StSP Bionik: Bionische Strategien zur bautechnischen Verwendung von lebenden Holzpflanzen für Tragstrukturen von Hochbauten unter gezielter Ausnutzung von Selbstbildungs-, Selbstreparatur- und Selbstoptimierungsprozessen

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Ferdinand Ludwig

Der Begriff Baubotanik beschreibt die Idee, Tragstrukturen aus lebenden Holzpflanzen zu bilden. Baubotanische Konstruktionen verbinden auf völlig neue Art bauliche Funktionen (Tragwerk) mit den Gestaltqualitäten lebender Bäume. Sie stellen eine Umweltinnovation dar, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann und zeigen ein aus architektur- und kulturtheoretischer Sicht ein interessantes, neuartiges Natur-Artefakt-Verhältnis auf. Ziel des Promotionsvorhabens ist, wichtige botanische Grundlagen der Baubotanik zu erarbeiten und diese für das Entwerfen in der Baubotanik anwendbar zu machen. Ausgangspunkt bildet dabei die Idee, baubotanische Strukturen aus einer Vielzahl junger Einzelpflanzen zusammenzufügen, die zu einem künstlich geformten Gesamtorganismus verwachsen (Pflanzenaddition). Die Arbeit gliedert sich in drei Teile, in denen botanische, technische und entwurfliche Fragestellungen behandelt werden. Im ersten Teil steht die Frage im Zentrum, wie für baubotanische Anwendungen geeignetes Pflanzenmaterial produziert werden könnte. Dazu wurde in einem speziellen Anzuchtgewächshaus die spektrale Zusammensetzung des Lichts durch Filterfolien gezielt verändert, um die Pflanzen bei größtmöglicher Gesamt-Wachstumsleistung zu einer starken Schattenfluchtreaktion anzuregen. Ziel hierbei ist, durch die Steuerung von Umweltfaktoren möglichst lange und dünne Triebe zu erzeugen, die sich leicht und in engen Radien biegen lassen und so in der Baubotanik universell einsetzbar sind. Die so erzeugten Triebe wurden in einem zweiten Schritt anatomisch und biomechanisch untersucht, um für die baubotanische Verwendung relevante Eigenschaften möglichst exakt beschreiben und deren Ursache erklären zu können.Im zweiten Teil werden Grundlagen für die Entwicklung praxistauglicher Verbindungstechniken erarbeitet und die Eignung verschiedener Baumarten für baubotanische Anwendungen untersucht. Dazu wurden im Rahmen eines Screenings unterschiedliche Verbindungstechniken bei zehn Baumarten und mehreren Verbindungsgeometrien untersucht und der Verwachsungsprozess morphologisch sowie anatomisch über ein bis drei Jahre dokumentiert. Bei den gewählten bzw. entwickelten Verbindungstechniken erfolgt das Verwachsen ähnlich wie bei natürlichen Verwachsungen in einem zweistufigen Prozess, bei dem erst die Rinden- und anschließend die Holzgewebe fusionieren. Zum Verbinden der Pflanzen wurden hochfeste Seile, Edelstahlschrauben und nachgebende Bänder verwendet. Insgesamt haben sich Platanen als besonders geeignet erwiesen, da bei dieser Art alle getesteten Verbindungstechniken anwendbar sind und rasch Verwachsungen entstehen. Der dritte Teil der Arbeit befasst sich mit dem Entwurf und der Realisierung eines prototypischen Bauwerks. Am Beispiel eines dreistöckigen Turmes wird gezeigt, wie die Regeln und Zusammenhänge pflanzlichen Wachstums in der Baubotanik zu essentiellen Entwurfsregeln werden. In der umgesetzten rautenförmigen Pflanzenstruktur des Turmes spiegeln sich unter anderem der Einfluss des Neigungswinkels eines Triebes auf sein Wachstum sowie Aspekte des Saftflusses wider. Über die Berechnung von Kronenvolumina wurde ein Prognosetool zur Abschätzung des Dickenwachstums entwickelt, das auf der Berechnung der Biomasseallokation beruht.

Förderzeitraum:
01.02.2007 - 31.01.2010

Institut:
Universität Stuttgart
Institut für Grundlagen moderner Architektur
und Entwerfen

Betreuer:
Prof. Dr. Gerd de Bruyn

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