Integration des Schutzes waldestypischer Kryptogamen (Flechten, Moose) in die Forstwirtschaft im mitteleuropäischen Binnentiefland

Stipendiatin/Stipendiat: Tim Heidelk

Wälder bilden den prägenden Vegetationstyp Mitteleuropas. Ihre Relevanz für die Biodiversität ist unbestritten und äußert sich unter anderem in einer Vielzahl ausgewiesener Schutzgebiete auf Waldstandorten. Ein weit überwiegender Teil der Waldfläche unterliegt jedoch der forstlichen Bewirtschaftung, die nachweislich einen Einfluss auf die Artenvielfalt in Wäldern ausübt. Insbesondere rindenbewohnende Kryptogamen (Flechten, Moose) werden durch die Bewirtschaftung beeinflusst.

Im Kontext des Biodiversitätserhalts geht das Promotionsvorhaben der Frage nach, wie die Erhaltung waldestypischer Flechten und Moose auf jenem weit überwiegenden Teil der Forstfläche erfolgen kann, die weiterhin einer Bewirtschaftung unterliegt. Dazu wird das Vorkommen der Arten in unterschiedlich bewirtschafteten Waldflächen im zentraleuropäischen Tiefland untersucht. Das Projekt konzentriert sich dabei auf Waldgesellschaften wie sie typischerweise nahe und zu beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze zu finden sind.

Um eventuelle Einflüsse historischer Luftbelastung für die Artenvielfalt beurteilen zu können, werden die Untersuchungen in einem Transekt durchgeführt, der von den ehemals extrem luftschadstoffbelasteten Bereichen des deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländerecks (sog. "Schwarzes Dreieck") mit ehemals stark verarmter Epiphytenflora, aber jetzt lebhafter Wiedereinwanderung in die weniger geschädigten Bereiche des Nordens führt. Der Transekt liegt zu beiden Seiten von Oder und Neiße, um deutsche und polnische Forstwirtschaft vergleichen zu können. Auf der deutschen Seite besteht eine Vielfalt von Eigentumsformen, die potenziell zu einer größeren Vielfalt an Nutzungen führen könnte, die aber nicht überall ökologische Aspekte im Blick haben mag. Auf der polnischen Seite existieren überwiegend staatlich bewirtschaftete Wälder, deren Bewirtschaftungsansätze nicht weniger interessante und vermeintlich artenreiche Bestandesbilder liefern, wie jüngste Beobachtungen an reihenweise gepflanzten Eichenkulturen in der Görlitzer Heide zeigen.

Die Aufnahme der Flechten- und Moosarten erfolgt auf Untersuchungsflächen von einem 1 ha Größe (100 x 100 m), wobei alle vorhandenen Arten, deren Häufigkeiten sowie relevante Strukturparameter (z.B. Baumarten, Mischungsform) erfasst werden. Anhand der erfassten Strukturdaten werden Waldstrukturklassen gebildet. Sie stellen die Basis für die Auswertung der Daten vor dem Gesichtspunkt des Bewirtschaftungseinflusses dar. Darauf aufbauend werden fundierte Managementempfehlungen für die Erhaltung rindenbewohnender Flechten und Moose im Rahmen der regionalen forstlichen Praxis gegeben.

Zum aktuellen Zeitpunkt (08.09.22) wurden bereits 100 Untersuchungsflächen auf der deutschen Seite des Transektes beprobt. Insgesamt konnten dabei über 110 rindenbewohnende Flechten- und Moosarten nachgewiesen werden. Die Nachbestimmungsarbeit im Winter wird höchstwahrscheinlich weitere Arten zutage fördern.

Während der Geländearbeit fiel bereits auf, dass häufig schon die Beimischung einiger weniger Bäume einer anderen Art genügt, um die Biodiversität auf einer Fläche wesentlich zu erhöhen. In Bezug auf künftige Empfehlungen für das forstwirtschaftliche Management ist dies besonders interessant, da so auch Kleinprivatwaldbesitzern die Integration des Schutzes der Arten in die Bewirtschaftung ermöglicht werden kann, ohne, dass nennenswerte Einschränkungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Bewirtschaftungsweise entstehen.

Förderzeitraum:
01.10.2021 - 30.11.2024

Institut:
TU Dresden IHI Zittau Lehrstuhl für Biodiversität der Pflanzen

Betreuer:
Prof. Dr. Karsten Wesche

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Publikationen:

  • Vergleich der VDIRichtlinien 3957 Blatt 12 und 13 unter Berücksichtigung der mittels Flechten und Moosen ermittelten Luftgüteergebnisse auf verschiedenen Untersuchungsflächen in Ostdeutschland – Gibt es Unterschiede?
    Heidelk, T.; Stetzka, K. M. (2021): Vergleich der VDIRichtlinien 3957 Blatt 12 und 13 unter Berücksichtigung der mittels Flechten und Moosen ermittelten Luftgüteergebnisse auf verschiedenen Untersuchungsflächen in Ostdeutschland – Gibt es Unterschiede? Gefahrenstoffe 81 (2021) Nr. 05-06: 192-198.
  • Beitrag zur Kenntnis der Moosflora im Naturschutzgebiet Seifersdorfer Tal.
    Heidelk, T.; Stetzka, K. M. (2018): Beitrag zur Kenntnis der Moosflora im Naturschutzgebiet Seifersdorfer Tal. Sächsische Floristische Mitteilungen, Heft 20/2018: 90-99.