Letzter Ausweg Genetik (?) - Ist die brandenburgische Smaragdeidechse (Lacerta viridis) durch Inzuchtdepression vom Aussterben bedroht?

Stipendiatin/Stipendiat: Ellen Marzahn

Die Smaragdeidechse (Lacerta viridis) ist in Deutschland eine besonders geschützte und vom Aussterben bedrohte Art. Die kleinen deutschen Inselvorkommen von Lacerta viridis lassen sich auf eine Einwanderung aus Südeuropa während des postglazialen Wärmeoptimums zurückführen. In Brandenburg sind in den letzten 50 Jahren die Bestände dramatisch zurückgegangen, obwohl durch eine steigende Sonnenscheindauer im Zuge der Klimaerwärmung das Gegenteil zu erwarten wäre. Da die Vorkommen trotz massiver Habitatverbesserungen innerhalb der letzten 20 Jahre unvermindert stark zurückgehen, kam der Verdacht auf, dass Inzuchtdepression eine Rolle spielen könnte. Heute existieren nur noch drei brandenburgische Wildpopulationen. Bislang wurde jede dieser Populationen als völlig distinkte Einheit gemanagt und der Austausch von Individuen strikt vermieden, um mögliche lokale Anpassungen nicht durch Auszuchtdepression zu gefährden.

Drei langjährig vom Landesumweltamt Brandenburg gehaltene Zuchtlinien mit genauem Stammbaum und unterschiedlichem Inzuchtgrad (autochthone brandenburgische Tiere) sowie eine weitere dort gepflegte Zuchtlinie aus dem Kernareal auf dem Balkan (Serbien) bieten die Möglichkeit, ein molekulares Markersystem zur Ermittlung des Inzuchtgrades zu etablieren, das an den Gefangenschaftstieren „geeicht“ werden kann. Die hier gewonnenen Erkenntnisse können auf die brandenburgischen Wildpopulationen übertragen werden, um deren Inzuchtgrad zu ermitteln. Probenentnahmen an Zucht- wie Wildtieren können hierzu minimalinvasiv über Schleimhautabstriche erfolgen.


Eine erste Untersuchung der Zucht- und Wildpopulationen mit Hilfe des Cytochrom b – Genes bestätigte unsere Vermutung, dass keine signifikante Unterschiede zwischen den Populationen gibt. Die serbische Referenzpopulation wies ebenfalls den gleichen Haplotypen wie die brandenburger Tiere auf. Im Gegensatz dazu, liefern die Mikrosatellitendaten auf den ersten Blick ein anderes Bild. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Populationen. Die genaue Auswertung dieser Daten ist noch nicht abgeschlossen. Bei den in der Naturschutzstation Rhinluch seit Anfang der 90er Jahre gehälterten Individuen der brandenburger Smaragdeidechse konnte anhand der Zuchtbücher nachgewiesen werden, dass in den letzten Jahren eine deutliche Abnahme in Bezug auf Anzahl an gelegten und befruchteten Eiern zu verzeichnen war. Des Weiteren sank die Zahl, der aus den befruchteten Eiern geschlüpften Individuen dramatisch (Schlupfrate). Um diesen Trend aufzuhalten wurden ab 2006 vereinzelt Tiere aus den brandenburger Wildpopulationen in die Station aufgenommen. Einige dieser Tiere wurden mit Individuen der alten „Inzuchtlinie“ verpaart, um die möglicherweise negativen Auswirkungen der Inzucht zu kompensieren. In den darauf folgenden Jahren konnte innerhalb dieser „Auszuchtlinie“ eine deutliche Verbesserung der verschiedenen Parameter beobachtet werden. Weiterhin wurde ab 2006 eine so genannte „Frischblutlinie“ etabliert. Hier wurden Tiere aus den brandenburger Wildpopulationen unter kontrollierten Laborbedingungen miteinander verpaart. Wie zu erwarten war, ist in dieser Linie der Anteil an gelegten und befruchteten Eiern, sowie geschlüpften Tieren am höchsten. Sowohl in der „Auszucht-“, als auch in der „Frischblutlinie“ ist ein positiver Trend in Bezug auf die Schlupfrate zu verzeichnen. Die Heterozygotie – Fitness – Korrelation kann erst nach Abschluss der Mikrosatellitenuntersuchungen erfolgen. Wir erwarten, dass es hier eine klare Korrelation zwischen erhöhtem Inzuchtgrad und verminderter Schlupfrate geben wird. Trotz der stetigen Abnahme der Populationsdichte, befinden sich die brandenburger Wildpopulationen in einem guten Gesundheits- und Ernährungszustand. Nur vereinzelt wurden auffällige Tiere beobachtet z.B. ein Albino – Weibchen (subadult) oder ein stark melanistisches Männchen (adult). In allen drei Wildpopulationen wurden jedoch nur wenige Juvenile beobachtet. Die diesjährigen Mikrosatellitenanalysen sollen Aufschluss darüber geben, ob die geringe Anzahl an Juvenilen möglicherweise eine Folge der Inzucht sein könnte. Zusätzlich soll die Populationsstruktur der brandenburger Smaragdeidechse an sich untersucht werden.

In Kooperation mit Prof. Dr. Werner Mayer von dem Naturhistorischen Museum Wien wurden die von ihm begonnenen phylogeographischen Untersuchungen am Lacerta viridis – und L. bilineata - Komplex beendet. Somit sollte es möglich sein, genauere Aussagen bezüglich einer genetischen Isolation der brandenburger Populationen von dem Hauptvorkommen der Art zu erzielen. Hierfür habe ich zusätzliche Proben von Lacerta viridis und L. bilineata aus verschiedenen Ländern mittels des Cytochrom b und des ß – Fibrinogen – Intron7 untersucht. Die Analysen zeigen eine deutliche Unterteilung des Phylogrammes in vier gut unterstützte Linien: L. bilineata, L. v. meridionalis, L. viridis spp. sowie die bereits von M. U. Böhme et al (2007) publizierte Adria - Linie. Die tiefen Verzweigungsmuster konnten jedoch nicht zufriedenstellend aufgelöst werden, sondern zeigen eine deutliche Polytonie des Lacerta viridis / bilineata - Komplexes.

Die brandenburger Smaragdeidechsen unterscheiden sich im Cytochrom b nicht wesentlich von dem Hauptvorkommen der Linie L. v. viridis (2) in Mittel- und Osteuropa. Erstmalig konnte gezeigt werden, dass die türkischen Smaragdeidechsen (L. v. meridionalis) ein eigenständiges Monophylum bilden, welches außerhalb der übrigen L. viridis spp. geclustert wird. Auch die entlang der adriatischen Küste lebenden Smaragdeidechsen bilden ein gut unterstütztes Monophylum (Adria – Linie). Dies wurde bereits von M. U. Böhme et al. (2007) als „West – Balkan“ – Klade bzw. Lacerta „Adria“ etabliert. Das untersuchte Kerngen (ß – Fibrinogen – Intron7) weist eine hohe Variabilität auf. Eine eindeutige Differenzierung zwischen den Arten bzw. Unterarten war mittels Gelelektrophorese nicht möglich. Im Gegensatz zu den Voruntersuchungen wiesen alle untersuchten Linien, bis auf die türkischen Lacerta v. meridionalis, sowohl Homozygote als auch Heterozygote bezüglich des Genes auf. Interessant war hierbei, dass Individuen innerhalb Lacerta bilineata und der Adria – Linie existieren, die entweder nur das kurze oder das lange Allel besitzen. Die türkischen Lacerta v. meridionalis besaßen durchgängig nur das lange Allel, waren somit stets homozygot bezüglich diesen Genes. Innerhalb der langen sowie der kurzen Genvarianten existieren charakteristische Substitutionen zwischen den Populationen. Dadurch konnte Genfluss zwischen den potenziellen Arten bzw. Unterarten nachgewiesen werden.

 

Mit Blick auf die Gefährdungssituation der Smaragdeidechse in den schützenswerten Reliktvorkommen Brandenburgs hat das hier vorgestellte Projekt das Ziel, Grundlagen für die Erarbeitung neuer Handlungsrichtlinien für das Populationsmanagement zu liefern. Zusätzlich werden im Rahmen der Untersuchungen wichtige Fragen zum Artstatus der östlichen und westlichen Smaragdeidechse geklärt. Bisher existieren zwei Smaragdeidechsenarten in Deutschland. Auf Grund aktueller Untersuchungen, wird der Artstatus dieser zwei Taxa jedoch stark angezweifelt. Sollte sich bestätigen, dass es sich nicht um zwei verschiedene Arten handelt, hätte dies ebenfalls Konsequenzen für die in ganz Deutschland durchgeführten Schutzmaßnahmen der Smaragdeidechsen.
 

Förderzeitraum:
01.05.2011 - 30.04.2016

Institut:
Universität Leipzig
Institut für Biologie II
AG Molekulare Evolution und Systematik der Tiere

Betreuer:
Prof. Dr. Martin Schlegel

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