Effekte von Veterinärantibiotika als Einzelsubstanzen und in Kombination mit Veterinäranthelminthika und Klimafaktoren auf die Keimung und Etablierung von Pflanzenarten des temperaten Graslandes

Stipendiatin/Stipendiat: M. Ed. Angela Leiß

Einflüsse von Veterinärantibiotika auf die Samenkeimung von Kulturgrasland-Arten

Veterinärantibiotika gelangen vor allem infolge landwirtschaftlicher Tätigkeiten in großer Menge in die Umwelt. Der Eintrag in die Umwelt kann entweder direkt über Dungausscheidungen von Huftieren auf Weideflächen oder indirekt über die Ausbringung von Wirtschaftsdünger (v.a. Gülle) auf landwirtschaftliche Nutzflächen stattfinden. Im Gegensatz zu Herbiziden wurden Veterinärpharmazeutika bislang nur sehr wenig in ihrer Wirkung auf Landpflanzen wissenschaftlich untersucht, dies gilt insbesondere für Wildpflanzen. Da Veterinärantibiotika nachweislich von Gefäßpflanzen aufgenommen werden, liegt die Vermutung nahe, dass sie auch deren Keimung und frühes Wachstum beeinflussen können. Die Keimungs- und Keimlingsetablierungsphase sind die empfindlichsten Phasen des pflanzlichen Lebenszyklus und nehmen starken Einfluss auf die Häufigkeit von Arten und die Biodiversität eines Habitats. In diesem Vorhaben werden typische Arten des temperaten Kulturgraslandes verglichen, da diese regelmäßig in Kontakt mit Veterinärantibiotika gelangen und Grasland in Deutschland unter anderem durch Nutzungsintensivierungen bedroht ist und aufgrund seiner biologischen Vielfalt als schützenswert gilt.

Vielfältige anthropogene Einflüsse auf Pflanzen führen zu multifaktoriellen Stresssituationen. Um diese abzubilden, beschäftigt sich das Vorhaben neben den Einzeleffekten von Antibiotika auf die Keimung und Entwicklung von Pflanzen auch mit Kombinationseffekten (verschiedene Antiobiotika oder Antibiotika kombiniert mit Entwurmungsmitteln), sowie mit abiotischen Faktoren, die im Zuge des Klimawandels bedeutsam sind (Wasserverfügbarkeit). Die Auswirkungen von Wirkstoffgemischen und multifaktoriellen Stresssituationen ist ein hochrelevantes aber bislang kaum untersuchtes Thema, da Effekte auf lebende Organismen teilweise erst durch eine Kombination verschiedener Einflüsse erfolgen.

Ziel des Vorhabens ist es, dabei zu helfen, die Wissenslücke zu schließen, die in der Einschätzung der Umwelttoxizität von Veterinärantibiotika für die pflanzliche Reproduktion besteht. Zudem soll das öffentliche Bewusstsein für die Thematik geschärft werden und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Veterinärpharmazeutika in der landwirtschaftlichen Praxis abgeleitet werden.

Dies soll erreicht werden, indem in vier Experimenten, mit einem Grundstock an gleichen Pflanzenarten, der Effekt häufig eingesetzter Antibiotika-Wirkstoffe wie Tetracyclin und Sulfamethazin in verschiedenen, umweltrealistischen Konzentrationen getestet und verglichen wird. Um die Wirkung auf unterschiedliche pflanzliche Lebensphasen beziehen zu können, ist es essentiell, sowohl keimungs- als auch etablierungsrelevante Variablen zu untersuchen; hier: Anzahl an Keimlingen (germination percentage, GP), Keimungsdauer (mean germination time, MGT), Keimungssynchronität (synchrony, Z), Wurzellänge, Produktion oberirdischer Biomasse und Wuchshöhe von Keimlingen. Insbesondere der Zeitverlauf der Keimung soll berücksichtigt werden, da dieser häufig besonders empfindlich auf Umwelteinflüsse reagiert. Um einerseits sowohl ein hohes Maß an Standardisierung zu erreichen und damit die Wirkungen der Stoffe störungsfrei herauszuarbeiten und andererseits möglichst naturnah und realistisch vorzugehen, werden sowohl Ansätze im Labor (Petrischalen- und Topfansätze in Klimakammern), als auch im Gewächshaus und Halbfreiland (Topf- und Kleinflächenansätze) durchgeführt. Dabei werden Dung- und Bodensubstrate einbezogen, die zuvor mit Veterinärantibiotika in realistischen Konzentrationen geimpft wurden. Die untersuchten Szenarien beziehen sich auf die Rinderhaltung, da sie besonders relevant für den Eintrag von Antibiotika in Graslandhabitate ist.

Erste Ergebnisse meiner bisher durchgeführten Experimente zeigten, dass die Einzelsubstanzen Tetracyclin und Sulfamethazin in den ersten beiden Versuchen nur bei wenigen Faktorkombinationen und in unsystematischer Verteilung Effekte auf die untersuchten Keimungsvariablen (GP, MGT, Z) zeigten. Im ersten Experiment (einem Petrischalenansatz) zeigte sich jedoch, dass die Kombinationen beider Antibiotika vor allem für die Variablen MGT und Z durchaus signifikante Effekte für einige Testarten zeigten. Eine einheitliche Effektrichtung war im Artvergleich  nicht zu erkennen. Als Ausnahme stellte sich die Art Plantago lanceolata heraus, die im zweiten Experiment (Topfansatz im Gewächshaus) für die Einzelsubstanzen und Kombinationen der Antibiotika eine signifikante Erhöhung der GP zeigte.

Besonders spannend ist der Einfluss der Antibiotika auf die Wurzellänge. Im ersten Experiment (Petrischalenansatz) konnte gezeigt werden, dass für die Tetracyclin-Behandlungen eine hohe Antibiotika-Sensitivität und ein regelmäßiges Antwortmuster festzustellen ist: Bei drei von vier getesteten Arten nahm die Wurzellänge mit steigender Tetracyclin-Konzentration signifikant ab. Die Kombinationen beider Antibiotika, vor allem in der höchsten Konzentrationsstufe zeigten für drei von vier Arten ebenfalls signifikante Abnahmen der Wurzellänge. Die Wurzellängen-Reduktion betrug bis zu 78,2 % bei der höchsten Konzentrationsstufe von Tetracyclin bei Dactylis glomerata. Sulfamethazin dagegen zeigte hier für die meisten Art-Konzentrations-Kombinationen keine Effekte auf die Wurzellänge.

Das Promotionsvorhaben bewegt sich also an der Schnittstelle von Ökologie, Landwirtschaft und Toxikologie und möchte einen Beitrag leisten zum besseren Verständnis pflanzlicher Reaktionen auf den Eintrag anthropogener Schadstoffe in das Kulturgrasland und zum verantwortungsvollen Umgang mit diesen Stoffen in der landwirtschaftlichen Praxis. 

Förderzeitraum:
01.11.2021 - 30.04.2024

Institut:
Universität Trier Europäisches Tourismus Institut (ETI) GmbH Fachbereich VI Geobotanik

Betreuer:
Prof. Dr. Frank Thomas

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