DBU aktuell Nr. 2 | 2016

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

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Mit einer lebhaft geführten Podiumsdiskussion fand der erste Veranstaltungstag der Umwelt­bildungstagung seinen Abschluss
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4.) Große Herausforderungen erfordern neue Bildungskonzepte

Über 200 Teilnehmer waren Mitte Januar der Einladung zur zweitägigen DBU-Tagung »Bildung für Nachhaltigkeit in Zeiten großer Herausforderungen« ins DBU Zentrum für Umweltkommunikation gefolgt. Wie ein roter Faden zogen sich die Themen »Planetare Leitplanken« (siehe DBU aktuell 09/15), »Anthropozän« (siehe DBU aktuell 01/16) und »große Transformation« durch die Vorträge und Diskussionen der Umweltbildungsexperten.

DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann unterstrich in seiner Einführung die große Bedeutung einer inklusiven, chancengerechten und hochwertigen Bildung für Nachhaltigkeit. Denn die Gestaltung eines sicheren Handlungsraums für die Menschheit müsse innerhalb von planetaren Leitplanken erfolgen, damit die Erdsysteme in ihrer generellen Funktionsfähigkeit erhalten bleiben. Große Herausforderungen bestünden darin, die entscheidenden Stellschrauben und Treiber zu erkennen und Veränderungsprozesse für mehr Nachhaltigkeit möglichst durch Maßnahmen mit großer Hebelwirkung herbeizuführen. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse sind systemische Umsteuerungsprozesse und benötigen Zeit. Und damit sich viele Akteure daran beteiligen können, muss nachhaltiges Denken und Handeln erprobt werden, wobei der Bildung eine große Bedeutung zukommt.

Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal-Instituts, unterschied in seinem Vortrag über »Bildung und Forschung für eine große Transformation« zwischen komplizierten und komplexen Sachverhalten. Erstere bestehen seiner Darstellung nach zwar aus einer unübersichtlichen Vielzahl von Variablen, die man aber noch durch Bilder, Modelle und Simulationen in ihrem Zusammenspiel beschreiben und verstehen könne. Komplexe Situationen hingegen seien dadurch charakterisiert, dass man davon kein Gesamtverständnis mehr entwickeln könne. Das habe massive Konsequenzen für Bildung und Forschung.

Naturwissenschaftlicher und Klimaforschung gelinge es, so Schneidewind, die schwierigen ökologischen Zusammenhänge als komplizierte Situation darzustellen. Die Forschung über Global Change und die großen Wandlungsprozesse sei ursprünglich aus dieser naturwissenschaftlichen Ecke gekommen. Dieser liege die Vorstellung zugrunde: Man macht einen Plan, diskutiert und verbessert ihn und setzt ihn anschließend um.

Da wir jedoch in einer hochkomplexen Welt lebten, funktioniere diese Vorgehensweise für die große Transformation nicht mehr. Häufig hätten wir mit den nicht beabsichtigten Nebenfolgen von bestimmten Entwicklungen zu tun, die vollkommen neue Variablen ins Spiel brächten. Schneidewind wörtlich: »In einer hochkomplexen Welt kann ich es mir gar nicht mehr erlauben, die Orte der Wissensproduktion an einer Stelle in der Gesellschaft vorzuhalten. Ich muss dafür sorgen, dass die gesamte Gesellschaft in einen reflexiveren Modus versetzt wird und sich auf das Experiment »Anthropozän« einlässt.« Dazu bedürfe es einer »transformative literacy« – einer Art von Alphabetisierungskampagne in technologischer, ökonomischer, institutioneller und kultureller Hinsicht. Als Bildungsprojekte, die hier beispielgebend sein könnten, nannte Schneidewind Reallabore und die Bürgerforschungsprojekte »Citizen Science«.

Dr. Inge Paulini, Leiterin der Geschäftsstelle des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), bezeichnete den Weg zur großen Transformation in ihrem Vortrag als »gesamtgesellschaftlichen Such- und Lernprozess«. Dafür brauche es viele technische und soziale Innovationen. Und hierfür wiederum seien Bildung und Forschung zentral.

Wie Bildung speziell im naturwissenschaftlichen Bereich zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen kann, legte Prof. Dr. Ilka Parchmann in ihren Ausführungen dar. Thomas Krüger, Bundeszentrale für politische Bildung, beleuchtete die Methoden der politischen Bildung und Prof. Dr. Gerhard de Haan von der Freien Universität Berlin ergänzte diese Darstellung um einen Blick in die Zukunft. Ihre Vortragstitel: »Zukunft gestalten in Demokratien« und »Wie wollen wir leben? Methoden und Erkenntnisse der Zukunftsforschung«.


Ebenso wie der Vortrag von Prof. Dr. Reinhold Leinfelder »Willkommen im Anthropozän« sind alle anderen genannten Vorträge, Impulsreferate und Workshop- sowie World-Café-Beiträge der zweitägigen Veranstaltung für Interessierte umfangreich in Bild und Ton dokumentiert unter folgendem Internetlink.


Umweltbildung Querschnittsthema

Das Thema Umweltbildung spielt in nahezu allen 13 Förder­themen der neuen Förderleitlinien der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) eine tragende Rolle. Insbesondere das Förderthema 1 »Instrumente und Kompetenzen der Nachhaltigkeitsbewertung sowie Stärkung von Nachhaltigkeitsbewusstsein und -handeln« hat viele Anknüpfungspunkte zur Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung, beispielsweise wenn es um die Nachhaltigkeitskompetenzen von Multiplikatoren geht. DBU-Projektgruppensprecher für dieses Themengebiet ist Dr. Thomas Pyhel.
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