DBU aktuell Nr. 7/8 | Juli/August 2014

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Diskussionsrunde
Hochrangig besetzte Abschlussdiskussion der Sommerakademie, u.a. mit Abgeordneten des Bundestages: (v.l.) Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen), Johannes Röring (CDU), Hubertus von Daniels (DLG), Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke), Dr. Matthias Miersch (SPD), Prof. Dr. Folkhard Isermeyer (v. Thünen-Institut)
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Dürre © DBV
Fast überall auf der Welt ist die Landwirtschaft noch mehr oder weniger weit vom Leitbild der Nachhaltigkeit entfernt.
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1.) Nachhaltige Landwirtschaft – Vom Leitbild zum konkreten Handeln

Anlässlich der diesjährigen Sommerakademie hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) eine Erklärung zur Nachhaltigen Landwirtschaft veröffentlicht, die nachfolgend im Originalwortlaut wiedergegeben wird:

Die gegenwärtige Landwirtschaft, die adäquat zu anderen Teilen der Gesellschaft den technischen Fortschritt nutzt und entsprechende Effizienzsteigerungen aufzuweisen hat, wird dafür in Teilen der Öffentlichkeit als industrialisierte Landwirtschaft stark kritisiert. Eine klare Trennung zwischen sachlich gerechtfertigten Kritikpunkten und emotional motivierten Meinungen scheint derzeit kaum möglich. Für die Zukunft mit einem allseits anerkannten Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung ist es deshalb von großer Bedeutung, die Nachhaltigkeitsdefizite der Landwirtschaft klar zu benennen, sachlich fundierte Ziele zu definieren und praktikable Lösungsansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft zu erarbeiten.

Von nachhaltiger Landwirtschaft sprechen wir, wenn im globalen Maßstab und über Generationen hinweg betrachtet die Nahrungsmittelversorgung und Nahrungsmittelqualität aller Menschen gesichert ist und die Produktivität der Böden und die Artenvielfalt dauerhaft erhalten werden. Dazu gehört auch, dass Umweltbelastungen auf ein unvermeidbares Maß reduziert sind, Tiere artgerecht gehalten werden, die ökonomische Existenzfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sichergestellt ist und die in der Landwirtschaft tätigen Menschen gerechte und zufriedenstellende Lebensbedingungen im Kontext ihrer Gesellschaft vorfinden. Aus ethischer Sicht unstrittig ist die Rangfolge der Nutzungen.

Nahrungsmittel haben Vorrang vor Futtermitteln, diese vor der stofflichen und schließlich der energetischen Nutzung von Biomasse. Fast überall auf der Welt ist die Landwirtschaft noch mehr oder weniger weit von diesem Leitbild entfernt. Die abnehmenden Nährstoffgehalte vieler Böden in Afrika, die Versalzung und übermäßige Nutzung fossiler Wasserreserven in ariden Gebieten und die Stickstoffüberschüsse in Ostasien sind Beispiele dafür. In Mitteleuropa, einer im globalen Maßstab günstigen Region für Landwirtschaft, sind der Artenrückgang in der Agrarlandschaft und die Stickstoffüberschüsse bei der konventionellen Bewirtschaftung als wichtigste Nachhaltigkeitsdefizite zu nennen. Aber auch der Ökolandbau, der bei diesen Kriterien die Anforderungen der Nachhaltigkeit sehr gut erfüllt, hat bisher ungelöste Nachhaltigkeitsprobleme in Form systembedingter Rückgänge der Phosphor- und Kaliumgehalte der Böden und der ungenügenden Flächeneffizienz, die bei stärkerer Ausdehnung zu Lasten bisher nicht genutzter Naturlandschaften ginge.

Mit Blick in die Zukunft steht die globale Landwirtschaft vor einer großen Herausforderung. Einer global stark steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln mit hohen Ansprüchen an Qualität und günstigen Preisen und gleichzeitig steigendem Bedarf nach Futtermitteln sowie nach Rohstoffen zur industriellen und energetischen Nutzung stehen weltweit nur begrenzte Flächenressourcen gegenüber.

Aus Nachhaltigkeitsgründen kommt ein Landnutzungswandel, d. h. die Umwandlung von Flächen mit natürlichen Ökosystemen (Regenwälder, Savannen, Moore) aufgrund der damit einhergehenden Freisetzung von Treibhausgasen und der negativen Wirkungen auf die Biodiversität nicht in Frage.

Die Konsequenz daraus ist, diesen zusätzlichen Bedarf auf den heute existierenden landwirtschaftlichen Flächen zu befriedigen und gleichzeitig schädigende Wirkungen auf Wasser, Boden, Luft, Arten und Biotope auf ein dauerhaft tragfähiges Maß zu reduzieren. Diese enorme Aufgabe kann nur durch eine nachhaltige Landwirtschaft bewältigt werden, die in der erforderlichen Form bisher nur in Konturen erkennbar und folglich möglichst schnell zu entwickeln ist. Sie wird sich durch hohe Erträge bei gleichzeitiger Einhaltung anspruchsvoller Nachhaltigkeitsstandards auszeichnen müssen. Eine Lösung ohne die Zuhilfenahme des biologischen und technischen Fortschritts ist nicht vorstellbar.

Handlungsbedarf

Dazu ist es erforderlich, zunächst ein umfassendes Bewertungssystem der Nachhaltigkeit zu entwickeln und zur breiten Anwendung zu bringen: faktenbasiert, transparent und in aggregierter Form auch für Verbraucher verständlich und nutzbar. Das gilt insbesondere für Kriterien der artgerechten Haltung von Tieren. Die heute üblichen Produktionsverfahren sind einer Nachhaltigkeitsbewertung zu unterziehen und je nach Notwendigkeit Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, unter verantwortlicher Nutzung des technischen Fortschritts. Der Festlegung der Nachhaltigkeitsziele ist ein breit angelegter gesellschaftlicher Diskussionsprozess voranzustellen.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt sieht vor dem Hintergrund der Tagung für Deutschland und die EU folgende konkrete Handlungsfelder, von denen einige auch Handlungsfelder der DBU-Förderung sind bzw. werden sollten:

1. Landnutzungswandel: Ein weiterer Landnutzungswandel ist weitestgehend zu beschränken. Das gilt global, indem möglichst kein Naturland in Agrarland umgewandelt wird. Auf nationaler Ebene ist der Flächenumfang von Grünland und Ackerland stabil zu halten; bei notwendiger Umwandlung in Siedlungsflächen ist der Saldo durch Rekultivierung vollständig auszugleichen. Dazu bedarf es auch überregionaler Ansätze des Flächenmanagements.

2. Artenrückgang in Agrarlandschaften: Vor allem die Vereinheitlichung der Bewirtschaftung von Flächen in Zeit und Raum zur Optimierung der Erträge reduziert die Lebensraumvielfalt von Agrarlandschaften und damit auch die Artenvielfalt. Es sind gemeinsam mit den Bewirtschaftern praktikable Lösungen zu erarbeiten, die in Summe zu einer Stabilisierung der Populationen typischer Arten der Agrarlandschaften führen. Ein Ansatzpunkt wäre die lokale Optimierung der demnächst verpflichtend vorgegebenen Greening- und Agrarumwelt-Maßnahmen.

3. Tierhaltung: Für die wichtigsten Haltungsformen für Nutztiere sind Nachhaltigkeitsbewertungsverfahren zu entwickeln. Vor allem sind tiergerechte und gleichzeitig emissionsarme Ställe zu entwickeln (Ställe der Zukunft).

4. Verminderung der Verluste reaktiver Stickstoffverbindungen: Die in der Tierhaltung anfallenden organischen Dünger sind eine wesentliche Quelle für Stickstoffemissionen, die weitreichende ökologische Wirkungen (Eutrophierung, Versauerung, Minderung der Biodiversität) nach sich ziehen. Diese Verluste sind nach heutiger Erkenntnis nur durch eine kontinuierliche und zeitnahe Aufbereitung der Exkremente sowie eine anschließende pflanzenbedarfsgerechte Verwendung der Nährstoffe zu vermeiden. 

5. Nährstoffkreisläufe: Ohne die konsequente Rückführung der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Nährstoffe, d. h. deren Rückführung aus urbanen Räumen, können Landwirtschaft und Ernährung nicht nachhaltig sein. Hier bedarf es umfassender Verfahrensänderungen bei der Aufarbeitung von organischen Abwässern und Abfällen aller Art. Die Rückführung darf sich nicht auf das Phosphat beschränken, sondern sollte letztlich alle Pflanzennährstoffe einschließlich Stickstoff umfassen. Voraussetzung für die Nährstoffrückführung ist die Eliminierung der Schadstoffe.

6. Grünlandnutzung: Die Grünlandnutzung ist je nach Zielsetzung stärker zu differenzieren in Dauergrünland zur Bereitstellung hochwertiger Futtermittel und in Extensivgrünland mit vorrangiger Naturschutzzielsetzung. Beide Ziele sind erfahrungsgemäß auf einer Fläche nicht gleichzeitig erreichbar, wohl aber in räumlicher und betrieblicher Verzahnung. Entsprechende Pilotvorhaben sind zu entwickeln.

7. Verbraucherinformation: Die Konsumenten von Nahrungsmitteln können sich nur dann in Richtung Nachhaltigkeit orientieren, wenn sie Zugang zu fundierten Nachhaltigkeitsinformationen über die angebotenen Produkte haben. Dementsprechend sind einfache, aber aussagekräftige Konzepte für die Darstellung wichtiger Indikatoren der Nachhaltigkeit zu entwickeln und zu erproben.