Untersuchung des Abbauverhaltens von Reifenabrieb in aquatischen Ökosystemen unter Synthetisierung natürlicher Umweltbedingungen

Stipendiatin/Stipendiat: Robin-Macmahon Bähre

Beim Betrieb von Kraftfahrzeugen kommt es aufgrund der Reibung zwischen Reifen- und Fahrbahnoberfläche zur Partikelablösung, dem sogenannten Reifenabrieb. Neusten Studien zufolge stellt diese Form von Mikroplastik weltweit eine der größten Quellen partikulärer Umweltkontamination dar. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 110.000 t emittiert, Tendenz steigend. Ein nicht unerheblicher Teil der Partikel wird letztlich in limnische und marine Gewässer eingetragen. Trotz der nachweislich großen partikulären und chemischen Umweltbelastung durch Reifenabrieb existieren insbesondere für aquatische Ökosysteme bisher kaum gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich dessen Persistenz sowie den wirkenden Zersetzungs- und Degradationsmechanismen.

Ziel der Arbeit ist es daher, die wesentlichen Faktoren für den mechanischen, chemischen und biologischen Abbauvorgang von Reifenabrieb in aquatischer Umgebung zu identifizieren. Neben dem Einfluss der Materialrezeptur (Kautschukart, Vernetzungsgrad, Füllstoffe etc.) soll dabei auch der Einfluss verschiedener Umweltbedingungen (Wassertemperatur, Sauerstoff- und Salzgehalt, Licht, mechanische Beanspruchung etc.) sowie der Einfluss der Partikelmorphologie (Partikelgröße, spez. Oberfläche etc.) untersucht werden. Ein weiteres Ziel ist die Identifikation von Gummimischungen, die verbesserte Eigenschaften hinsichtlich des Abbauverhaltens sowie potentiell toxischer Effekte des Abriebs aufweisen. Mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse kann das Wissen über die Zusammenhänge von mikrostrukturellem Aufbau und wirksamen Zersetzungsmechanismen der Abriebpartikel in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen in aquatischen Ökosystemen maßgeblich erweitert werden.

Im Rahmen des Vorhabens wird dazu das Degradationsverhalten von Reifenabrieb in aquatischer Umgebung anhand von systematischen Abbauexperimenten unter Synthetisierung natürlicher Umweltbedingungen untersucht. Hierzu wird Reifenabrieb mit definierten Eigenschaften künstlich erzeugt. Mit Hilfe manometrischer Respirationstests wird zunächst die biologische Abbaubarkeit innerhalb geschlossener Flaschensysteme untersucht. Weiterführend erfolgen aufskalierte offene Degradationsexperimente in Form sogenannter Mikrokosmen, in denen insbesondere die Desintegration, d. h. die mechanisch bedingte Zerkleinerung der Abriebpartikel aufgrund ihrer Wechselwirkung mit dem bewegten wässrigen Medium und dem Sediment untersucht wird. Darüber hinaus wird mit Hilfe des Systems gezielt das biologische, chemische und mechanische Abbauverhalten bei realitätsnaher Überlagerung bestimmter Einflussgrößen (Licht, Salzgehalt, Temperatur etc.) ermittelt. Der Degradationsfortschritt in den Abbauexperimenten soll anhand von REM-, CT- und polymer-chemischen Analysen untersucht werden. Zusätzlich ist eine begleitende Wasseranalytik vorgesehen, mit deren Hilfe polymere Spaltprodukte bzw. Reifenbestandteile innerhalb des umgebenen Testmediums identifiziert werden sollen.

Die Untersuchungen sollen letztlich dazu beitragen Abbauraten von Reifenabrieb unter verschiedenen Rahmenbedingungen zu ermitteln. Erst wenn die Zerfallskinetik der Abriebpartikel bekannt ist, kann zuverlässig prognostiziert werden wie lange und in welcher Form diese Partikel in unterschiedlichen Umweltkompartiment verbleiben. Darüber hinaus wird ein entscheidender Beitrag zur Entwicklung von Fahrzeugreifen geleistet, die sowohl aufgrund ihrer Materialzusammensetzung und dem Reifendesign als auch aufgrund der Quantität und Morphologie der freigesetzten Partikel zu einer Reduzierung der umweltschädlichen Auswirkungen durch Reifenabrieb führen.

Förderzeitraum:
01.08.2021 - 31.07.2024

Institut:
Leibniz Universität Hannover Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik (IKK) Produktionstechnisches Zentrum PZH

Betreuer:
Prof. Dr. Hans-Josef Endres

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