Untersuchungen zur Bildung und Umweltrelevanz von Phototransformationsprodukten ausgewählter pharmazeutischer Wirkstoffe und Zuckerersatzstoffe in der aquatischen Umwelt

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Marlies Bergheim

In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 40.000 Tonnen Arzneimittel von Ärzten und Krankenhäusern an Patienten abgegeben. Über die Abwässer erreichen die Wirkstoffe die aquatische Umwelt, wo sie als Spurenschadstoffe bekannt wurden. In den Gewässern können sie durch biotische und abiotische Abbau- und Transformationsprozesse strukturell verändert werden, ohne jedoch vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut zu werden. Zu den wichtigsten abiotischen Transformationsprozessen zählen photochemische und photolytische Prozesse, die in Gewässern natürlicherweise durch Sonnenlicht, aber auch bei der Abwasserklärung und der Trinkwasseraufbereitung durch UV-Bestrahlung initiiert werden können. Bei diesen Transformationsprozessen können neuartige Spurenschadstoffe, sogenannte Phototransformationsprodukte, generiert werden. Ihre chemisch-physikalischen Eigenschaften oder möglichen toxischen Wirkungen auf Mensch und Umwelt wurden bisher nur selten erforscht.
Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist daher eine erste Einschätzung zur Bildung sowie des Risikopotenzials dieser bisher noch unbekannten photochemischen und photolytischen Transformationsprodukte (Phototransformationsprodukte) für Mensch und Umwelt vorzunehmen. Dabei stehen Phototransformationsprodukte von Arzneimittelwirkstoffen und Zuckerersatzstoffen im Fokus dieser Arbeit.
In einer umfassenden Literaturrecherche wurden zunächst 19 umweltrelevante Arzneimittelwirkstoffe und vier Zuckerersatzstoffe ausgewählt.
Da nur persistente chemische Verbindungen für eine mengenmäßig relevante Bildung von Phototransformationsprodukten von Bedeutung sind, wurde die Stabilität dieser Verbindungen gegenüber biologischen Abbauprozessen vorab mit drei nach OECD-Norm standardisierten Abbautests (Closed Bottle Test, Manometrischer Respirationshemmtest, Zahn-Wellens Test) geprüft. Alle untersuchten Wirkstoffe konnten als biologisch nicht leicht abbaubar klassifiziert werden. Lediglich zwei Zuckerersatzstoffe wurden im Manometrischen Respirationshemmtest abgebaut. Als potenziell biologisch abbaubar konnten zwei weitere Arzneimittelwirkstoffe eingestuft werden, so dass von den insgesamt 23 untersuchten Wirkstoffen der größte Anteil stabil gegenüber biologischen Abbauprozessen war.
Im Anschluss an die biologischen Abbautests wurden Bestrahlungsexperimente mit einer Xe- und einer Hg-Lampe durchgeführt, um die Phototransformationsprodukte zu generieren, wie sie durch Sonnenlicht, aber auch durch UV-Licht bei den Abwasseraufbereitungsprozessen in Klärwerken oder bei der Trinkwasserdesinfektion entstehen können. Mit der Messung ihrer Absorptionsspektren, des Gehaltes an organischem Kohlenstoff und der Konzentration der Muttersubstanz (Primärelimination) wurde abgeleitet, inwieweit aus den bestrahlten Wirkstoffen tatsächlich Phototransformationsprodukte entstehen. Die Primärelimination wurde mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC), gekoppelt mit UV- und massenspektrometrischen Detektionsverfahren (UV, MS), erfasst. Dabei wurde jedes Chromatogramm auch hinsichtlich der Anwesenheit neuer Signale untersucht, mit denen die Entstehung von Phototransformationsprodukten zusätzlich bestätigt werden konnte.
In den Bestrahlungsexperimenten mit einer Xe-Lampe entstanden nach einer zweistündigen Bestrahlungsdauer weniger Transformationsprodukte als bei Bestrahlung mit einer Hg-Lampe. Die Bestrahlung mit der Hg-Lampe hat die Mehrzahl der untersuchten Wirkstoffe in ihre Phototransformationsprodukte überführt. Deren Stabilität gegenüber bakteriellen Abbauprozessen wurde anschließend wieder im Closed Bottle Test untersucht, wobei alle Phototransformationsprodukte als biologisch nicht leicht abbaubar eingestuft wurden.
Untersuchungen zum Wirkungspotenzial der untersuchten Wirkstoffe und ihrer Phototransformationsprodukte erfolgten in-vitro mit zwei verschiedenen menschlichen Karzinom-Zelllinien, den HepG2 und den HeLa-Zellen. Die Zellviabilität wurde im WST-1-Assay und dem Neutralrot-Assay getestet. Darüber hinaus erfolgte eine Untersuchung der Gentoxizität im FADU-Assay. Mit dem Wachstumshemmtest und dem Leuchtbakterientest wurden außerdem toxische Effekte auf Bakterien untersucht.
Die in-vitro Toxizitätstests ergaben für alle untersuchten Wirkstoffe und ihre Phototransformationsprodukte bei geringen, aber umweltrealistischen Konzentrationen keine Zyto- und Gentoxizität. In den bakteriellen Toxizitätstests wurde beobachtet, dass die antibiotische Wirksamkeit der Fluoroquinolone gegenüber P. putida auch nach zweistündiger Bestrahlung noch in großen Teilen erhalten blieb. Darüber hinaus wurden mehrere Phototransformationsprodukte identifiziert, die in den bakteriellen Tests erheblich höhere toxische Effekte als die Muttersubstanzen zeigten. Diese toxischen Wirkungen der Phototransformationsprodukte wurden in dieser Arbeit erstmals beschrieben und charakterisiert.
 

Förderzeitraum:
01.03.2009 - 29.02.2012

Institut:
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene

Betreuer:
Prof. Dr. Volker Mersch-Sundermann

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