Modellierung der thermochemischen Be- und Entladung von beschichteten Calciumhydroxidgranalien

Stipendiatin/Stipendiat: Dr. Klaus Afflerbach

Die thermochemische Wärmespeicherung bietet aufgrund hoher Speicherdichten beträchtliche Potenziale zur Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Seiten der Energieerzeugung und -verwendung sowie für den mittelfristigen Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen. Gleichzeitig ist die Materialentwicklung für das Reaktionssystem Calciumoxid / -hydroxid, dessen reversible energetische Be- und Entladung mit der Freisetzung bzw. Aufnahme von Wasserdampf einhergeht, weiterhin Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten. Aufgrund der hohen Agglomerationsneigung des pulverförmigen Materials, die einen technischen Speicherprozess signifikant beeinträchtigt, steht die Entwicklung von Partikeln persistenter Größe im Fokus der Materialforschung. Zur zielgerichteten Materialmodifikation für technische Applikationen ist eine Verknüpfung anwendungsseitiger Randbedingungen und -anforderungen mit der grundlagenorientierten Materialentwicklung erforderlich. Hier setzt das Ziel dieser Arbeit an, die Vorgänge im Wärmespeichermaterial selbst durch die Definition eines mathematischen Reaktionsmodells für Partikel mit stabilisierender Hüllschicht abzubilden, um so mögliche Pfade der Entwicklung zu beleuchten und zu bewerten.

Das Partikelreaktionsmodell basiert auf einem Unreacted Shrinking Core Ansatz. Die Validierung erfolgt mehrstufig gegenüber experimentellen Ergebnissen aus der Simultanen Thermischen Analyse. Durch die mehrstufige Validierung, die zuerst den Abgleich von Experiment und Modell für unbeschichtete Granalien berücksichtigt, werden die Freiheitsgrade zunächst auf die Materialparameter des reaktiven Partikelkerns begrenzt. Im Rahmen der anschließenden Parametervariation wird gezeigt, dass die prozesstechnischen Größen Temperatur und Wasserdampfpartialdruck signifikanten Einfluss auf die erforderliche Verweilzeit des Speichermaterials im Reaktor nehmen. Die Erhöhung der Beladungstemperatur von 540 °C auf 580 °C führt bei 500 mbar Wasserdampfpartialdruck zu einer Reduktion der Verweilzeit von rd. 2 s/K, während die Entladung durch eine Erhöhung des Wasserdampfpartialdrucks von 500 mbar auf 800 mbar bei 350 °C Gastemperatur um rd. 0,25 s/mbar beschleunigt werden kann. Auf materialtechnischer Seite wirkt sich die Partikelgröße ebenso wie die Kernporosität signifikant aus. Die Halbierung des Referenzdurchmessers des gekapselten Speichermaterials von 2 mm auf 1 mm führt zu einer rd. 30 % verringerten Verweilzeit bei der Speicherentladung sowie rd. 55 % bei der Beladung. Die Verdopplung auf 4 mm führt zur Verdoppelung der Verweilzeit bei der Ent- bzw. Verdreifachung bei der Beladung. Durch die Erhöhung der Kernporosität auf 40 % sind reduzierte Verweilzeiten von rd. 13 % bei der Entladung bis 26 % bei der Beladung realisierbar, während eine Kernporosität von 10 % die Reaktion um rd. 45 % bzw. 88 % verlangsamt. Hier wird gezeigt, dass der Stoffübergang durch Diffusion im Partikelkern die Feststoffkonversion trotz geringer Wärmeleitfähigkeit des Kerns weitaus stärker beeinflusst als der Wärmeübergang. Insgesamt weist der Status quo durch die Beschichtung der Granalien mit pyrogenem Aluminiumoxid im Vergleich zur bisher applizierten keramischen Kapselung auf Basis von Blähton eine gute Ausgangsbasis auf. Aufgrund der geringen Beschichtungsstärke von rd. 30 Î¼m wirkt sich auch eine Reduktion der Beschichtungsporosität nicht nennenswert aus, so dass hier die Möglichkeit besteht, z.B. durch ein verdichtetes Gefüge zur Steigerung der mechanischen Beständigkeit der Granalien beizutragen. Auf Anwendungsseite sind insbesondere bei der Beladung Prozesse vorzuziehen, die eine parallele energetische Nutzung des freiwerdenden Wasserdampfes und der sensiblen Wärme ermöglichen, da allein die ungenutzte Kondensationsenthalpie des Wasserdampfes ein Verlustpotenzial von rd. 30 % darstellt. Für die saisonale Lastverschiebung bieten sich aufgrund des Grundlastbedarfs hier insbesondere Wärmenetze an.