Gründe für geschlechtsspezifische Effekte des Elternalters auf die Fitness der Nachkommen bei einem langlebigen Seevogel, der Flussseeschwalbe (Sterna hirundo)

Stipendiatin/Stipendiat: Anna Bratchkova

 Seneszenz kann als altersbedingte Zunahme der Mortalität (Sterberate) und/oder Abnahme der Fertilität (Fruchtbarkeit) definiert werden (A. Baudisch 2005). Obwohl einst selten beobachtet, wird Seneszenz inzwischen oft in wilden Populationen gefunden (e.g. Nussey et al 2013), so auch bei Vögeln (Bouwhuis & Vedder im Druck). Von einem evolutionären Standpunkt wird angenommen, dass Seneszenz eine Folge von abnehmendem Selektionsdruck mit dem Alter ist. Auf der organismischen Ebene ist einer der möglichen Gründe für Seneszenz die Veränderung in der DNA während des Alterns, möglicherweise in den Telomeren der Chromosomen, da verkürzte Telomere zu Chromosominstabilität, Veränderungen in der Genexpression und Apoptose führen (Bauch 2013, 2014).

In der Flussseeschwalbe wurde die altersspezifische Verschlechterung sowohl für das Überleben (Bouwhuis et al. im Druck, Zhang et al.,Fitness prospects 2015) als auch für verschiedene Fortpflanzungsmerkmale festgestellt, inklusive Fitnessmerkmalen wie Anzahl der ausgeflogenen Nachkommen (Rebke et al. 2010) oder Anzahl der Nachkommen, die bis zur Reproduktion überleben (Bouwhuis et al. 2015 im Druck).

Obwohl die Lebensdauer vererblich ist, kann sie wesentlich zwischen den Individuen in den Nachkommen variieren. Ein Schlüsselfaktor, der zu solchen Variationen beiträgt, ist das Elternalter (Lansing 1947; Gavrilov & Gavrilova 1997; Priest et al. 2002). Der Einfluss des Elternalters auf die Langlebigkeit der Nachkommen ist ein besonders aktuelles Thema in den heutigen Untersuchungen am Menschen, aber er wird auch in tierischen Systemen erforscht (e.g. Bouwhuis et al 2010 JEB, Schroeder et al 2015 PNAS, Bouwhuis et al Evolution in press). Die voherrschende Meinung ist, dass die Nachkommen-Lebensdauer mit der Alterszuname der Eltern abnimmt (bekannt als “Lansing Effekt”; Lansing 1947; Rockstein 1957; Tracey 1958; O´Brian 1961; Kiritani & Kimura 1967; Gavrilov & Gavrilova 1997; Priest et al. 2002; García-Palomares et al. 2009; aber sieh Fox et al. 2003). Das Mutteralter ist oft der stärkste Faktor, der die Nachkommen-Lebensdauer beeinflusst (Butz & Hayden 1962; Priest et al. 2002), obwohl interessanterweise bei den Menschen das Alter des Vaters eine grössere Rolle zu spielen scheint (Gavrilov & Gavrilova 1997; Kemkes-Grottenthaler 2004).
Bei den Flussseeschwalben wurde festgestellt, dass das Elternalter langfristige geschlechtsspezifische Fitnesskonsequenzen hat: zurückgekehrte Töchter der älteren Mütter leiden an reduziertem jährlichen Reproduktionserfolg, während zurückgekehrte Söhne der älteren Väter an reduzierter Lebensdauer leiden (Bouwhuis et al. im Druck).

Die Telomere sind besonders interessant als Mechanismus nicht nur für die direkte Seneszenz, sondern auch für einen übergenerationalen Effekt. Ein Mechanismus, der möglicherweise den beobachteten Eigenschaften unterliegt, ist eine Veränderung in der Eltern-DNA, die während des Alterns erscheint, wie es in den Telomeren gefunden wurde. Die Telomere sind Abschnitte von DNA mit sich wiederholenden Nukleotidsequenzen an jedem Ende des Chromatids, die die Enden des Chromosoms vor Abnutzung oder Vereinigung mit Nachbarchromosomen schützen. In telomerasennegativen Zellen verkürzen sich die Telomere allmählich wegen unvollständiger Replikation (Olovnikov 1996) und dieser Vorgang kann von Faktoren wie oxidativem Stress (von Zglinicki 2002), stochastischen Schäden der DNA oder Veränderungen in telomerassoziierten Proteinen beschleunigt werden (Karlseder et al. 2002; d’Adda di Fagagna et al. 2003). Verkürzte und dysfunktionale Telomere führen zu Chromosominstabilität, Veränderungen in der Genexpression und - am Ende - zu Zellseneszenz oder Apoptose (Rodier et al. 2005). Longitudinale Analysen zeigten, dass die Telomerlänge mit dem Alter der Vögel (e.g. Salomons et al. 2009; Barrett et al. 2013), unter ihnen die Flussseeschwalbe (Bauch et al 2013), abnimmt, obwohl es eine grosse Variation zwischen den Individuen des gleichen Alters gibt (Bauch et al. 2013, Benetos et al. 2013).

Das Ziel des vorgeschlagenen Projektes ist, zu erforschen, warum bei den Flussseeschwalben das Alter des Vaters die Lebensdauer der Söhne und das Alter der Mutter den jährlichen Reproduktionserfolg bestimmt. Um dieses Ziel zu erfüllen, werden wir die Telomerlänge bei jungen und alten Flussseeschwalben-Eltern und ihren Küken messen, wobei ein spezieller Schwerpunkt auf das Geschlecht der Küken gelegen wird.

Förderzeitraum:
01.03.2015 - 30.11.2015

Institut:
Institut für Vogelforschung Vogelwarte Helgoland

Betreuer:
Dr. Sandra Bouwhuis

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