Geschichten von Veränderung: Das Potenzial narrativer Ethik für eine sozialökologische Transformation der Gesellschaft

Stipendiatin/Stipendiat: Pia Wimmer

Im Anthropozän zu leben bedeutet heute nicht weniger, als vor der Herausforderung einer allumfassenden "großen" Transformation unserer globalen Wertschöpfungs- und Versorgungssysteme zu stehen. Doch wenn es uns gelingen soll, eine gute, nachhaltige Zukunft für alle zu schaffen, brauchen wir Visionen und Geschichten darüber, wie diese Zukunft aussehen könnte. Und wir brauchen ethische Kompetenzen, um diese Zukunft gleichberechtigt und demokratisch zu gestalten. 

Mit narrativer Ethik zu Ethical Literacy

Die Leitidee meines Dissertationsprojektes ist, dass eine sozialökologische Transformation der Gesellschaft vom Aufbau grundlegender ethischer Kompetenzen profitieren könnte. Derartige Kompetenzen beinhalten etwa die Fähigkeit, Wissen zu sammeln, es zu analysieren und kritisch zu reflektieren sowie darauf aufbauend eine sinnvoll begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Und dies insbesondere auch in ambivalenten und kontroversen Situationen. Neuere Veröffentlichungen, z. B. von Nahal Jafroudi und Uwe Schneidewind, haben zur Zusammenfassung dieser Kompetenzen den Begriff Ethical Literacy etabliert.

Gleichzeitig sind wir aber auch immer in Geschichten verwickelt, und da Geschichten große Reservoirs und Katalysatoren für den Austausch von Ideen, Wissen, Identitäten, Überzeugungen, Hoffnungen, Träumen, Visionen, Normen, Werten usw. sind, wird dem Konzept der narrativen Ethik als didaktischem Ansatz besonderes Interesse entgegengebracht.

Dies führt zu der Forschungsfrage, ob die narrative Ethik in der Bildung für nachhaltige Entwicklung eine geeignete Methode zur Stärkung einer kritisch-emanzipatorischen Fähigkeit zur ethischen Urteilsbildung und zum Herbeiführen von gut begründeten, autonomen Handlungsentscheidungen werden kann.

Reallabor als Experimentierraum für gesellschaftliche Veränderung

Um zu untersuchen, ob und wie die Vermittlung und der Aufbau ethischer Kompetenzen zu einem allgemeinen Bestandteil der Bildung für Nachhaltige Entwicklung werden kann, egal ob innerhalb von Schulen oder in außerschulische Bildungseinrichtungen, und ob der Aufbau von ethischer Kompetenz als unterstützender Treiber von Transformationsprozessen wirken kann, wird im Laufe eines Schuljahres ein Reallabor an einer Augsburger Mittelschule durchgeführt und mittels Methoden der empirischen Sozialforschung evaluiert. Als Themenbeispiel dient die Fast Fashion Industrie, um einerseits den Überkonsum zu thematisieren und gleichzeitig Alternativen zu finden und zum Handeln zu motivieren.

Bei einem Reallabor handelt es sich um einen real existierenden sozialen Kontext, in dem Forscherinnen und Forscher Interventionen im Sinne von "Realexperimenten" durchführen und sich in Koproduktion mit anderen Akteuren auf reale Veränderungsprozesse einlassen.

In diesem Fall wird die klassische Umweltbildung bzw. Bildung für nachhaltige Entwicklung in Form von inhaltlichem, themenbezogenem Input mit Lerneinheiten zur Schulung ethischer Kompetenz sowie zur Handlungs- und Visionenbildung ergänzt. Die Schülerinnen und Schüler sind eingeladen, ihre eigenen Ideen und Konzepte einzubringen, wie wir den Konsumismus unserer Zeit überwinden und stattdessen Alternativen finden können, die den Schwerpunkt vom materiellen Konsum auf andere Formen zur Erzeugung von Werten, Bedeutung, Zugehörigkeit und Wohlstand  verlagern.

Förderzeitraum:
01.07.2022 - 30.06.2025

Institut:
Universität Augsburg Katholisch-Theologische Fakultät Lehrstuhlinhaberin Moraltheologie

Betreuer:
Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl

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