Energiewende, Diskurs und Raum – Der Einfluss von diskursiver Macht und räumlichen Verteilungen auf Transformationen am Beispiel der Energiewende von Holz zur Steinkohle im deutschsprachigen Raum während des 18. und 19. Jahrhunderts

Stipendiatin/Stipendiat: Torben Flörkemeier

Die Realisierung der heutigen Energiewende von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen befindet sich derzeit noch in einer kontrovers diskutierten Aushandlungsphase. Die verschiedenen Akteure und damit auch die wissenschaftlichen Beobachter werden in ihrem Handeln wesentlich durch ihren normativen Standpunkt beeinflusst. Dennoch bedarf es eines besseren Verständnisses der politischen, institutionellen und kulturellen Bedingungen und Zusammenhänge. Insbesondere der Einfluss von räumlichen Verteilungen und Pfadabhängigkeiten, sowie Machtkonstellationen und diskursiven Strategien ist unklar. Deshalb wird die kritisch-analytische Retrospektive auf historisch abgelaufene transformative Prozesse zunehmend wissenschaftlich relevant. Entsprechend fordert der WBGU eine (historische) Transformationsforschung, welche darlegt, ob und in wieweit historisches Wissen aus vergleichbaren Prozessanalysen der Vergangenheit gezogen und wegweisend bzw. gewinnbringend für den aktuellen Transformationsprozess genutzt werden kann.

Die Energiewende von regenerativen zu fossilen Energieträgern während der Industrialisierung in Deutschland stellte eine tiefgreifende sozio-technische Transformation ähnlich der heutigen Energiewende dar. Eine geschichts-, politik- und umweltwissenschaftliche Analyse dieses abgeschlossenen Transformationsprozesses lässt im Gegensatz zur gegenwartsbezogenen Transformationsforschung eine objektivere Betrachtung zu. Deshalb ist das Forschungsziel dieses Dissertationsvorhabens anhand einer historisch-kritischen Diskursanalyse vielfältiger Quellen aufzuzeigen, welchen Einfluss diskursive Macht und räumliche Verteilungen von Ressourcen und Infrastrukturen auf die Energiewende von Holz zur Steinkohle zwischen 1770 und 1900 hatten, um dadurch die Transformationsforschung konzeptionell zu erweitern.

Die dabei identifizierten diskursiven und geographischen Einflussfaktoren sind dann daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie der aktuell betriebenen Energiewende in Deutschland eine Rolle spielen könnten. Die konzeptionelle Erweiterung der Transformationsforschung und der dabei entwickelte Analyserahmen bilden den Grundstein für eine Bewertungsmatrix.

Basierend auf dem wissenschaftstheoretischen Rahmen der Transitionsforschung, erweitert durch interdisziplinäre Konzepte, soll das gesetzte Forschungsziel durch zwei parallele, sich ergänzende Vorgehen erreicht werden:
Einerseits werden historische Quellen bezüglich der vorhandenen Diskurse und diskursiven Koalitionen recherchiert, erfasst und qualitativ ausgewertet. Zudem werden Aussagen über die räumliche Verteilung von Ressourcen sowie Infrastrukturen analysiert. Anhand eines Vergleiches von zwei verschiedener Räume - Grafschaft Nassau-Saarbrücken und Fürstentum Lippe - und derer unterschiedlichen Ausstattungen lassen sich deren Einfluss auf Veränderung der Energieversorgungssysteme im Zuge der Industrialisierung nachzeichnen.

Andererseits wird die Transitionsforschung durch theoretische Konzepte ergänzt, um hinsichtlich der sozialen und geographischen Einflussfaktoren auf Transitionsprozesse sowohl die Bedeutung von geteilten Visionen und Institutionen zu betonen, als auch die räumliche Verteilung von Ressourcen und Infrastrukturen zu berücksichtigen. Dieser Analyserahmen soll dann wiederum verwendet werden, um die historische Quellen zielgerichteter auszuwählen und auszuwerten. Die parallele Analyse der historischen Transitionsprozesses und Weiterentwicklung des theoretischen Analyserahmens soll objektivere, reliable und zukunftsweisende Hinweise für aktuelle Transformationen, insbesondere die Energiewende in Deutschland, liefern.

Methodisch werden die Quellen mithilfe der historisch-politischen Analyse und der Argumentative Discourse Analysis (ADA) nach Hajer, welche den Autor, die Adressaten, das Zieles und den Kontext der Quelle genau betrachten, untersucht, ausgewertet und interpretiert.

Im Zuge der diskursanalytischen Auswertung von Sekundärquellen zu Industrialisierung und der Mensch-Umwelt-Beziehung im 19. Jahrhundert konnten erste Befunde festgestellt werden, die jedoch nicht verallgemeinerbar sind. Es ist eine diskursive Allianz zwischen staatlichen und wissenschaftlichen Akteuren im Zuge der historischen Energiewende festzustellen. Ebenso spielt der Bergbau eine entscheidende Rolle im Transitionsprozess.

Förderzeitraum:
01.12.2014 - 30.09.2017

Institut:
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Institut für Forstwissenschaften Professur Wald- und Forstgeschichte

Betreuer:
Prof. Dr. Uwe Eduard Schmidt

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