Subletale Wirkungen von Oxalsäure in Kombination mit Zuckerwasser oder Glycerin auf Apis mellifera: Untersuchung der Toxizität, der Pharmakodynamik, des Verhaltens und der Lebensdauer sowie der Rückstände auf Bienen und Beutenmaterial

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Saskia Schneider

Die durch die parasitäre Milbe Varroa destructor ausgelöste Varroose stellt heute eines der größten Probleme in der Bienenzucht und –haltung dar. Um die Anzahl der Parasiten im Bienenvolk unterhalb der Schadensschwelle zu halten und eine Ausbreitung der Milben zu vermeiden, müssen die Völker vom Imker gegen die Varroose behandelt werden. Oxalsäure als Wirkstoff stellt eine wichtige Komponente dieser Behandlungen dar. In meiner Diplomarbeit konnte ich bereits subletale Effekte der Säure auf die Bienen zeigen. Da das Medikament in der Praxis durch Kombination von Oxalsäuredihydrat mit Zuckerwasser angesetzt wird, kann eine orale Aufnahme der Lösung durch die Bienen nicht ausgeschlossen werden. Diese kann zu einer erhöhten Mortalität durch die orale Toxizität der Säure führen und somit die Effekte der Säure auslösen oder verstärken.
Um Bienen von den nicht auszuschließenden Nebenwirkungen beim breiten Einsatz des Medikamentes zu schützen und Nachteile für die Völker auszuschließen, war es das Ziel dieser Arbeit die subletalen Effekte der klassischen Behandlung mit Oxalsäuredihydrat in Kombination mit Zuckerwasser (OAS) aber auch in Kombination mit dem Zuckerersatzstoff Glycerin 45% (OAG) auf das Volk und die Einzelbiene in einem möglichst weiten Spektrum zu erfassen.
Für alle Versuche, mit Ausnahme der Rückstanduntersuchungen am Volk, wurden die Bienen individuell im Labor behandelt. Dabei erhielt jede Biene 5µl OAS bzw. OAG auf die Unterseite des Abdomens aufgeträufelt (Oxalsäuredihydrat Dosis:175µg/Biene). Die Kontrollen erhielten Glycerin 45% (G) oder Zuckerwasser (K).

 

In der Arbeit wurden möglichst verschiedene Parameter untersucht: Für Veränderungen in Futteraufnahme wurden Honigblase, Mittel- und Enddarm präpariert und auf einer Feinwaage gewogen (n=80) sowie die Futteraufnahme pro Tier in Einzelfütterungen ermittelt (n=125). Die Empfindlichkeit gegenüber Wasser und aufsteigende Zuckerkonzentrationen wurde mit Hilfe der Proboscis Extension Reaction (PER) überprüft (n=100). Die motorische Aktivität der Tiere wurde in einer vertikal aufgestellt, von oben beleuchtet Box untersucht aufgenommen (n=40). In einem Schauvolk wurden Verhalten und Lebensdauer unter volksähnlichen Bedingungen erfasst. Parallel dazu wurde die Lebensdauer auch unter Laborbedingungen aufgenommen (n=100). Die Aufnahme des Flugverhaltens erfolgte mit Radio Frequenz Identifikation, mit der Daten über das Aus- und Heimflugverhalten der Bienen gesammelt wurden (n=100). Neben den subletalen Effekten der Säure wurden auch ihre Rückstände auf der Einzelbiene optisch unterm Binokular und quantitativ mit dem Oxalsäure-Kit Enzytec™ erfasst (n=60). Durch Computertomographie erfolgten die Visualisierung der Verteilung im Volk und Dichtemessungen an der Einzelbiene (n≤600).

Die Behandlung mit Oxalsäure verursachte für beide Formulierungen subletale Effekte auf Apis mellifera. Diese äußerten sich in einer veränderten Futteraufnahme, einem erhöhten Wasserbedarf, Veränderungen im Flugverhalten und einer verkürzten Lebensdauer unter Labor- sowie volksnahen Bedingungen. Auf die Motorik und phototaktische Aktivität der Biene hatte die Behandlung keinen Einfluss. Bei den Beobachtungen im Schauvolk konnten Veränderungen im Stockverhalten, wie sie in der Diplomarbeit für OAS beobachtet wurden, für die Formulierung Oxalsäure in Glycerin 45% nicht nachgewiesen werden.

Die erhöhte Sensibilität auf Wasser 24h nach Behandlung (p≤0,004; Mc Nemar’s Test) lässt eine Übersäuerung der Bienen vermuten, die sie durch vermehrte Wasseraufnahme versuchen auszugleichen und spiegelte sich in der gesteigerten Aufnahme von Zuckerwasser in den Einzelfütterungen (Versuch: Veränderungen in der Futteraufnahme) wieder (p≤0,005, H≥20, DF=3, Kruskal-Wallis One Way ANOVA on Ranks). Die Aufnahme festerer Nahrung, wie Futterteig war dagegen zum Teil verringert (p≤0,001, H≥72,609, DF=3, Kruskal-Wallis One Way ANOVA on Ranks).

Die Veränderungen im Flugverhalten zeigten sich in einer verringerten Ausflugsrate sieben Tage nach Behandlung (p≤0,03, t≥2,83, paired t-test) und einem verringerten Anteil an Flugbienen (p≤0,043, z≥2,024, z-test). Zusammen mit der verkürzten Lebensdauer im Labor (p≤0,001, Statistik-Wert=355,577, DF=3, Kaplan-Meier Survival Analysis Gehan-Breslow) und Schauvolk (p≤0,003, Statistik-Wert=11,852, DF=2, Kaplan-Meier Survival Analysis Gehan-Breslow) weisen die Ergebnisse auf eine allgemeine Beeinträchtigung der Tiere nach der Behandlung hin, die unterschiedlich ausgeprägt sein kann und sich nicht in allen Versuchsdurchgängen manifestierte. Der genaue Wirkmechanismus der Oxalsäure auf die Biene ist nicht bekannt. Da die gefundenen Effekte auch bei der Kombination mit Glycerin auftreten, ist nicht davon auszugehen, dass sie über eine Ingestion durch Auflecken der Säure durch die Biene verursacht werden, da Bienen Glycerin nicht freiwillig aufnehmen. Somit unterstützen die Ergebnisse die Vermutungen von Nozal, dass die Säure durch die Kutikula dringt. Dies würde auch die erhöhte Mortalität der Jungbienen (p≤0,033, z≥2,131, z-Test), die durch ihre nach weichere Kutikula empfindlicher reagiert haben könnten, erklären.

Neben diesen Effekten wurde ein verstärktes Putzen nach Applikation beider Formulierungen beobachtet (p≤0,009, H≥13,398, DF=4, Kruskal-Wallis One Way ANOVA on Ranks), welches bei Bienen, die mit Oxalsäure in Zuckerwasser behandelt waren, länger anhielt. Während sich Oxalsäure in Glycerin schnell und gleichmäßig auf dem Körper der Bienen verteilt und nicht auftrocknet, bildet die Oxalsäure in Zuckerwasser beim Auftrocknen Kristalle und ein Grund dafür sein können, dass das Putzen der Bienen der OAS Gruppe länger anhielt Im Computertomographen zeigte die Visualisierung der Verteilung beider Formulierungen eine erhöhte Dichte der Einzelbienen bis zu zwei Wochen nach Behandlung (p≤0,001, H≥195,198, DF=3, Kruskal-Wallis One Way ANOVA on Ranks), die im OAG Volk über die Zeit nicht abnimmt und auf ein Vorhandensein der Säure im Volk hinweist. Ergänzend dazu waren Rückstände der Oxalsäure bis zu zwei Wochen auf den Bienen im Volk und bis zu fünf Wochen auf dem Material mit den Enzym-Kits nachweisbar. Das bedeutet, dass Bienen auch lange nach der Behandlung noch mit der Wirksubstanz in Kontakt kommen können.

Da Oxalsäure als Winterbehandlung im November/Dezember eingesetzt wird, sind vor allem die langlebigen Winterbienen betroffen, deren Überleben ausschlaggebend für den erfolgreichen Start des Volkes ins Frühjahr ist. Eine verkürzte Lebensdauer konnte auch unter volksnahen Bedingungen wie bei den Beobachtungsversuchen und der Untersuchung des Flugverhaltens festgestellt werden. Es ist denkbar, dass dieser Effekt der Behandlung auf vitalen Bienen im Volk schwächer ausfällt, da es in der Lage ist Effekte bis zu einem gewissen Grad abzupuffern.

Die in dieser Arbeit belegten subletalen Effekte der Oxalsäure auf Apis mellifera können die Gesundheit des Bienenvolkes beeinträchtigen, da eine Schädigung des Individuums auch immer Auswirkungen auf die Gruppe hat. Diese Nebenwirkungen stehen der akarizide Wirksamkeit der Oxalsäureapplikation am Volk gegenüber. Die Vorteile der Effektivität von Oxalsäure gegen die Milbe überwiegen die Nachteile. Alternativ einzusetzende Präparate weisen gegenüber Oxalsäure erhebliche Nachteile auf. Die Erkenntnisse dieser Arbeit helfen, die Auswirkungen der Behandlung auf die Völker besser einschätzen zu können und bilden den Ausgangspunkt für eine Optimierung des Tierarzneimittels.

Ohne eine Behandlung der Bienenvölker gegen den Parasiten Varroa destructor ist die Erhaltung von Apis mellifera nicht möglich.

 

 

Förderzeitraum:
01.09.2011 - 31.03.2015

Institut:
Freie Universität Berlin
Institut für Biologie
Fachbereich Neurobiologie

Betreuer:
Prof. Dr. Hans-Joachim Pflüger

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