Physikalisch-chemische Beschreibung von Infiltrations- und Kristallisationsverhalten flüssiger Mineralvorstufen in Poren-imitierender Testumgebung: Potenzial und Bedeutung für den Erhalt Carbonat-basierter Naturmaterialien

Stipendiatin/Stipendiat: Andra-Lisa Maria Hoyt

Kulturgut ist etwas, das den Menschen von den anderen Spezies der Erde unterscheidet. Große Teile des Weltkulturerbes bestehen dabei aus Naturmaterialien, beispielsweise Stein. Vom Mensch geschaffene Werke wie Michelangelos David Statue gehören ebenso dazu wie natürliche Felsformationen, Höhlen und ganze Landstriche.
Viele dieser Dinge bestehen aus Gesteinen, die einen hohen Anteil Calciumcarbonat (CaCO3, Kalk) und einen gewissen Grad an Porosität aufweisen. Entsprechend leiden sie unter vielen schädlichen Einflüssen wie Überflutungen, Eingriffe durch den Menschen und kontinuierliche teils natürliche Zersetzungserscheinungen. An vielen dieser Verwitterungsprozesse ist Wasser beteiligt. Besonders schädlich dabei ist saurer Regen, der diese Gesteine zusätzlich chemisch auflöst - ein Phänomen, das stark im Zusammenhang steht mit durch den Mensch verursachten Umweltverschmutzungen in Folge zunehmender Industrialisierung.


Seit der Jahrtausendwende ist Nanochemie als neues Instrument zur Restaurierung und weiteren Erhaltung beschädigter Carbonat-Gesteinsoberflächen mehr und mehr in den Fokus gerückt. Verfügbare kommerzielle Produkte basieren auf Ca(OH)2-Dispersionen (ein Vorläufer des CaCO3). Diese sind deutlich effektiver als früher gebräuchliche Kalkwasser-Behandlungen, aber ihre genaue Wirkweise ist nicht abschließend geklärt. Kenntnisse hierüber sind nötig um die Entwicklung neuer Restaurierungsansätze und -lösungen zügig und gezielt voranzutreiben. Besonders wichtig dabei ist es die physikalische Chemie zu diesen Ansätzen, insbesondere das Infiltrations- und Kristallisationsverhalten von kolloidalen Lösungen in Poren zu studieren, was bisher nicht in Echtzeit und in situ möglich ist.

 

Um das zu ermöglichen wurden im Rahmen dieser Promotion mehrere Prototypen eines möglichst realistischen und transparenten Testsystems erarbeitet, das mit optischen Methoden in Echtzeit untersucht werden kann. Der erste Prototyp basiert auf negativer Photolithographie und einer Halte-Apparatur, der zweite auf softer Lithographie (aus der Mikrofluidik) mittels Mastervorlage und Silikon-Stempelabdrücken, und als drittes System werden kommerziell erhältliche Acrylglas-Chips ausgewählt.

Die Ergebnisse praktischer Infiltrationstests in Testsystem und Natursteinproben sollen dann theoretisch berechneten Eindringtiefen und -geschwindigkeiten gegenübergestellt werden, um zu überprüfen ob es möglich ist die Restaurierungseffektivität eines neuen Kolloidprodukts mittels einiger physikalischer Lösungsparameter zuverlässig vorherzusagen. Erste Infiltrationsexperimente deuten darauf hin, dass hier die einfache grundlegende Infiltrationstheorie nach Washburn nicht ausreicht sondern mit komplexeren Modellen gearbeitet werden muss, um eine gute Übereinstimmung zwischen Experiment und theoretischem Kurvenverlauf zu bekommen.

Außerdem soll das Restaurierungspotential flüssiger Mineralvorstufen des Calciumcarbonats eingehend untersucht und aufgrund physikalisch-chemischer Erkenntnisse optimiert sowie mit den kommerziell verfügbaren Produkten verglichen werden. Insbesondere die pH-Abhängigkeit, der Einfluss des Molekulargewichts der polyanionischen Komponente und die Präsenz zusätzlicher salzbildender Ionen in Lösung auf die Coacervation von Polyacrylsäure mit Calciumionen steht derzeit im Fokus dieses Projekts. Dessen Potential soll dann an realen Steinproben und im Testsystem untersucht werden, aber auch in Zementationsversuchen an Marmorpulver, ähnlich bereits veröffentlichter Sandverfestigungen mit anderen flüssigen Vorstufen.

 

a) D. Gruber, S. L. P. Wolf, A.-L. M. Hoyt, J. P. Konsek, H. Cölfen, Minerals, 2017, 7, 187.

b) A.-L. M. Hoyt, H. Cölfen, in Monument Future: Decay and Conservation of Stone. - Proceedings of the 14th international congress on the deterioration and conservation of stone (Eds.: S. Siegesmund, B. Middendorf), Mitteldeutscher Verlag, Göttingen, 2020, 573-578.

 

Förderzeitraum:
01.01.2018 - 31.12.2020

Institut:
Universität Konstanz Fachbereich Chemie Postfach 714

Betreuer:
Prof. Dr. Helmut Cölfen

E-Mail: E-Mail schreiben

URL: https://www.chemie.uni-konstanz.de/research-group-of-helmut-coelfen/

Publikationen: