DBU aktuell Nr. 7 | 2015

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Traktor, Landwirtschaft © Michler, Hanns-Frieder/piclease
„Nachhaltigkeit als Leitbild einer modernen Landwirtschaft bedarf praktikabler Anwendung“, sagte Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) anlässlich eines Kongresses der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin.
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1.) Ist der Verbraucher bereit, für bessere Lebensmittel mehr zu zahlen?

Konturen einer nachhaltigen Landwirtschaft skizzierten die Referenten und Diskutanten des gleichnamigen DBU-Forums Anfang Juli im DBU Zentrum für Umweltkommunikation (Osnabrück). In seinem einführenden Vortrag wies Prof. Dr. Werner Wahmhoff, stellvertretender DBU-Generalsekretär, darauf hin, dass man sich aus Zeitgründen für die eintägige Veranstaltung darauf geeinigt habe, nur drei Punkte aus einer ganzen Liste von Handlungsfeldern auf den Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft zu behandeln:

•    Artenrückgang in der Agrarlandschaft,
•    Verminderung reaktiver Stickstoffverbindungen,
•    Tierhaltung.

Wahmhoff zeigte in seinem Überblicksreferat auf, in welchen Feldern die Landwirtschaft, global betrachtet, einer nachhaltigen Entwicklung noch nicht entspreche. Er nannte hier unter anderem abnehmende Nährstoffgehalte vieler Böden in Afrika, Versalzung in ariden Gebieten sowie die Emission von reaktiven Stickstoffverbindungen wie Nitrat, Ammoniak und Lachgas. Darüber hinaus stellte er Beispiele für gelungene Nachhaltigkeitsansätze vor, wie die DLG-Indikatoren für eine nachhaltige Pflanzenproduktion, und unterstrich die Notwendigkeit, Bewertungssysteme mit vertretbarem Aufwand zu entwickeln, die faktenbasiert, transparent und reproduzierbar sind.

Prof. em. Dr. Wolfgang Schumacher, Geobotanik und Naturschutz der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, sprach über Biodiversitätsverluste in Agrarlandschaften und konkrete Ansätze zur Trendumkehr anhand umfangreicher Erfahrungen. Obwohl es seit 1985 unzählige Forschungsprojekte, Gutachten und Publikationen zum Rückgang der biologischen Vielfalt gebe und ebenso Strategien und Konzepte zu ihrer Erhaltung, sei das Umsetzungsdefizit im Naturschutz eher größer geworden. Dabei sei zu rund 95 % bekannt, was je nach Region an »Gegenmaßnahmen« erforderlich wäre. Hierzu brauche es keine spezielle Forschung, vielmehr sollte stärker auf eine umsetzungsorientierte Förderung gesetzt werden. Was hingegen fehle – trotz Verordnungen von EU, Bund und Ländern – sei häufig der politische Wille von Ländern, Kreisen und Kommunen, die biologische Vielfalt dauerhaft zu sichern, z. B. durch Vertragsnaturschutz und vergleichbare Maßnahmen.

Prof. Dr. Hans-Georg Frede, Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen, sprach sich zur Verbesserung des Stickstoffmanage­ments im Agrarbereich klar für die Einführung einer sogenannten Hoftorbilanz aus und bat zu überlegen, ob ein Überschuss in der Bilanz von 60 kg N ha-1, so wie ihn der DVWK fordert, angemessen sei. Frede forderte überdies, mineralischen N-Düngern in der Gesetzgebung und in der Beratung die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie organischen N-Düngern. Nicht zuletzt forderte er, die verschiedenen Gutachten des Sachverständigen­rates stärker als bisher zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Herman Van den Weghe, ehemals Georg-August-Universität Göttingen, formulierte unter anderem das Leitbild eines nachhaltigeren Betriebs in der Schweinehaltung. Ein Stall- und Haltungssystem, das diesen Anforderungen entspreche, müsse das Bedürfnis der Tiere nach ausreichend Platz, getrennten Funktionsbereichen, thermalem Komfort und Beschäftigungs­material weitgehend erfüllen. Ferner verfolge es das Ziel, die Tiere bei geringem Medikamentenbedarf gesund zu halten und möglichst geringe Verluste zu verzeichnen. Für den Betrieb mit Milchviehhaltung nannte Van den Weghe die Punkte: Kuhkomfort bei der Liegeboxen­gestaltung hinsichtlich der Maße, verformbare weiche Böden sowie mindestens eine komfortable Liegebox pro Kuh, ferner viel Aktionsfläche pro Kuh, breite Laufgänge, Ausweichmöglichkeiten im Kuh­verkehr und Weidegang.

Bei der von Prof. Hiltrud Nieberg, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, moderierten Podiumsdiskussion, standen die Themen Kommunikation, Praxis und Rahmenbedingungen im Zentrum der lebhaften Diskussion.
Prof. Dr. Albert Sundrum, Fachgebiet Tierernährung und Tiergesundheit Universität Kassel, machte deutlich, dass man in puncto Nachhaltigkeit nicht weiterkomme, solange die Rahmen­bedingungen im Agrarbereich einseitig auf quantitatives und nicht auf qualitatives Wachstum ausgerichtet seien. Der Wettbewerb werde vor allem durch Betriebe verzerrt, die sich ohne Rücksicht auf Tiergesundheit und Umweltschutz einen Wettbewerbsvorteil verschafften und dafür nicht belangt würden.

Einen anderen Aspekt brachte Prof. Dr. Ulrich Hamm, Fachgebiet Agrar- und Lebensmittelmarketing der Universität Kassel, zur Sprache. Er wies auf Kommunikationsdefizite in der Landwirtschaft dem Verbraucher gegenüber hin. Die Konsumenten seien seiner Darstellung zufolge durchaus bereit, für bessere Qualität bei Lebensmitteln höhere Preise zu zahlen. Dieser Einschätzung widersprachen einige Teilnehmer des Forums ausdrücklich. Auch durch Importe, so Hamm weiter, sei die Nachfrage nach Bioprodukten in Deutschland derzeit nicht zu decken, ihr Marktanteil ließe sich durchaus verdoppeln. Deutschland importiere aber auch zunehmend konventionelle Spitzenerzeugnisse wie Rindersteaks, Käse- und Schinkenspezialitäten, Weidemilch etc.. Qualitativ hochwertigere Produkte müssten dazu allerdings entsprechend gekennzeichnet und professionell beworben werden.

Aus seiner tagtäglichen praktischen Arbeit berichtete Landwirt Ulrich Westrup. Er betonte, dass sich die Stickstoff-Problematik mittels  Precision Farming in den Griff bekommen lasse. Eine Überforderung der Landwirte, wie vorher von anderer Seite behauptet, sah Westrup nicht, er wünschte sich allerdings mehr Wertschätzung für seinen Berufsstand seitens der Gesellschaft. Dr. Matthias Miersch, stellv. Mitglied im Landwirtschaftsausschuss des Bundestags und DBU-Kuratoriumsmitglied, machte deutlich, dass Ordnungspolitik angesichts der ausgedünnten Personalsituation in den Länderumweltbehörden an Grenzen stoße. Er unterstrich vielmehr die Bedeutung von Bildung für nachhaltige Entwicklung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse.

Franz Jansen-Minßen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wies darauf hin, dass ein Überschreiten der nicht bedarfsgerechten Düngung in Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Staaten bisher keine direkten Rechtsfolgen hatte. Dieses wird sich nach den vorliegenden Entwürfen der Düngeverordnung und des Düngegesetzes in Zukunft voraussichtlich ändern. Ziel des Landes Niedersachsen sei es, die rechtlichen Grundlagen für eine effizientere und gezielte Überwachung der bedarfsgerechten Düngung zu schaffen.

Ein DBU-Fachinfoblatt zum Stichwort »Nachhaltige Landwirtschaft« erscheint in der zweiten Jahreshälfte. Vorbestellungen sind bereits jetzt möglich.