DBU aktuell Nr. 8 | 2016

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

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Prof. Dr. Johan Rockström, Exekutivdirektor des Stockholm Resilience Centre und Umweltpreisträger des vergangenen Jahres, war einer von zahlreichen prominenten Rednern beim DBU-Symposium zum Pariser Klima-Abkommen.
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Sehen Sie selbst... © aus Publikation von Steffen et al. aus 2015
Planetare Leitplanken der Erde
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Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiums­diskussion diskutierten unter anderem die Notwendigkeit eines Transformationsplans.
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SDGs - Logo © UN
Die „Sustainable Development Goals“ im Überblick
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2.) DBU-Symposium: Paris-Abkommen als Chance begreifen, die Klimabeschlüsse zügig umzusetzen

Kurz vor der Klimakonferenz in Marra­kesch Anfang November fragten die Referenten des DBU-Symposiums »Stimmt die Richtung bei der Umsetzung des Paris-Abkommens?« Die Veranstaltung am Vortag der Umweltpreisverleihung in Würzburg bewegte sich damit in historischem Umfeld und rückte mit dem Klimawandel eine der vier Planetaren Grenzen ins Zentrum der Debatte, die nach Darstellung des vorjährigen DBU-Umweltpreisträgers Johan Rockström bereits überschritten sind. Das Symposium wurde versiert und umsichtig von Volker Angres (ZDF) moderiert.

Dr. Karsten Sach, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium und Chefverhandler Deutschlands in Klimafragen, wies darauf hin, dass die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens kein Selbstzweck sei, sondern nur ein erster Schritt auf einem langen Weg. Gegenwärtig werde in Deutschland um den Klimaschutzplan gerungen. Die globale Situation hingegen sei eine andere: Hier sei die Zeit der Verhandlungen vorüber. »Jetzt ist die Zeit der internationalen Kooperationen«, sagte Sach. Von der Conference of Parties (COP 22) in Marrakesch vom 07.–18.11.2016 müsse ein eindeutiger Impuls für die ambitionierte Umsetzung des Pariser Abkommens ausgehen.

Weniger zuversichtlich fielen die Ausführungen von Prof. Dr. Mojib Latif, Träger des Deutschen Umweltpreises 2015, aus. Der Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klima­dynamik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sagte wörtlich: »Ob der Klimavertrag von Paris ein historisches Abkommen ist, wie von vielen behauptet, muss sich erst erweisen.« Die Treibhausgas­emissionen seien seit Rio, der Nachhaltigkeitskonferenz im Jahr 1992, förmlich explodiert. Um die Erderwärmung noch auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen, müssten die weltweiten Netto-Treibhausgasemissionen bis etwa Mitte des Jahrhunderts auf null sinken und danach negativ werden. Das Paris-Abkommen führe in seiner derzeitigen Fassung selbst bei optimistischer Extrapolation der nationalen Politiken bis zum Ende des Jahrhunderts dazu, dass sich die Erde um knapp 3 °C erwärme, zog Latif ein ernüchterndes Fazit.

Prof. Dr. Johan Rockström, Exekutiv­direktor des Stockholm Resilience Centre, sah den Erfolg für Paris stark davon abhängen, inwieweit die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) umgesetzt werden. Der Umweltpreisträger des Jahres 2015 wörtlich: »Die SDGs sind kein »Sammelsurium«, sondern sie haben eine klare Hierarchie: Es gibt die unverhandelbaren planetaren Grenzen für Klima (13), Boden (14), Ozeane (15) und Trinkwasser (6).«

Sie bildeten die Hauptbasis für den sicheren Handlungsrahmen der Entwicklung der Menschheit auf der Erde. Nach Ansicht des schwedischen Forschers solle die Politik in ihren Entscheidungen den Empfehlungen der Naturwissenschaften folgen. Auch dies sei im Pariser Abkommen vereinbart worden. Inwieweit die Kapitalmärkte auf »Nachhaltigkeit und Klimaschutz« positiv reagieren, erläuterte Prof. Dr. Torsten Henzelmann in seinem Vortrag. Der Leiter des Competence Center »Civil Economics, Energy & Infrastructure« der Roland Berger Unternehmensberatung zeigte den Zuhörern dabei ein geteiltes Bild auf: Während Nachhaltigkeit die Werthaltigkeit eines Unternehmens in Europa steigern könne, treffe dies in den USA nicht zu. Mithilfe eines gezielten Wertmanagements lasse sich Nachhaltigkeit steuern. Dafür sei allerdings eine Definition klarer Nachhaltigkeitskriterien notwendig.

Prof. Dr. Ellen Matthies, Professorin für Umweltpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, erläuterte den Zuhörern dann, wie die vorherrschende Kluft zwischen Wissen und Handeln vieler Verbraucher durch die Rollentrennung als Konsument (weitgehend bestimmt von Alltags­erfordernissen) und Bürgerin/Bürger (bestimmt von Werten) zu begründen ist.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umwelt­veränderungen, dem die Magdeburger Psychologin angehört, sehe in der seit Jahren zunehmenden Verantwortungsbereitschaft der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft beim Klima­schutz eine Chance zur Entwicklung einer breiten »transformative literacy«. Damit gemeint sei die Fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, »Transformationsprozesse adäquat in ihrer Vieldimensionalität zu verstehen und eigenes Handeln in Transforma­tionsprozesse einzubringen«. Auf unterhaltsame Weise stellten während der Veranstaltung außerdem vier DBU-Stipendiatinnen und Stipendiaten die Inhalte ihrer Dissertationen im Rahmen eines »Science Slam« vor. Themen waren Städtepartnerschaften, Klimawandel und Schneeverteilung in den Alpen.

»Die Richtung stimmt, aber die Umsetzung geht uns zu langsam. Wichtig ist sich klarzumachen: Klimaschutz ist elementare ‚Daseinsvorsorge’«, fasste DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann die Ergebnisse des Symposiums aus Sicht der DBU zusammen und ergänzte: »Das Pariser Abkommen ist als großer Erfolg zu werten, da es einen verbindlichen Rahmen setzt, um in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Treibhausgasneutralität und eine weltweite Klimastabilisierung zu erreichen.« Allerdings mahnte der DBU-Chef, es müssten alle Bereiche umdenken und sich bewegen: Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Der Staat müsse über das Ordnungsrecht Signalgeber sein, gleichzeitig aber Aktivitäten aus der Zivilgesellschaft fördern. Auch auf einen weiteren wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang machte Bottermann aufmerksam: Moore und Wälder seien von enormer Bedeutung als CO2-Senken, um Kohlendioxid zu binden. CO2 sei nicht nur ein Schadstoff als klimarelevantes Gas, sondern auch ein Rohstoff, der im Kreislauf geführt werden müsse. »Dafür allerdings sind weitere Innovationen erforderlich«, so Bottermann.