Reifen- und Straßenabrieb als Trojanisches Pferd für Schadstoffe im Gewässer? Sorptionsverhalten von Spurenelementen an Reifen- und Straßenabrieb in Oberflächengewässerproben

Stipendiatin/Stipendiat: Angus Rocha Vogel

Ziel der Promotionsarbeit ist es, das Gefährdungspotential der Akkumulationen von Spurenelementen an Reifenabrieb im Gewässer unter verschiedenen naturnahen Szenarien abzuschätzen.

Jährlich werden bis zu ca. 20.000 t Reifenabrieb in deutsche Gewässer eingetragen. Durch die steigende Zahl an Kraftfahrzeugen, wird sich diese Menge erhöhen. Hinzu kommt die politisch motivierte Umstellung auf Elektrofahrzeuge: Elektroautos sind etwa 20 % schwerer als vergleichbare Verbrenner, sodass bei gleichbleibender Anzahl von Fahrzeugen, mehr Reifenabrieb produziert wird. Mit ca. 30 % stellt Reifenabrieb die größte Einzelquelle von Mikroplastik dar.

Für Mikroplastik ist bekannt, dass es als „Trojanisches Pferd“ Spurenelemente aufnehmen und in Organismen wieder freisetzen kann. Selbiges ist auch für den Reifenabrieb zu erwarten, da eine Akkumulation von prioritären Spurenelementen auf der Partikeloberfläche bereits nachgewiesen wurde. Im Gewässer können verschiedene biogeochemische Prozesse wie die Biofilmbildung oder die Änderung des Redoxpotentials (aerob / anaerob) diese Akkumulation beeinflussen. Aussagekräftige wissenschaftliche Untersuchungen existieren in Bezug auf den Reifenabrieb nicht. Mit Blick auf die zu erwartende potenzielle Gefährdung der chemischen Gewässergüte und von aquatischen Organismen durch Reifenabrieb mit angelagerten Spurenelementen sind ebendiese Untersuchungen notwendig.

Basierend auf den Ergebnissen der naturnahen Fallbeispiele können praxisbezogen, Gefährdungs-abschätzungen des Reifenabriebeintrages im Flussgebietsmaßstab durch staatliche Behörden wie der Bundesanstalt für Gewässerkunde, der Flussgebietsgemeinschaften oder auch Internationalen Kommissionen zum Schutz großer Ströme simuliert werden. Im Austausch mit Stakeholdern der Reifenindustrie (z. B. ETRMA) können weiterführend Maßnahmen u. a. mit einer Kosten / Nutzenanalyse diskutiert werden, die zu einer Verringerung des Gefährdungspotenzials von eingetragenem Reifenabrieb führen. Gleiches gilt für optimierte Straßenreinigungsregime bzw. zusätzliche Rückhaltemaßnahmen in Gullys.

Basierend auf der Hypothese – dass biogeochemische Effekte die Akkumulation von Spurenelementen an Reifenabrieb nach seinem Eintrag ins Gewässer beeinflussen und dies einen nachhaltigen Einfluss auf die chemische Gewässergüte besitzt – sollen folgende Aspekte detaillierter durch naturnahe Experimente untersucht werden: a) Reifenabrieb mit angelagertem Biofilm; b) Reifenabrieb im oxischen und anoxischen Milieu der Sedimente; c) Reifenabrieb in salzhaltigen Gewässern.

Die zu Grunde liegende Methode für die Experimente wurde in der eigenen Masterarbeit entwickelt. Dazu wird Reifenabrieb mit einer entsprechenden Gewässerprobe versetzt. Nach einer gewählten Inkubationszeit wird der Reifenabrieb abfiltriert, aufgeschlossen und die Spurenelementgehalte mittels ICP-MS/MS bestimmt. Mittels Differenzbildung vom Blindwert des Reifenabriebs ist so die akkumulierte Menge an Spurenelementen zugänglich.

Für die weiterführenden Untersuchungen im Rahmen der Promotionsarbeit sind folgende methodische Herausforderungen bei den Entwicklungen, Adaptionen und Validierungen zu bewältigen: 1. Abtrennung von Reifenabrieb-Partikeln mit angelagerten Biofilmen von sonstigen biologischen Agglomerationen. 2. Einstellung von anoxischen und anaeroben Bedingungen in Gewässerproben. 3. Abtrennung von Reifenabrieb aus Umwelt- bzw. Kehrichtproben direkt von der Straße.

Weitere potenzielle Methoden, die zum Einsatz kommen werden, sind u. a. die Dichteabtrennung von biologischem Material von Reifenabrieb mithilfe von Ludox, die Dichteabtrennung von Reifenabrieb aus Umweltproben mit einer NaI-Lösung, die Visualisierung der Biofilmbildung mittels konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie sowie die Herstellung von anoxischem Milieu durch Begasung der Proben mit Stickstoff.

Förderzeitraum:
01.01.2023 - 31.12.2025

Institut:
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Betreuer:
Dr. Wolf von Tümpling

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