Psychologisches Empowerment von Engagierten im Umweltschutz - wie können individuelle, partizipatorische und kollektive Wirksamkeit Umweltverhalten und Engagement stärken?

Stipendiatin/Stipendiat: Karen Hamann

Weltweit bekunden Klimaforscher*innen, dass Umweltveränderungen wie Klimawandel und Biodiversitätsverluste anthropogen, also durch den Menschen verursacht, sind. Die Psychologie als Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten wird deshalb zukünftig eine entscheidende Rolle einnehmen. In den letzten Jahrzehnten beschäftigte sich die Umweltpsychologie mit der Frage, was Menschen zu umweltschützendem Verhalten bewegt. Maßnahmen zu Einstellungsänderung zeigten ihre Begrenzung, weil sie häufig nur in schwachem Zusammenhang mit umweltschützenden Handlungen standen. Deshalb wird mein Promotionsvorhaben sich mit drei bedeutsamen psychologischen Konstrukten beschäftigen, die diese Einstellungs-Verhaltens-Lücke teilweise erklären und schließen können: individuelle, kollektive und partizipatorische Wirksamkeit.

Individuelle Wirksamkeit (auch: Selbstwirksamkeit) ist die Überzeugung, erfolgreich handeln zu können, um bestimmte Ziele zu erreichen. Sie hat sich in vielen Studien als guter Prädiktor für Umweltverhalten erwiesen. In den letzten Jahren unterstrichen einige Forscher*innen jedoch die Relevanz eines kollektiven Wirksamkeitserlebens, das die Paralyse durch persönliche Hilflosigkeit verringert. Kollektive Wirksamkeit ist der Glaube, durch gemeinsame Anstrengung ein Gruppenziel zu erreichen. Sie ist einer der besten Prädiktoren für die Verhaltensintention, sich an kollektiven (Umweltschutz-)Aktionen zu beteiligen (r = .34). In zwei Studien stellte sich überdies heraus, dass kollektive Wirksamkeit ein wesentlich besserer Prädiktor für individuelles Umweltverhalten ist als Selbstwirksamkeit. Grenzen der kollektiven Wirksamkeit liegen in der Annahme, dass die Verhaltensmotivation sinkt, wenn meine Gruppe ihr Ziel auch ohne mein Zutun erreicht. Deshalb bildet partizipatorische Wirksamkeit eine Brücke zwischen individueller und kollektiver Wirksamkeit mit dem Gefühl, als Individuum einen inkrementellen Beitrag zum Gruppenziel leisten zu können. In neueren Studien wurde ein zusätzlicher Vorhersagewert der partizipatorischen Wirksamkeit deutlich, der über den Effekt von kollektiver Wirksamkeit hinausgeht, ihn oft sogar eliminiert. Den folgenden wissenschaftlich bedeutsamen Fragen widmet sich daher mein Promotionsvorhaben:

(I) Welchen Einfluss haben Wirksamkeitserwartungen bezüglich diverser Ziele auf tatsächliches Umweltverhalten? (II) Welche Prädiktoren der Wirksamkeitserwartungen existieren? (III) Unter welchen Bedingungen des Wirksamkeitserlebens wird Umweltengagement (z.B. in einer Umweltgruppe) aufrechterhalten und führt zu einem Spillover-Effekt auf individuelles Umweltverhalten (z.B. Ernährungsverhalten)? Um Forschungsfrage I und II zu testen, werden vier randomisierte Experimente durchgeführt. Darin werden die Wirksamkeitssalienz bzw. -stärke experimentell manipuliert, z.B. indem Proband*innen kurze Berichte über die Bedeutsamkeit der Gruppe oder des Individuums zum Erreichen verschiedener Umweltschutzziele lesen. Um Forschungsfrage III zu beantworten, werden die Umweltbewusstseinsstudien 2014 und 2016 ausgewertet und eine umfangreiche Panel-Befragung über mindestens drei Erhebungszeitpunkte durchgeführt.

Der Großteil bisheriger Forschung zu Wirksamkeitserwartungen sind einmalige korrelative Fragebogenstudien, die keine kausalen Aussagen zulassen und oft nur Verhaltensintention messen. Durch die vier Experimente und die Panel-Befragung mit tatsächlichen Verhaltensmaßen können Schlussfolgerungen über Kausalität, Reziprozität sowie über längsschnittliche Effekte bei jungen Konstrukten wie kollektiver und partizipatorischer Wirksamkeit getroffen werden. Zudem werden innovative Teilaspekte wie Zieldefinitionen und das Zusammenspiel mit positiven Emotionen betrachtet. Damit trägt das Promotionsvorhaben maßgeblich zur umweltpsychologischen Wirksamkeitserwartungsforschung bei. Neben dem vielversprechenden Forschungsgegenstand wird dem Vorhaben durch den Schwerpunkt des Umweltengagements praktische Relevanz verliehen.

Bisherige Erkenntnisse, die aus dieser Forschungsarbeit hervorgegangen sind:

  • Selbstwirksamkeit wird in Studien sehr unterschiedlich operationalisiert. Es gilt, verhaltensbezogene Wirksamkeit (z.B. „ich kann recyclen“) von zielbezogener Wirksamkeit (z.B. „ich kann zum Umweltschutz beitragen“) zu unterscheiden.
  • Operationalisierungen variieren in Studien sowohl in ihren beinhalteten Akteuren, Verhaltensweisen oder auch Zielen, was eine Akteur*in-Verhaltens-Ziel-Theorie der Selbstwirksamkeit nahelegt
  • Positive Affekte, die mit Wirksamkeit in Bezug stehen, scheinen ein neues Forschungsfeld zu eröffnen, mit dem Umweltverhalten vorhergesagt werden kann
  • Privates Umweltverhalten kann eher durch eine Selbstwirksamkeit, die ein bestimmtes Verhalten beinhaltet, gestärkt werden. Öffentliches Umweltverhalten wird vor allem durch kollektive Wirksamkeit beeinflusst. Aktivistisches Verhalten ist u.a. darin begründet, daran zu glauben, dass man selbst andere motivieren kann.
  • Insgesamt scheint es leichter, Wirksamkeitserwartung zu senken und herausfordernd, diese zu stärken.
  • Das Wandercoaching vom netzwerk n e.V. ist eine effektive Maßnahme, um Wissen, Gruppenzugehörigkeit, Wirksamkeitswahrnehmungen und –gefühle zu fördern.
  • Die Vorbedingungen von Selbstwirksamkeit und kollektiver Wirksamkeit sind vielfältig – wesentlich vielfältiger als sie momentan in psychologischer Forschung gehandelt werden. Eine gute qualitative Übersicht über Vorbedingungen gibt sowohl Ansätze für neue quantitative Forschung als auch Interventionsplanung.