Umweltauswirkungen der Ernährung auf Basis nationaler Ernährungserhebungen und ausgewählter Umweltindikatoren

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Toni Meier

Zusammenfassung

Ziel

Im Mittelpunkt der Arbeit stand das Ziel, den Nahrungsmittel- und Getränkeverzehr in Deutschland auf Basis repräsentativer Daten ökologisch auszuwerten. Dabei konnte auf Verzehrsdaten aus der letzten nationalen Verzehrsstudie (NVSII) im Jahr 2006 zurückgegriffen werden, die eine Auswertung nach Geschlecht, Altersgruppen, sozialer Gruppe und Bundesländern ermöglichte. Zudem wurde das Ernährungsverhalten im Jahr 2006 im Vergleich zu früheren Verbrauchsdaten (1961-2007) sowie im Kontext von Ernährungsempfehlungen (DGE, UGB) und Ernährungsweisen (ovo-lakto-vegetarisch, vegan) ökobilanziell ausgewertet, um Umweltentlastungspotentiale zu bestimmen und Anknüpfungspunkte für umweltpolitische Entscheidungen zu identifizieren.

Material und Methoden

Aufbauend auf repräsentativen Verbrauchs- und Verzehrsstatistiken wurde eine attributive Input-Output Ökobilanz nach ISO 14040/14044 (2006) durchgeführt. Im Bereich der agrarökologischen Bewertung konnte dabei auf das Berichtsmodul ´Landwirtschaft und Umwelt´ aus den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen zugegriffen werden, welches um Ökobilanzdaten aus landwirtschaftlichen Vorleistungen sowie aus nachgelagerten Be-reichen (Verarbeitung, Handel/Transport, Verpackung) erweitert wurde (Untersuchungs-rahmen: cradle-to-store). Zudem konnten Emissionen aus direkten Landnutzungsänderungen und Landnutzung (dLUC, LU) berücksichtigt werden. Die funktionelle Einheit wurde in der Arbeit definiert mit einem Kilogramm verbrauchtem Nahrungsmittel bzw. Getränk. Innerhalb der Analyse wurde zwischen 17 Nahrungsmittel- und sieben Getränke-gruppen differenziert. In Bezug auf Umwelteffekte wurden folgende Indikatoren untersucht: Treibhausgas- und Ammoniakemissionen, Flächenbedarf, Bedarf an blauem Wasser, Phosphorbedarf sowie der Primärenergieverbrauch (PEV).

Ergebnisse

Der Ergebnisteil untergliedert sich in drei Bereiche. Erstens konnten produktgruppenspezifische Umweltprofile erstellt werden, die im groben die Ergebnisse anderer Autoren widerspiegeln: höhere Umweltbelastungen bei tierischen Produkten und niedrigere Belastungen durch die Bereitstellung von pflanzlichen Produkten (Ausnahme: Bedarf an blauem Wasser). Aufbauend auf amtlichen Produktions-, Handels- und Verbrauchsdaten konnten diese umweltspezifischen Faktoren genutzt werden, um zweitens auf Bundesebene zu extrapolieren und die Effekte von Im- und Exporten des deutschen Agrar-Ernährungssektors ernährungsökologisch zu untersuchen. Drittens wurden die erstellten Umweltprofildaten genutzt, um die Verzehrsdaten aus den beiden Nationalen Verzehrsstudien soziodemographisch sowie im Kontext von Ernährungsempfehlungen und Ernährungsweisen zu untersuchen. Einen gebündelten Überblick über die pro Kopf bezogenen Umwelteffekte im Jahr 2006, 1985-89 sowie von den Ernährungsempfehlungen und den Ernährungsweisen gibt Tab. 32 in Meier (2014). In Abb. 77  (ebd.) werden die Unterschiede prozentual dargestellt.

Von den untersuchten Szenarien würden sich die größten Veränderungspotentiale aus der veganen und ovo-lakto-vegetarischen Ernährungsweise ergeben. Die immer noch deutlichen Veränderungspotentiale der Ernährungsempfehlungen des UGB und der DGE rangieren diesbezüglich an dritter und vierter Position. Mit Ausnahme des Bedarfs an blauem Wasser sind dabei die Einsparpotentiale bei den Frauen geringer. Im Vergleich zum Verzehr in den Jahren 1985-89 wurden bei allen Indikatoren, mit Ausnahme des Bedarfs an blauem Wasser, deutliche Umweltentlastungen festgestellt, die sich in erster Instanz aus veränderten Verzehrsgewohnheiten erklären. Umweltveränderungen durch Nahrungsmittelverluste waren demgegenüber geringer und großteils entgegengesetzt, was v.a. auf höhere Verluste in Haushalten und im Lebensmittelhandel im Jahr 2006 gegenüber 1985-89 zurückzuführen ist.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Nicht-nachhaltige Verbrauchs- und Produktionspraktiken führen nicht nur zu einer unerwünschten Beeinflussung von ökologischen Schutzgütern und damit zusammenhängenden Ökosystemleistungen, sondern auch zu einer wesentlichen Belastung der Gesundheitssysteme.  Um entsprechende Zielvorgaben im Bereich Umwelt und Gesundheit möglichst effektiv und widerspruchsfrei zu verfolgen, sollte der Agrar- und Ernährungsbereich aufgrund seines großen Einflusspotenzials als Gesamtsystem betrachtet werden. Vor der Maßgabe einer gesundheitlich optimalen Ernährung stehen zur Reduzierung umweltbelastender Effekte prinzipiell drei Strategien zur Verfügung:

1)         Effizienzsteigerungen durch a) Produktionstechnik in Landwirtschaft, vorgelagerter Industrie und Ernährungsgewerbe sowie in Gastronomie und Haushalten, durch b) landwirtschaftliche Produktionsweise (konventionell, ökologisch, konventionell / ökologisch-optimiert). Dabei sind jedoch Reboundeffekte möglich.

2)         Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten und -abfällen in Produktion und Verarbeitung sowie in Distribution und beim Verbraucher

3)         Umstellung von Ernährungsmustern durch den Austausch ressourcenintensiver durch ressourceneffizientere, jedoch ernährungsphysiologisch gleichwertige Nahrungsmittel und Getränke.

Obwohl in dieser Arbeit nicht direkt untersucht, werden die Einsparpotenziale von technischen Maßnahmen (Effizienzsteigerungen) von anderen Autoren auf unter 20% geschätzt. Werden lediglich die Ertragssteigerungen der weltweit wichtigsten Feldfrüchte Mais, Reis, Weizen und Soja der letzten Jahre in Betracht gezogen, lagen diese durchschnittlich bei lediglich 1,2%  pro Jahr. So reichen diese bei weitem nicht aus, um bei gleichbleibenden Ernährungsmustern, den Nahrungsbedarf von 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu decken.

In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass in Deutschland die Entlastungspotenziale von ver-änderten Ernährungsmustern deutlich darüber liegen und in Abhängigkeit vom untersuchten Indikator bis zu 90% betragen können (Ammoniakemissionen bei einer veganen Ernährung). Werden die relativ moderaten Ernähungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Er-nährung (DGE) zu Grunde gelegt, sind immer noch Entlastungen in Höhe von 15 – 20% zu erwarten. Durch eine Verringerung vermeidbarer Nahrungsmittelabfälle können zudem durchschnittliche Einsparpotentiale in Höhe von 10% erreicht werden. Insgesamt sind mit Blick Umweltentlastungen somit verbrauchsseitige Veränderungen wirksamer als produktionsseitige Maßnahmen.

 

Abstract

Environmental impacts of the food consumption in Germany based on representative subgroup specific intake data

Goal

Principal goal of this study was to analyse the intake of food and beverages in Germany based on representative data from an environmental perspective. Thereby data from the last National Nutrition Survey (NNS) in the year 2006 was used, which allowed a subgroup specific consideration (gender, age groups, social groups and regions).Furthermore, the nutritional habits in the year 2006 were environmentally examined in comparison to former consumption data from 1961 to 2007 (with a special focus to the years 1985-89) and compared in relation to dietary recommendations (D-A-CH, UGB) and dietary styles (ovo-lacto vegetarian, vegan) to determine relevant environmental protection potentials and identify points for policy decisions.

Material and methods

Based on representative consumption and intake data an attributional input-output LCA (life cycle assessment) was conducted according to ISO 14040/14044 (2006). The environmental impact assessment was based mainly on the input-output tables of SEEA (System of Environmental and Economic Accounting), which were complemented by several LCA data sets to consider the impacts of agricultural upstream processes, food imports, food processing, trade/transport and packaging. Thus, the system boundaries are set cradle-to-store. The functional unit considered on the product level refers to 1 kg consumed product. In the analysis between 17 food groups and seven beverage groups were distinguished. As regards environmental impact assessment, global warming potential (GWP) was assessed, which included emissions from direct land use change and land use (dLUC, LU), along with five inventory indicators (ammonia emissions, land use, blue water use, phosphorous use and primary energy use (PEU)).

Results

The result section is divided in three parts. Firstly, environmental profiles on the product level could be elaborated, which underline the findings of other authors: higher environ-mental loads for animal products and lower loads for plant-based products (exception: blue water use). Based on consumption data these environmental factors could be secondly used to extrapolate on national level by generating food supply schemes of environmental impacts (including feeds, imports, exports and industrial usage). Thirdly, socio-demographic factors were analysed by using intake data from both National Nutrition Sur-veys and compared environmentally with dietary recommendations and dietary styles. Table 32 (Meier 2014) gives an overview over the nutrition-related environmental impacts in the year 2006 (incl. gender), 1985-89 and the recommendations as well as dietary styles. Figure 77 (Meier 2014) shows the results relatively.

With regards to the analysed scenarios the highest impact changes would be expected from the vegan and the ovo-lacto vegetarian diet. The impact potentials of the recommendations of UGB and D-A-CH range on the 3rd and 4th position, but are still significant. With exception of blue water the saving potentials of women are lower. In other words, the average female diet is already closer to the recommendations. In comparison to the years 1985-89 all indicators (exception blue water) show lower impacts, mainly derived by changes in the diet. In comparison to that, impact changes due to food losses/wastage were lower and mainly contrarian, which could be mainly explained by higher food wastage (on household and retailer level) in 2006 compared to 1985-89.

Discussion and conclusions

Non-sustainable production and consumption practices lead not only to an undesirable influence on scarce ecological resources and associated ecosystem services, but also to a substantial burden on healthcare and intra-generational tax distribution systems. If the aim is to pursue corresponding environmental and health targets in a manner as effective and consistent as possible, then the agricultural and food sector should be viewed as an overall system because of its considerable potential impact. Bearing in mind the requirement to support a diet that is as healthy as possible, three basic strategies are available in order to reduce environmentally harmful effects:

1.) Efficiency improvements by way of a) production technology in agriculture, upstream sectors and the food industry as well as in restaurants and households, by way of b) agricultural production methods (conventional, organic, conventional/organic optimised). However, rebound effects are possible here.

2.) Avoidance of food losses and wastage in production and processing as well as in distribution and in the use-phase.

3.) Changes in dietary patterns by replacing resource-intensive food and beverages with more resource-efficient and yet equally nutritious alternatives.

Although not directly examined in this thesis, the saving potentials of technical changes (efficiency improvements) are estimated by other authors to be below 20 %. Taking just the yield increases of the past few years of the world’s most important crops – maize, rice, wheat and soy – into consideration, these amounted to just 1.2 % per year on average. As such, if dietary patterns remain unchanged then these will not be enough by far to meet the nutritional requirements of 9 billion people in the year 2050. It was shown in the thesis that in Germany the potential to reduce the environmental burden by changing eating habits is far higher, and depending on the indicator investigated may be up to 90 % (ammonia emissions with a vegan diet). If the relatively moderate dietary recommendations of the German Nutrition Society (DGE) are taken as a basis, then reductions of around 15–20 % can still be expected. Furthermore, reducing avoidable food wastage could achieve an average saving potential of 10 %. Overall, in terms of environmental benefits, consumption-side changes are more effective than taking action on the production side.

 

Veröffentlichungen

Im Rahmen der Dissertation sind folgende peer-reviewte Fachartikel erschienen:

Meier, T., O. Christen (2012): Gender as a factor in an environmental assessment of the consumption of animal and plant-based foods in Germany. In: International Journal of Life Cycle Assessment 17 (5): 550 – 564

Meier, T., O. Christen (2013): Environmental Impacts of Dietary Recommendations and Dietary Styles: Germany As an Example. In: Environ. Sci. Technol 47 (2): 877–888

Meier, T., O. Christen, E. Semler, G. Jahreis, L. Voget-Kleschin, A. Schrode, M. Artmann (2014): Balancing virtual land imports by a shift in the diet: Using a land balance approach to assess the sustainability of food consumption. In: Appetite 74: 20-34

 

Populärwissenschaftliche Zusammenfassung der Ergebnisse:

Meier, T. (2014): Umweltschutz mit Messer und Gabel - Der ökologische Rucksack der Ernährung in Deutschland. oekom-Verlag, München

 

Weitere Veröffentlichung unter: www.nutrition-impacts.org/index.php/publications

Förderzeitraum:
01.10.2009 - 30.09.2012

Institut:
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Naturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften

Betreuer:
Prof. Dr. Olaf Christen

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