Kolleg-Energiewende: Industrialisierungsprozesse zwischen Karbonisierung und Klimapolitik - Empirische Evidenz aus Indonesien

Stipendiatin/Stipendiat: Leonard Missbach

Länder des globalen Südens stehen vor der Herausforderung, Armut zu bekämpfen und gleichzeitig emissionsfreie Energiesysteme zu entwickeln. Industrialisierung soll zu Ersterem beitragen, wird allerdings häufig von der Nutzung fossiler Energieträger (insbesondere Kohle) begleitet, was Zweiteres erschwert.

Das vorliegende Forschungsvorhaben zu Industrialisierungsprozessen zwischen Karbonisierung und Klimapolitik geht einerseits der Frage nach, weshalb sich industrialisierende Länder in Phasen des Strukturwandels auf emissionsintensive Kohle setzen. Andererseits wird erforscht, wie sich effektive Klimaschutzinstrumente wie ein CO2-Preis auf industrielle Netzwerke in diesen Regionen auswirken würden.

Ich nutze einen exklusiven Mikro-Datensatz mit hochaufgelösten Informationen zu indonesischen Firmen, um mit Hilfe ökonometrischer Methoden kausale Effekte zu ermitteln und aussagekräftige Szenarien zu modellieren.

Das Forschungsprojekt umfasst insgesamt vier Teileinheiten:

In Projekt 1A wird die Hypothese untersucht, dass Kohlekraftwerke Spillover-Effekte aufweisen, also Vorteile für Industrieunternehmen bieten, die über die Bereitstellung günstiger Energie hinausgehen. Dazu werde ich den kausalen Effekt der Inbetriebnahme eines Kraftwerks auf Beschäftigung, Wachstum und Profitabilität indonesischer Betriebe ermitteln.

In Projekt 1B wird analysiert, ob energieträgerspezifische Einflüsse auf die Entstehung regionaler Industriecluster bestehen. Es wird die Hypothese überprüft, dass Kohlekraftwerke die Clusterbildung stärker beeinflussen als andere Energieträger wie Gas, Öl oder erneuerbare Energien wie Wasserkraft und Geothermie.

In Projekt 2A soll ex post evaluiert werden, wie Änderungen von Elektrizitätspreisen innerhalb von Wertschöpfungsketten weitergegeben werden. Die Hypothese ist, dass sektorale und regionale Unterschiede darin bestehen, ob und wie Energiepreisschocks in industriellen Netzwerken propagieren. Empirisch wird hier eine Reform der Strompreissubventionen in Indonesien ausgenutzt.

In Projekt 2B wird ex ante erforscht, wie sich Energiepreissteigerungen etwa in Folge eines CO2-Preises auswirken würden. Von besonderem Interesse sind hierbei energieintensive und exportorientierte Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden könnte.

Methodisch werden in den Projekten 1A, 1B und 2A so genannte natürliche Experimente ausgenutzt, um kausale Effekte zu ermitteln. Das geschieht mit ökonometrischen Methoden wie dem Differenz-von-Differenzen-Ansatz oder Instrumentvariablenschätzungen. Projekt 2A erfordert zusätzlich die Modellierung der Unternehmens-Netzwerke. In Projekt 2B bediene ich mich der Methode der Mikrosimulation. So können die Auswirkungen einer politischen Maßnahme im Vorfeld ihrer Einführung abgeschätzt werden.

In der wissenschaftlichen Literatur existiert nur wenig Forschung zu Mustern der Industrialisierung und der Rolle verschiedener Energieträger (insbesondere von Kohle) in Ländern des globalen Südens. Darüber hinaus sind nur wenige Untersuchungen der Auswirkungen von Klimaschutzinstrumenten auf einzelne Unternehmen in diesen Regionen bekannt. Weiterhin basieren die bekannten Veröffentlichungen häufig auf der Analyse aggregierter Makro-Daten. Das vorliegende Forschungsvorhaben, in dem mit detaillierten Mikrodaten von indonesischen Firmen Aufschluss über energieträgerspezifische Übertragungseffekte und den Einfluss von Kohlenstoffbepreisung erhalten werden soll, trägt damit zum Schließen einer Forschungslücke bei.

Gleichzeitig ist das Projekt nicht nur aus akademischer Sicht interessant, sondern könnte über einen Dialog mit Entscheidungs*trägerinnen direkt in den klimapolitischen Diskurs hineinwirken. Die Ergebnisse können für den Fall Indonesiens zum Beispiel dazu beitragen, Kompensationen für besonders betroffene Unternehmen einzurichten. So kann verhindert werden, dass erfolgreicher Klimaschutz Industrialisierungsprozesse verlangsamt und somit Wohlstandzuwächse verhindert.

Förderzeitraum:
01.09.2020 - 31.08.2023

Institut:
Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gemein. GmbH

Betreuer:
Dr. Jan Steckel

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