Numerische Simulation und Analyse neuartiger Grenzschichten für höchsteffiziente Solarzellen basierend auf Silizium als Absorbermaterial anwendbar auf Siliziumheterojunction-, Tandem- und Tunneloxid-basierte Technologien

Stipendiatin/Stipendiat: Christoph Meßmer

Die Transformation des weltweiten Energiesystems hin zu 100% erneuerbarer Ener­gien erfordert unter anderem die Entwicklung kostengünstiger und höchst­effizienter Photovoltaikanlagen. Siliziumsolarzellen basierend auf sogenannten passivierenden Kontaktsystemen sowie Tandemsolarzellen werden als die nächsten großen Entwicklungsschritte angesehen und verzeichnen bereits beachtliche Erfolge im Labor und auf industrieller Ebene. Allerdings stellen sich neue Herausforderungen auf dem Weg von konventionellen Solarzelltechnologien (d.h. der PERC Technologie) hin zu passivier­enden Kontakten und Tandem­­so­lar­zellen: Da diese typischer­weise aus mehreren Dünnschichtsystemen bestehen, rücken sowohl die damit verbun­denen parasitären Absorptions­verluste als auch der nicht-tri­viale Ladungsträgertransport an den jeweiligen Grenz­flächen (inklusive des Tunnel­trans­­­ports) in den Fokus der Zell­entwicklung. Um die Forschung und Entwick­lung die­ser Hocheffizienzsolarzellen der kommenden Gene­ration voranzu­treiben, wer­den unter anderem auch präzise Simulationsmodelle benötigt.

Die vorliegende Dissertation beinhaltet eine umfangreiche Untersuchung höchst­effizienter Siliziumsolarzellen mittels numerischer Simulation und beschäftigt sich mit deren Integration als Unterzelltechnologie in neuartigen Perowskit-Silizium Tandem­solarzellen. Die Arbeit umfasst detaillierte optoelektrische Zellsimulationen basier­end auf neuesten physikalischen Modellen und untersucht die relevantesten Solar­zellen­konzepte mit passivierenden Kontakten, wie beispielsweise die tunneloxid­passi­vier­enden Kontakte (TOPCon) oder Siliziumheterostrukturen (SHJ) mit dotiertem amor­phem Silizium sowie alternative Metalloxid-basierte Kontaktschichten.

Die Beschreibung solcher Zellen konnte im Rahmen dieser Arbeit durch zwei wes­entliche wissenschaftliche Beiträge verbessert werden: Zum einen wurde eine ex­peri­mentell validierte Parametrisierung der freien Ladungsträgerabsorption in dotier­ten (polykristallinen) Siliziumschichten in die optischen Simulationsmodelle im­ple­mentiert, die eine akkurate Beschreibung der parasitären Verluste in passivier­enden Kontakten wie beispielsweise TOPCon ermöglicht. Zum anderen wurde ein ausgereiftes semi-klassisches Defektstellen-basiertes Tunnelmodell (trap-assisted tunneling, TAT) in die elektrischen Simulationen implementiert, welches den komplexen Ladungsträger­trans­port in passivierenden Kontakten wie SHJ Zellen abbilden kann. Basierend auf diesen Neuerungen kann die vorliegende Arbeit einige Errungenschaften zum wissen­schaft­lichen Diskurs beisteuern:

  • Die erste detaillierte Beschreibung des Ladungsträgertransportes in Silizium­hetero­strukturen mit Übergangsmetalloxiden (TMOs) als alternative Kontakt­materialien inklusive Tunneltransport an den TMO Defektstellen. Experi­men­tell gemessene Leistungsverluste können durch das Simulationsmodell abgebil­det und Anforderungen für ideale Ladungsträgerextraktion abgeleitet werden.
  • Ein erweitertes elektrisches Simulationsmodell, welches den Ladungsträger­trans­port in Siliziumheterostrukturen (SHJ) basierend auf amorphem Silizium inklusive des Tunneltransports an den Defektzuständen be­schreibt. Mithilfe des Modells konnten parasitäre Grenzflächenoxide als mögliche Ursache für den ex­perimentell beobachteten Anstieg des Kontaktwiderstands bei SHJ und TOPCon Zellen identifiziert werden.
  • Ein detailliertes optoelektrisches Simulationsmodell für industrielle PERC-ähn­liche Solarzellen mit TOPCon-Passivierung, welches die parasitären opti­schen Verluste aufgrund freier Ladungsträgerabsorption in den polykristallinen Sili­zium­dünn­schichten detailliert beschreibt und damit eine akkurate Potenzial­ab­schätz­ung der verschiedenen Zellkonzepte in Form einer Roadmap ermöglicht.
  • Ein experimentell validiertes optisches Modell für eine Perowskit-Silizium Tandemsolarzelle mit dessen Hilfe eine genaue Effizienzanalyse der wichtigsten Siliziumtechnologien für deren jeweiligen Einsatz als Unterzelltechnologie in der Tandemzelle durchgeführt wurde.
  • Entwicklung optoelektrischer Simulationsmodelle für die wichtigsten PERC-basierten Unterzellen für eine kostengünstige Anwendung in Perowskit-Silizium Tandemsolarzellen. Die detaillierte Potenzialanalyse zeigt einen Ver­gleich der zu erwartenden Tandemeffizienzen verschiedener Perowskit-PERC Konzepte.
  • Ein erstes optoelektrisches Simulationsmodell zur Optimierung der Vorder­sei­ten­elektrode von modulintegrierten Perowskit-Silizium Tandemsolar­zellen, mit welchem verschiedene experimentell gemessene TCOs (transparente leit­fähige Oxide) und Metallisierungen untersucht werden können.

Alle genannten Themengebiete wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Fraun­hofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) erarbeitet, welche die jeweiligen experi­men­tellen Teststrukturen in hochmodernen Laboren entwickeln. Somit ist sichergestellt, dass die vorliegende Arbeit nicht von rein theoretischer Natur ist, sondern vielmehr ge­koppelt an aktuelle experimentelle Herausforderungen sowie technologische Be­schränk­ungen. Zusätzlich ermöglicht die simulative Arbeit Potenzialabschätzungen zukünftiger Ver­besserungen und ist daher hochrelevant für die aktuelle Forschung und Entwicklung der kommenden Generation von Siliziumzelltechnologien.

Förderzeitraum:
01.01.2019 - 31.12.2021

Institut:
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Institut für nachhaltige technische Systeme INATECH

Betreuer:
Prof. Dr. Stefan W. Glunz

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Publikationen: