Ökologische Charakterisierung und funktionelle Reaktionsdynamik einer invasiven Süßwasserqualle: Craspedacusta sowerbii

Stipendiatin/Stipendiat: Stefan Dehos

Die invasive Süßwasserqualle Craspedacusta sowerbii, die ursprünglich in China beheimatet ist, hat sich in Seen auf der ganzen Welt ausgebreitet. Die Einführung der Qualle in europäische Seen vor etwa 110 Jahren hat auch zu einer neuen Nahrungsnetzgilde geführt, da Quallen in limnischen Systemen in Europa zuvor nicht vorgekommen sind. Generell kann die Einführung invasiver Arten in Ökosysteme eine Vielzahl negativer Auswirkungen haben. Die potenziellen Folgen der Invasion von Craspedacusta könnten vielfältig sein, sind noch nicht genauer erforscht, daher ist eine wesentlich bessere biologische Charakterisierung der Art erforderlich. Craspedacusta besitzt zwei Hauptlebensstadien, einen sessilen Polypen und eine freischwimmende Meduse. Der Polyp vermehrt sich ungeschlechtlich und bildet klonale Kolonien, das Medusenstadium pflanzt sich hingegen geschlechtlich fort. Dies ist aber in Seen außerhalb ihres Heimatgebiets in China äußerst selten, da bei erwachsenen Medusen in den Seen meisten nur ein Geschlecht vorkommt. Eine kürzlich durchgeführte Analyse hat ergeben, dass zwei genetische Linien in der mt Phylogenie von Craspedacusta in Seen in Mitteleuropa eingedrungen sind. Innerhalb jeder dieser Kladen wurden zwei unterschiedliche Haplotypen gefunden, die mit dem Geschlecht der Meduse einhergehen: ein männlicher und ein weiblicher mtDNA-Haplotyp. Diese Linien bzw. Haplotypen könnten sich in ihrer trophischen Position und der von ihnen bewohnten Nische unterscheiden. Die bekannte positive Temperaturabhängigkeit der Medusenproduktion durch Polypen könnte sogar zu einer künftigen Ausdehnung des Medusenstadiums aufgrund des Klimawandels führen. Darüber hinaus könnte sich der Temperaturanstieg auch auf die Konkurrenz zwischen dem einheimischen Süßwasserpolypen Hydra und den invasiven Craspedacusta- Polypen auswirken, da beide eine ähnliche benthische Umgebung bewohnen und beide Räuber mit ähnlichem Nahrungsbedarf sind. Um diese Fragen zu beantworten, werden verschiedene Analysen durchgeführt. In bayerischen Seen werden Proben von Craspedacusta- und Hydra-Polypen aus verschiedenen Substraten genommen, um festzustellen, ob die beiden Gattungen und die Craspedacusta-Linien unterschiedliche Substratpräferenzen haben. Stabile Isotopenanalysen werden durchgeführt, um zu analysieren, welche trophische Position und Nische die Polypen von Craspedacusta und Hydra einnehmen. Darüber hinaus werde ich Fütterungsexperimente bei verschiedenen Temperaturen durchführen, um die funktionellen Reaktionen aller bekannten Haplotypen zu charakterisieren. Schließlich wird ein ökologischer Nischenmodellierungsansatz verwendet, um das potenzielle und verborgene Verbreitungsgebiet der Craspedacusta-Polypen vollständig zu erfassen und zu prüfen, ob es in Zukunft zu Veränderung in der Verbreitung der verschiedenen mtDNA-Halotypen/Linien kommen kann. Die oben genannten Analysen werden es ermöglichen, ein fundiertes Nischenmodell nicht nur auf der Ebene der Arten, sondern auch auf der Ebene der Haplotypen zu erstellen und dabei erstmals auch die unauffälligen Polypen berücksichtigen. Dies ist von großer Bedeutung, da sich die Haplotypen in ihrer Fähigkeit, Medusen zu produzieren, unterscheiden. Neben der Vorhersage von Verbreitungsgebieten wird meine Arbeit auch wichtige Einblicke in die Invasionsmechanismen gebietsfremder Arten geben, indem ich die funktionelle Reaktion und die benthische Umwelt von Hydra und Craspedacusta vergleiche. Dies wird zum Verständnis der Auswirkungen beitragen, die die Einführung von Craspedacusta auf die heimischen Ökosysteme hat.

Förderzeitraum:
01.12.2022 - 30.11.2025

Institut:
Ludwig-Maximilians-Universität München Fakultät für Biologie

Betreuer:
Prof. Dr. Herwig Stibor

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