissen zu dem vom Umfeld ausgehenden Besiedlungsdruck werden Rückschlüsse auf das ökologische Potential, die Gefährdung und die Entwicklung unterschiedlicher Renaturierungsflächen erwartet. Diese wiederum liefern fehlende Argumente für ein gezieltes Naturschutzmanagement.Am Anfang der Arbeit steht die vergleichende Untersuchung der aquatischen und semiaquatischen Fauna ausgewählter, d.h. unterschiedlich alter Wiedervernässungsflächen mit möglichst naturnahen Referenzflächen.Im Anschluss daran werden die Strukturen und Habitatfaktoren in ausgewählten Bereichen dieser Moore differenziert und das Vorkommen, Fehlen und die Abundanz der verschiedenen Arten in Relation zu diesen Faktoren detailliert analysiert. Abschließend erfolgt die nähere Betrachtung des Umfeldes und des dort vorliegenden Besiedlungspotentials.Zielsetzung der ersten Arbeitsphase (2006) war, das Vorkommen der aquatischen und semiaquatischen Fauna unterschiedlich alter Hochmoor-Wiedervernässungsflächen im Vergleich zu weniger beeinträchtigen Referenzflächen zu beschreiben und die Bindung der Wirbellosenfauna an spezifische Strukturelemente zu prüfen. Die Untersuchungen wurden auf wiedervernässten Flächen mit unterschiedlichem Renaturierungsalter (zwei-, 12- bzw. 14- und ca. 25-jährig) des Stapeler Moores und des Leegmoores sowie in den nicht abgetorften Gebieten Lengener Meer und Dobbe durchgeführt. Während der Vegetationsperiode 2006 (Juni/Juli und September/Oktober) wurden mit Hilfe des Standardschöpf-, des Greifer- und des Unterdruckverfahrens detaillierte qualitative und quantitative Untersuchungen in ausgewählten Teiltransekten der Untersuchungsflächen vorgenommen. Zusätzlich erfolgte eine Detailkartierung und Beschreibung der Vegetation und der Struktur. Parallel dazu wurden abiotische Daten aufgenommen.In der vorliegenden Untersuchung wurden mit den verwendeten Methoden insgesamt 156.550 Individuen und nach bisherigem Auswertungsstand 68 Arten/Taxa höherer Ordnung (ThO) erfasst. Dabei betrug die Zahl der Arten/ThO im Leegmoor 38, im Stapeler Moor 44, im Lengener Meer 30 und in der Dobbe 42. Da ein Teil der Großgruppen noch nicht auf Artniveau bestimmt werden konnte, ist mit einer größeren Zahl weiterer Arten/ThO zu rechnen, besonders bei den individuenreich vertretenen Diptera. Neben dieser Gruppe gehören nach derzeitigem Stand die Heteroptera und die Odonata zu den artenreichen Großgruppen in den Untersuchungsgebieten. Höchste Individuendichten hatten die in dieser Untersuchung nicht detailliert betrachteten Acari, gefolgt von den Diptera und in geringeren Anteilen Ephemeroptera und Odonata.Auf Flächenniveau waren sich besonders die älteren Flächen des Stapeler Moores (Stap12, Stap25) und die Referenzgebiete Lengener Meer und Dobbe hinsichtlich der Individuendichten der einzelnen Gruppen sehr ähnlich. Diese Flächen wurden vor allem durch Acari und Diptera bestimmt. Dagegen wiesen die zweijährigen wiedervernässten Flächen des Stapeler Moores und des Leegmoores Unterschiede zu den älteren Flächen auf. Die starke Dominanz der Diptera ist auf das Vorherrschen von offener Wasserfläche und das weitgehende Fehlen von Vegetationsstrukturen zurückzuführen. Unterschiede zwischen den älteren Wiedervernässungsflächen und den Referenzflächen in der Besiedlung der Großgruppen wurden vor allem in der Detailbetrachtung der verschiedenen Vegetationsstrukturen deutlich. Sowohl zwischen den Strukturen innerhalb der Flächen als auch zwischen den Gebieten waren Unterschiede erkennbar. Es nahmen die Gesamt-Individuenzahlen und mit ihnen die dominierenden Acari von den offenen, wasserreichen zu den dichteren, vegetationsreicheren Strukturen hin zu. Für die Diptera konnte dagegen keine Aussage zur Strukturpräferenz gemacht werden, sie kamen in den nasseren und in den trockeneren Strukturen gleichermaßen vor und zeigten, wie auch die Ephemeroptera und Odonata, starke Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten und Untersuchungsflächen. Besonders die Dobbe wich in der Individuenverteilung stärker von den restlichen Flächen ab, hier nahm beim Greiferverfahren die Gesamt-Individuenzahl zu den dichteren Strukturen hin ab und der Anteil an Nematoda war höher. Auch die 14-jährige Fläche des Leegmoores zeigte eine mit hohem Anteil an Oligochaeta und geringen Zahlen von Diptera abweichende Besiedlung der einzelnen Strukturen, bedingt durch relativ starke Austrocknung während des Sommers. Die weitere Auswertung der Proben aus der zweiten Jahreshälfte 2006 und die genaue Bestimmung der Großgruppen auf Artniveau wird dabei zeigen, ob verallgemeinerbare Trends in der Besiedlungssukzession und im Vergleich zu Referenzstandorten vorhanden sind, oder ob gebiets- und flächenspezifische Charakteristika diese überdecken. Vor allem die weitere Analyse der in allen Flächen stark vertretenen Chironomidae lässt nach den bisherigen Ergebnissen erwarten, dass sich Unterschiede zwischen den verschieden alten Renaturierungsstadien ergeben.

Förderzeitraum:
01.06.2006 - 31.05.2009

Institut:
Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg Institut für Biologie und Umweltwissenschaften AG Gewässerökologie und Naturschutz

Betreuer:
Prof. Dr. Ellen Kiel

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