Wie weiter nach der Kohle? Eine inter- und transdisziplinäre Betrachtung von Chancen und Herausforderungen für die Lausitz und andere Regionen

Stipendiatin/Stipendiat: Nora Elisabeth Stognief

In der DDR war die Braunkohle der wichtigste Energieträger und noch heute sind Landschaft, Kultur und politische Entscheidungen stark durch die Tagebaue und deren Folgelandschaften beeinflusst. Trotz des starken Rückgangs auch infolge der Wiedervereinigung Deutschlands ist die Braunkohlenindustrie in der Lausitz noch immer der wichtigste Arbeitgeber.

Im Jahr 2020 wurde nach jahrelanger intensiver öffentlicher Debatte der deutsche Kohleausstieg bis spätestens 2038 gesetzlich festgeschrieben. Aus Gründen des Klimaschutzes ist er dringend notwendig, bedeutet jedoch gleichzeitig für die peripher gelegene, ländliche Lausitz nach der Wende bereits den zweiten tiefgreifenden Strukturwandel innerhalb weniger Jahrzehnte. Mit den Herausforderungen, aber auch mit den Chancen, die dieser für Umwelt und Gesellschaft mit sich bringt, möchte ich mich in meiner Dissertation aus dem interdisziplinären Blickwinkel der Transformationsforschung (englisch: transition studies) auseinandersetzen.

Schwerpunkt meiner Forschung ist der Nexus zwischen Gesellschaft, Umwelt und Energie in der Lausitz. Im Wesentlichen besteht mein Promotionsvorhaben daher aus drei Teilen mit den folgenden Fragestellungen:

1. Welchen Einfluss haben Machtverhältnisse zwischen regionalen Akteur*innen darauf, wer die Transformation wie mitgestalten kann?

2. Welche Zielkonflikte entstehen angesichts der zunehmenden Wasserknappheit mit Hinblick auf die Renaturierung der Tagebaue und inwieweit sind Akteur*innen, Institutionen und Politiken aus den Sektoren Wasser und Energie miteinander integriert?

3. Welche Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben alternative Energieträger wie Erdgas. Holzpellets oder Abfall und wie können Lock-in-Effekte in andere klima- oder umweltschädliche Energieträger in der Region verhindert werden?

Im ersten Teil beschäftige ich mich mit dem Empowerment regionaler Akteur*innen in Kohletransformationen. Die Region Lausitz erhält bis 2038 insgesamt 17,2 Milliarden Euro an Strukturwandelgeldern, die über verschiedene Mechanismen auf Landes- und Bundesebene verteilt werden. Mich interessiert, inwieweit die Maßnahmen zivilgesellschaftliche Organisationen wie zum Beispiel Umweltgruppen mit einbeziehen. Außerdem beschäftige ich mich damit, inwieweit geschlechtsspezifische Machtstrukturen den Diskurs über den Strukturwandel und die Verteilung der Gelder beeinflussen. Diese beiden Unterarbeitspakete haben jeweils eine eigene wissenschaftliche Publikation zum Ziel. Die Phase der Datenerhebung ist mit bisher 23 geführten teilstrukturierten Interviews fast abgeschlossen (Stand Oktober 2022).

Der zweite Teil der Dissertation untersucht eine Problematik, die immer dringlicher wird: Nicht nur die aktiven Tagebaue, sondern auch die spätere Renaturierung und nicht zuletzt der Klimawandel haben starke Auswirkungen auf den Wasserhaushalt in der niederschlagsarmen Lausitz. Ich möchte Akteur*innen und Diskurse im Konflikt um das Wasser in der Lausitz in meiner Forschung näher beleuchten, um besser zu verstehen, wie der Strukturwandel sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet werden kann. Für dieses Arbeitspaket habe ich ein ausführliches Forschungsdesign erarbeitet und beginne im Laufe des 4. Quartals 2022 mit der Datenerhebung für die Medienanalyse.

Der dritte Teil untersucht einen möglichen Carbon-Lock-in in der Lausitz in andere klimaschädliche Energieträger, die einen nachhaltigen Strukturwandel unter Einhaltung des Ziels der Klimaneutralität bis 2045 gefährden. Im Zuge des Kohleausstiegs werden Kohlekraftwerke zunehmend auf Erdgas, Biomasse oder Abfall umgerüstet. Auch in der Lausitz waren in den letzten Monaten verschiedene Optionen im Gespräch, wie zum Beispiel Holz- oder Müllverbrennung. Ich möchte regionale Faktoren identifizieren, die zum Lock-in in nicht nachhaltige Energieträger beitragen und dadurch Wege in eine dezentralere, umwelt- und klimafreundlichere Energieversorgung aufzeigen.

Mein transdisziplinäres Vorhaben soll Stakeholder*innen durch regelmäßigen Austausch in die Forschung mit einbeziehen und legt besonderen Wert auf die praktische Relevanz. Die Resultate möchte ich anschließend in einem Syntheseartikel zusammenfassen, in dem ich Wege herausarbeite, wie die Transformationsherausforderungen in der Lausitz bewältigt werden können und Lessons learned für künftige Transformationen ableite.

Förderzeitraum:
01.12.2021 - 30.11.2024

Institut:
Europa-Universität Flensburg Interdisziplinäres Institut für Umwelt-, Sozial- und Humanwissenschaften Abt. Energie- und Umweltmanagement

Betreuer:
Prof. Dr. Pao-Yu Oei

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Publikationen: