Zweites Leben der Elektro- und Elektronikaltgeräte - Polen auf dem Weg zu europäischen Standards im Recycling der Elektro- und Elektronikaltgeräte

Stipendiatin/Stipendiat: Pawel Preis

Die Zielsetzung des Aufenthalts in Deutschland war Kenntnissen und Know-how im Bereich des modernen und erfolgreichen Recyclings sowie der Bewirtschaftung von Elektro- und Elektronikaltgeräten zu gewinnen. Innerhalb der ersten sechs Monate des Praktikums konnte ich bereits alle Themenbereiche meiner Arbeit erfolgreich abschließen. Die Verlängerung meines Aufenthaltes bei der Remondis Electrorecycling GmbH diente dazu meine bisherigen Ausführungen um einige neue Ansätze und Ideen zu ergänzen. Diese Ideen und Ansätze entstanden während der Ausarbeitung meiner Arbeit und dem Know-how Austausch mit meinen Arbeitskollegen.

Die Arbeit ist eine Kompilation von Rechtsvorschriften, Informationen auf Homepageseiten verschiedener Branchenunternehmen, Fachliteratur, Präsentationen und was am wichtigsten ist – Informationen von Fachleuten der REMONDIS Electrorecycling aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Polen. Des Weiteren wurde eine ausführliche Führung durch den Betrieb durchgeführt, bei dem alle Prozesse und Anlagen vorgestellt wurden. Zusätzlich wurde ein Ausflug nach Berlin stattgefunden, bei dem der dortige Standort der REMONDIS vorgestellt wurde, zusammen mit der Vorstellung einer Altpapiersortieranlage, sowie einer mechanisch-biologischen Wasserkläranlage und einer Wassergewinnungsanlage in Senftenberg. Die Möglichkeit des Vergleichs der theoretischen Analyse der Abfallwirtschaft mit der Praxis eines Altgeräte-Bewirtschaftungsunternehmens war unschätzbar.

Das erlangte Wissen soll dazu dienen bei wichtigen Einträgen in den neu entstehenden Gesetzestexten mitzuwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden mehrere Fragestellungen näher betrachtet. Der wichtigste Unterpunkt war die Analyse der existierenden Rechtslösungen verschiedenen Ländern der Europäischen Union wie Deutschland, Österreich, Frankreich und Schweden. Das Ziel der Analyse der Sammlungssysteme der Elektro- und Elektronikgeräte, unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Systems, war die Darstellung der Hauptaspekte der Bewirtschaftungsprinzipien sowie der Funktionsweise der Sammlungssysteme. Im Rahmen dieser Fragestellung wurden bestimmte Elemente der Systeme einzeln näher betrachtet: Rechtsgrundlage – welche Gesetze sind im Rahmen der Umsetzung der WEEE – EU-Richtlinie ins Landesrecht in Kraft getreten; Sammlungssysteme - ihre Art (Bring- oder Holsysteme) sowie Festlegung entsprechender Rechtspersonen, die dafür verantwortlich sind die Bevölkerung über getrennte Sammlung von Altgeräten zu informieren; Organisation der Sammelstellen – Bestimmung einer Rechtsperson, die für die Errichtung und Betreibung von Sammelstellen verantwortlich ist;
Systembeschreibung – ausführliche, theoretische und praktische Darstellung des Systems: eine für Elektroschrott zuständige Behörde, entsprechende Meldungen/Reports, Arten der Ermittlung der Abholverpflichtung, Abholung von Behältern, das Vorhandensein von Rücknahmesystemen, die Art der Vertragsabschlüsse sowie deren Verwaltung; Überwachung der Funktionsweise der Betriebe und der technologischen Abläufe – in welcher Art sowie durch wen werden die Betriebe von der Erfüllung der Normen und dem Niveau der Verwertung und Wiederverwendung kontrolliert; Verpflichtungen der
Gemeinsamen Stelle
und entsprechenden Rechtspersonen die für ihre Errichtung in jeweiligen Ländern verantwortlich sind; Sammlungshöhe der Altgeräte pro Sammelgruppe sowie der prozentuelle Anteil der Elektroaltgeräte nach Sammelgruppen in den jeweiligen Jahren und Ländern; Vor- und Nachteile der Sammlungssysteme; Gesetze, die die Umsetzung der Abholung und Behandlung der Altgeräte erleichtern. Die daraus gewonnen Erkenntnisse wurden mit entsprechenden Informationen über das polnische Sammlungssystem verglichen, mit dem Ziel, die Unterschiede zwischen den beschriebenen Systemen aufzuzeigen.
Der Vergleich hinsichtlich derselben Eigenschaften erlaubte darüber hinaus für die Bestimmung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Sammlungssystemen der einzelnen EU-Mietgliedsstaaten.

Das wichtigste Element in jedem Sammlungssystem ist der Menschen, dem die Möglichkeit eingeräumt werden muss, Altgeräte an entsprechende Sammelpunkte oder Rechtskörper abgeben zu können. Aus diesem Grund müssen Sammelstellen eingerichtet werden, die je nach Sammlungsart (Bringsystem/Holsystem) die Abgabe der Altgeräte garantieren. Das Bringsystem stellt dabei die Grundlösung dar, die es jedem Bürger ermöglicht die Altgeräte selbst bei der Sammelstelle abzugeben. Beim Holsystem werden die Altgeräte unmittelbar von den Haushalten abgeholt, dieser Service ist
zusätzlich in Deutschland und Frankreich vorgesehen. In Österreich gibt es die meisten
Rechtspersonen, die für die Einrichtung von Sammelstellen verantwortlich sind (Gemeinden, Hersteller und Einzelhändler). In Deutschland basiert die Sammlung auf Gemeindenebene mit einer freiwilligen Teilnahme des Einzelhandels, der die Altgeräte zurücknehmen und an die entsprechende Sammelstelle abgeben kann.
Das französische System sieht Sammelstellen der Hersteller und Einzelhändler vor, wogegen die schwedische Lösung ein Sammelstellensystem bestehend aus Gemeinden und Herstellern vorsieht. Für die Auskunft und Informationsbereitstellung bezüglich des Sammlungssystems in Deutschland sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verantwortlich, in den anderen EU-Ländern sind es die Gemeinden und Hersteller. In den Sammelstellen werden die Altgeräte nach den entsprechenden bestimmten Sammelgruppen gesammelt, die in Deutschland nach dem Inhalt der Schadstoffe und der Behandlungsmethode eingerichtet wurden. In Deutschland, Österreich und Frankreich gibt es fünf Sammelgruppen, in Schweden dagegen sechs. Das wichtigste Subjekt im Hinblick auf die Organisation und Koordination des Systems ist die Anwesenheit einer Institution, die Aufsicht über das System hat. Alle Systeme haben diese Einrichtung (Gemeinsame Stelle). Ihre Aufgabe ist die Ermittlung des Subjektes (Hersteller, Importeur oder Einzelhändler), der für die Abholung der Altgeräte zum Zeitpunkt der Erreichung der Mindestabholmenge verantwortlich ist. Die Verpflichtung zur Abholung der Altgeräte wird meistens proportional zum Marktanteil des Subjektes an entsprechenden Geräten ermittelt, die anhand der von ihm an die Gemeinsame Stelle eingereichten Berichte/Reports basiert. Eine Ausnahme bildet Schweden, in dem die Abholung der Altgeräte unter Ausnutzung der bestmöglichen Logistikalternativen stattfindet. Die Verpflichtung der Hersteller zur Abholung der Altgeräte kann sowohl durch das Entsorgungsbetrieb (Deutschland), als auch durch das Rücknahmesystem, die die Entsorgungsbetriebe vereint (Österreich), oder die Sammlungsorganisation, die die Hersteller der Geräte vereint (Frankreich) und eine Organisation, die die Branchen vereint (Schweden) erfüllt werden.
Alle Behandlungs-/Verwertungsbetriebe, die in oben beschriebenen Ländern agieren, erfüllen das erforderliche Niveau an Verwertung und Wiederverwendung von Altgeräten. Die Jahresabholmenge pro Einwohner beträgt ab 6,41 kg in Frankreich bis ca. 16 kg im Schweden, liegt somit deutlich über der Mindestabholmenge (4 kg pro Person), die die WEEE – Richtlinie vorgesehen hat.

Die darauf folgende Fragestellung setzte sich mit dem Thema „Einsatzmöglichkeiten von Bildröhrenglas“ auseinander, mit besonderer Berücksichtigung von Möglichkeiten, die auf europäischer Ebene angewendet werden als auch die Behandlung von folgenden Bildröhrenglasfraktionen: Konusglas, Schirmglas, Mischglas und Bruchglas. Im Rahmen der Anwendungs-Möglichkeiten wurde jeder Einsatz hinsichtlich der technologischen Prozesse samt benötigten Inputstoffen und entstehenden Produkten analysiert.
Aus den vorliegenden Informationen ergab sich eine ganze Reihe der Einsatzmöglichkeiten von Bildröhrenglas. Die Einsatzmöglichkeiten sind jedoch durch den Bleigehalt eingeschränkt. Es besteht die Gefahr, dass durch den Einsatz von bleihaltigem Glas das Schwermetall in weiteren Produktlebenszyklen mit eingebunden wird, in denen sich normalerweise kein Blei befinden sollte. Es wäre am einfachsten den Stoffkreislauf geschlossen zu halten, indem das zurückgewonnene bleihaltige Glas wieder in der Bildröhrenherstellung eingesetzt wird. Dieser Einsatz findet nur in manchen Ländern von Südamerika und Asien statt. Die häufigste Methode ist der Einsatz als Schlackebildner und in Blei- und Sekundärkupferhütten. Damit kann man den Primärrohstoff (Silikatsand) ersetzen und die Metalle wie Blei und Kupfer wieder gewinnen. Sonstige Einsätze wie z.B. in der Baustoffherstellung, der Mineralfaserindustrie, Schaum- und Blähglasherstellung etc. sind sehr umstritten. In vielen Ländern finden jedoch diese strittigen Methoden Anwendung (am meisten im Straßenbau).

Der letzte Unterpunkt befasste sich mit den bisweilen existierenden Behandlungs-Möglichkeiten von Flachbildschirmgeräten. Der Schwerpunkt wurde darauf gelegt, die beste und häufigste Methode der Behandlung festzustellen.
Bis vor kurzem existierten noch keine Verfahren zur Behandlung dieser Geräte. Alle Technologien, die derzeit zur Verfügung stehen, sind relativ neu. Es bestehen hauptsächlich drei Verfahren: Verbrennung in den Müllverbrennungsanlagen, mechanische sowie manuelle Verarbeitung. Das größte Problem bei der Aufbereitung stellen die quecksilberhaltigen Bauteile (Hintergrundbeleuchtung) dar. Sehr umstritten ist sowohl der Flüssigkristallgehalt als auch seine Behandlung.
Aus der Recherche ergibt sich, dass das am häufigsten genutzte Verfahren eine Kombination aller drei oben erwähnten ist. Dieses Verfahren besteht aus zwei Stufen, zunächst wird die manuelle Zerlegung des ganzen Gerätes durchgeführt und anschließend erfolgt die Aufteilung in die einzelnen Fraktionen. Eine der Fraktionen stellen die LCD-Einheiten dar, diese werden mechanisch zerschreddert. Darüber hinaus beinhalten Flachbildschirme ein sehr wichtiges chemisches Element – das Indium. Die Technologie zur Gewinnung von Indium befindet sich jedoch zur Zeit noch in der Entwicklungsphase.

Jedes beschriebene System erfüllt die geforderte Jahresmindestabholmenge (4 kg) pro Einwohner. Aus der durchgeführten Analyse folgt, dass der gemeinsame und gleichzeitig wichtigste Faktor, der über den Erfolg des Systems entscheidet, die Existenz einer zentralen Organisation ist, welche das effektive und gerechte Funktionieren aller Subjekte im Sammlungssystem ermöglicht.
Überaus wichtig ist die gesetzliche Regelung der getrennten Sammlung aller Abfälle, für deren Umsetzung der Hersteller in Pflicht genommen wird sowie eine klare Aufteilung (auch eindeutig rechtlich geregelt) der Pflichten der einzelnen Subjekte im System, insbesondere bei einer Frage der Einrichtung und Betreibung von Sammelstellen, als zweitwichtigster Faktor (nach dem Menschen) im System.
Zwei Länder sind federführend in der Abfallwirtschaft – Deutschland und Schweden. Neben einem ausgezeichnet organisierten Sammlungssystem, verfügen sie über etwas, was weltweit
einzigartig ist – eine Bevölkerung mit hohem Umweltbewusstsein. Dahinter steht ein hoch entwickeltes, allgemeines Abfallwirtschaftsbewusstsein der Haushalte, die zur getrennten Sammlung der Abfälle verpflichtet sind, was sich wiederum ebenfalls positiv auf die Sammlung der EEG-Altgeräte (Elektro- und Elektronikaltgeräte) auswirkt. Dabei ist anzumerken, dass die führenden Länder die getrennte Sammlung der EEG und Haushaltsabfälle bereits einige Jahre früher (EEG in Schweden: 2001) ins Leben gerufen als z. B. Polen, was ihnen zusätzlich mehr Zeit verschaffen hat geeignete Lösungen in der Praxis umzusetzen und im Laufe der Zeit dabei erkannte eventuelle Mängel zu verbessern oder anzupassen.
Es gibt eine ganze Reihe von Verwendungsmöglichkeiten von wiedergewonnenen Bildröhrenglasfraktionen. Aus der Recherche geht jedoch hervor, dass im Rahmen einer breiteren Verwendung dieser Fraktionen die Anhebung des aktuellen Grenzschwellenwertes des Metallgehalts notwendig ist. Dies ist insofern wichtig, dass bei der Verwendung der Sekundärrohstoffe (Bildröhrenglasfraktionen) nicht nur die Primärrohstoffe (z.B. Silica Sand, Blei), sondern auch Energiekosten sparen kann. Wird Bildröhrenglas recycelt, sieht die Energiebilanz erheblich besser aus. Im Vergleich zur Erstgewinnung kann die Verarbeitung der Sekundärrohstoffe sogar zehnmal weniger energieintensiv ausfallen. Die Wiedergewinnung von Bildröhrenglas trägt nicht nur zur Schonung von natürlichen Vorkommen sondern auch zum geringeren Energieverbrauch und damit indirekt zum Klimaschutz bei, was zusätzlich die Wichtigkeit dieses Themas unterstreicht.
Die Behandlung von Flachbildschirmen - insbesondere der LCD-Geräte und aller hiermit eingebundenen Prozesse haben keine so gefährlichen Auswirkungen, wie vielfach angenommen. Die Quecksilberemissionen stellen sowohl bei der Lagerung als auch bei der Beförderung kein Problem dar. Alle diesbezüglichen Emissionswerte überschreiten nicht die erlaubten Werte. Nur die Behandlung der Geräte und die Entfrachtung von quecksilberhaltigen Röhrchen benötigt eine höhere Aufmerksamkeit.

Als Zusammenfassung aller bisherigen Tätigkeiten kann man feststellen, dass zwecks der Durchführung einer erfolgreichen Abfallwirtschaft, die Abfallwirtschaft zwingend als Ganzes betrachtet werden muss und nicht nur der Umgang mit Elektroaltgeräten alleine. Entsprechendes Know-how in Bezug auf Behandlung von Altgeräten, muss mit einem hohem Umweltselbstbewusstsein der Bürger im Einklang einhergehen – anderenfalls sind alle Tätigkeiten und Bemühungen beim Aufbau eines entsprechenden Sammlungssystems als zwecklos anzusehen.


 

Förderzeitraum:
01.03.2012 - 31.12.2012

Institut:
REMONDIS Electrorecycling GmbH Geschäftsführung

Betreuer:
Gerhard Jokic

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