DBU aktuell - Nr.2 Februar 2008

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

DBU aktuell 02/08
Fisch-Kanu-Pass im Bau
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5. Kompromiss zwischen Stromerzeugung aus Wasserkraft und Fischwanderungen möglich

Energie aus regenerativen Quellen stellt gerade in Zeiten des Klimawandels und knapper fossiler Rohstoffe eine vielversprechende Alternative dar. Beispielsweise können Kleinwasserkraftwerke zur umweltfreundlichen Stromerzeugung dienen. Dabei sollen Fischwanderhilfen (»Fischtreppen«) die Durchgängigkeit der Stauwehre gewährleisten. Überdies darf bei Ausleitungskraftwerken eine behördlich festgelegte Mindestwassermenge nicht für die Stromerzeugung genutzt werden, sondern muss über das Wehr abgegeben werden. Fischen und anderen im Wasser lebenden Organismen werden so die für die Nahrungssuche und das Ablaichen essenziellen Wanderungen ermöglicht und Habitate geschützt.

Um Klima- und Naturschutz in Einklang zu bringen, suchte das Ingenieurbüro Graf (Altenschwand) in Zusammenarbeit mit dem Hydrolabor Schleusingen (Institut für Wasserwesen) der Bauhaus-Universität Weimar nach Möglichkeiten, um die Stromerzeugung aus Wasserkraft und die Belange der Wasserorganismen standortspezifisch aufeinander abzustimmen. Ort der Untersuchungen war ein Ausleitungskraftwerk an der Saale in Camburg/Döbritschen (Thüringen). Um die Durchgängigkeit herzustellen, wurde zunächst im Rahmen des Projektes ein sogenannter Fisch-Kanu-Pass zwischen Mutterbett und Oberwasser errichtet. Die Habitatansprüche von Fischen und anderen Wasserlebewesen bei verschiedenen, über das Wehr abgegebenen Restwassermengen sowie im Hinblick auf mögliche Wanderungen wurden mit der DBU-geförderten Habitatsimulationssoftware
CASIMIR (Computer Aided Simulation System For Instream Flow Requirements) der Universität Stuttgart prognostiziert und dann anhand von Netz- und Reusenfängen sowie Echolotmessungen überprüft.
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Fisch-Kanu-Pass (links im Bild) am Wehr in Döbritsche
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Dabei zeigte sich, dass die Simulationssoftware die Verhältnisse an der Wasserkraftanlage korrekt abbildete: Für den untersuchten Standort mit einer relativ breiten und tiefen Ausleitungs­strecke entwickelten sich bei der behördlich vorgeschriebene Mindest­wassermenge von 3,1 m3/s im Vergleich mit der unkontrollierten Wasserabgabe über das Wehr von etwa 1 m3/s die gleichen Lebensgemeinschaften. Ohne Folgen für die Organismengemeinschaft könnte hier also eine geringere als die behördlich festgelegte Mindestwassermenge abgegeben und somit mehr Wasser für die Stromerzeugung entnommen werden. Um die Bedürfnisse auch strömungsliebender Fischarten zu erfüllen, wäre dagegen eine Mindestwassermenge von 6,4 m3/s notwendig, wodurch die Energieausbeute des Kraftwerks um mehr als 25 Prozent sinken würde. Bei den untersuchten Verhältnissen wandern diese Fischarten vorzugsweise in den wasser­reichen Turbinen­kanal ein.

Für die Wanderbewegungen ergab sich, dass der neue Fisch-Kanu-Pass im Aufstieg für alle Fischgrößen und -arten sowie für wirbellose Organismen (Makrozoobenthos) ungehindert passierbar ist. Aufgrund der speziellen Verhältnisse ist die Auffindbarkeit der Fischwanderhilfe am Wehr für strömungsliebende Fischarten aber eingeschränkt. Um eine komplette Durchgängigkeit des Standorts zu gewährleisten, sind daher am Wasserkraftwerk Döbritschen eine weitere Fischaufstiegshilfe zwischen Turbinenkanal und Oberwasser sowie ein Bypass vor dem Rechen als Fischabstieg notwendig. Diese Maßnahmen sollen 2008 umgesetzt werden.

Insgesamt zeigen die Untersuchungen, dass es möglich ist, den Einfluss einer bestimmten Wasserkraftanlage auf die Wasserlebewesen korrekt zu prognostizieren und daraus für die jeweilige Anlage den günstigsten Kompromiss zwischen der Stromerzeugung und einer wenig eingeschränkten Wanderung abzuleiten.
www.uni-weimar.de