Über die Entwicklung und Anwendung funktionaler Haloperoxidase-Modelle zur Synthese von Naturstoffderivaten

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Oliver Brücher

Titel der Dissertation:

Über die Entwicklung und Anwendung funktionaler Haloperoxidase-Modelle zur Synthese von Naturstoffderivaten

 

Zusammenfassung

 

Die natürliche Herstellung von Organohalogenverbindungen, deren Nutzung durch Organismen als chemische Intermediate oder biologische Wirksubstanzen, sowie Abbau und Verwertung der Stoffe sind Teil eines ökologischen Halogenkreislaufs unserer Erde. Der größte Teil der Biohalogenierung beruht dabei auf enzymatischen Oxidationen natürlicher Halogenidvorkommen durch Haloperoxidasen, welche sich vor allem durch milde Reaktionsbedingungen und Umweltverträglichkeit auszeichnen. Da die natürlichen Enzyme aufgrund ihrer Abhängigkeit von wässrigen Solventien und der inhärenten Instabilität gegenüber organischen Lösungsmitteln nur bedingt in organischen Synthesen einsetzbar sind, ist die Suche nach vereinfachten, funktionalen Modellen von Haloperoxidasen eine wichtiges Anliegen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung funktionaler Modellsysteme von Bromo- und Chloroperoxidasen zur Anwendung in der Synthese natürlich vorkommender halogenierter Tetrahydrofuran- und Tetrahydropyrangerüste.

 

Die Dissertation beschäftigt sich dabei insbesondere mit der Entwicklung funktionaler Modellsysteme von Bromo- und Chloroperoxidasen zur Oxidation von Bromid und Chlorid unter wasserfreien und nachhaltigen Bedingungen und fanden Anwendung in der Synthese halogenierter O-Heterocyclen, welche häufig als Grundstrukturen von Naturstoffen mit ausgeprägten physiologischen Wirkungen auftreten. Die gewonnenen Erkenntnisse lösten vorhandene Probleme mit Reaktivität und Chemoselektivität in oxidativen Bromierungs-reaktionen und trugen zu einem besseren Verständnis der beobachteten Regioselektivitäten in Bromcyclisierungen hochsubstituierter 4-Pentenole bei. Aufbauend auf diesen Ergebnissen konnte erstmalig eine analoge Methode zur oxidativen Chlorcyclisierung für die Darstellung beta-chlorierter Tetrahydrofurane und Tetrahydropyrane entwickelt werden.


In einem ersten Projekt gelang die Realisierung eines Verfahrens zur oxidativen Bromierung von C,C-Doppelbindungen unter nahezu pH-neutralen und wasserfreien Reaktionsbedingungen, welches sich insbesondere zur Durchführung von Bromcyclisierungen substituierter 4-Pentenole eignete. Dabei konnte das Konzept der in situ-Bromidoxidation, neben der Verwendung effektiverer Vanadium-Katalysatoren und organischer Carbonate als Solventien, vor allem durch Einsatz eines neuartigen HBr-Donors auf eine grundlegend neue Basis gestellt werden. Die hierfür entwickelten beta-Bromcarbonsäurederivate fragmentieren in Gegenwart katalytischer Mengen an Bromid unter milden Bedingungen und fungieren dabei als Puffersystem, welches eine nahezu pH-neutrale, kontinuierliche Versorgung der Oxidations-reaktion mit HBr-Äquivalenten sicherstellt. Auf diese Weise gelang es, das Verfahren auf die Umsetzung säurelabiler Substrate zu erweitern. Durch Verwendung umweltfreundlicher Alkylcarbonate als Lösungsmittel konnte zudem die Nachhaltigkeit oxidativer Bromierungs-reaktionen verbessert und die Aufarbeitung größerer Ansätze vereinfacht werden. Die Methode wurde im folgenden Projekt zur Herstellung bromierter O-heterocyclischer Naturstoffderivate eingesetzt.


Die Resultate der zweiten Projektstudie zur Regioselektivität in Bromcyclisierungen hochsubstituierter 4-Pentenole belegen, dass ein Aryl-Substituent in 5-Position des Alkenols eine Polarisierung der intermediären Bromoniumion-Teilstruktur bewirkt, welche die aufkommenden Ringspannungseffekte kompensieren und den Ringschluss 6-endo-selektiv steuern kann. In einer experimentellen Studie wurden hierzu zunächst Bromcyclisierungsreaktionen von 4 Pentenolen unter gezielter Substituentenvariation zur Beobachtung von sterischen und polaren Effekten herangezogen. Diese Selektivitätsstudien hatten den Zweck strukturelle Faktoren heraus-zuarbeiten, mit welchen sich die Regiochemie von Bromcyclisierungen beschreiben lässt und eine selektive Darstellung von Tetrahydropyranen begünstigt werden kann. In Kooperation mit Jens Hartung wurden die experimentellen Untersuchungen durch theoretische Berechnungen der relativen freien Enthalpien eines Satzes Dimethyl-substituierter Tetrahydropyranderivate ergänzt, welche zur Abschätzung der relativen Aktivierungsenergien später Übergangszustände des 6-endo-Ringschlusses dienten. Die experimentellen und die theoretischen Resultate zeigten, dass vor allem axiale Substituenten in 2- und 6-Position des entstehenden Tetrahydropyrangerüstes zu Spannungsenergien führen, welche das System unter verstärkter Bildung des sterisch weniger aufgeladenen Fünfrings zu vermeiden sucht. Vor allem die Bildung 2,2,6,6-substituierter Tetrahydropyranderviate ist dabei energetisch benachteiligt, was bei Synthesen entsprechender Naturstoffderivate zu ungünstigen Selektivitäten führt. Die neuen Erkenntnisse zur Steuerung der Regiochemie durch polare Substituenten konnten im Anschluss bei der Darstellung des Naturstoffs Aplysiapyranoid A und eines 5-Epimers synthetisch genutzt werden.


Im dritten Teil dieser Arbeit gelang erstmals die Realisierung eines Übergangsmetall-katalysierten Verfahrens zur Durchführung oxidativer Chlorcyclisierungen von substituierten 4 Pentenolen unter milden und nachhaltigen Reaktionsbedingungen. Dabei fungieren neuartige Molybdän(VI)- und Titan(IV)-Komplexe als Chloroperoxidase-Modelle für die Generierung elektrophiler Chlorierungsreagenzien aus Pyridiniumhydrochlorid und tert-Butylhydroperoxid in einer Lösung von Dimethylcarbonat bei Temperaturen ab 20 °C. Dieses katalytische System wurde ferner durch ein stöchiometrisches Verfahren ergänzt, welches Kaliumchlorid und Kaliumperoxomonosulfat (Oxone©) zur Erzeugung ähnlich reaktiver Chlorierungsäquivalente nutzt. Neben der guten Eignung für Chlorcyclisierungsreaktionen konnten die Methoden ihre Vielseitigkeit auch bei der Chlorierung von Aromaten, Alkanen sowie allylischer Substrate unter Beweis stellen, wobei die gefundenen Produkte und Selektivitäten auf molekulares Chlor als aktives Chlorierungsmittel hindeuten. In einer ersten synthetischen Anwendung des Verfahrens gelang die Entwicklung einer alternativen Darstellung des Naturstoffs Rosenoxid aus Citronellol in einer Eintopfreaktion.

 

 

Förderzeitraum:
01.07.2007 - 30.06.2010

Institut:
Technische Universität Kaiserslautern

Betreuer:
Prof. Dr. Jens Hartung

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