05.09.2022 | Wilde Schatzkammern des Lebens

Deutscher Umweltpreis für Biologe Dr. Christof Schenck

Porträt Dr. Christof Schenck © Jeldrik Schröer/ZGF
Biologe Christof Schenck kämpft dafür, riesige Wildnisgebiete vor menschlichem Eingriff zu bewahren und langfristig zu sichern – je größer und artenreicher das Gebiet, desto besser für die Menschheit.
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Christof Schenck auf einem Baumstamm © Daniel Rosengren/ZGF
Balanceakt: Christof Schenck auf Baumstämmen über einer tiefen Felsspalte im Tepui-Gebirge des Chiribiquete-Nationalparks in Kolumbien.
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Bundespräsident Joachim Gauck bei Visite 2015 im Serengeti- Nationalpark © Daniel Rosengren/ZGF
Hoher Besuch: Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck (r.) bei seiner Visite 2015 im Serengeti- Nationalpark im Gespräch mit Christof Schenck (M.).
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Elefantenüberreste  © Daniel Rosengren/ZGF
Kampf gegen Wilderei: Christof Schenck (Mitte) ist wie seine Mitstreitenden auch mit solchem Frevel konfrontiert: die Überreste eines Elefanten im Gonarezhou-Nationalpark. Das gesamte Gesicht wurde abgesägt, um an die sehr tief verwurzelten Stoßzähne zu kommen.
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Elefanten im Fluss © Daniel Rosengren/ZGF
Elefanten im Fluss Runde im Gonarezhou-Nationalpark in Simbabwe, der durch Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt zu einem der best-gemanagten Parks im südlichen Afrika wurde.
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Regenwald © Daniel Rosengren/ZGF
Intakte, unerforschte und unendlich wirkende Regenwälder gibt es im 71.300 Quadratkilometer großen Chiribiquete-Nationalpark, im Herzen des kolumbianischen Amazonasgebiets.
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Osnabrück. Gigantische Wildnisgebiete vor menschlichem Eingriff schützen und bewahren, dafür kämpft der Biologe Dr. Christof Schenck (60) seit Jahrzehnten erfolgreich. Sein Engagement gilt besonders dem Schutz riesiger Nationalparks in den tropischen Regenwäldern Amazoniens, des Kongobeckens und Südostasiens. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) würdigt diese Leistung mit ihrem diesjährigen Deutschen Umweltpreis, der zu den höchstdotierten Auszeichnungen Europas zählt und 2022 zum 30. Mal verliehen wird. Schenck teilt sich die Summe in Höhe von insgesamt 500.000 Euro mit den Unternehmern Friedrich Mewis und Dirk Lehmann. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht den Deutschen Umweltpreis 2022 am 30. Oktober in Magdeburg.

Wildnisschutz als Hebel gegen Artensterben und Klimawandel

Schenck will die Hot-Spots der Artenvielfalt langfristig vor dem Zugriff wirtschaftlicher Interessen bewahren und gleichzeitig die nachhaltige Entwicklung und finanzielle Absicherung der Bevölkerung vor Ort gewährleisten. DBU-Generalsekretär Alexander Bonde: „Dr. Christof Schenck lebt vor, wie man mit jahrzehntelangem konsequenten Wildnisschutz die gegenwärtigen globalen Krisen – Artensterben und Klimawandel – eindämmen kann. Letzte große Wildnisrefugien zu schützen, hilft nicht nur vielen verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, sondern auch den Menschen.“

International angesehene Organisation

Unter Schenck als Geschäftsführer ist die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) zu einer international angesehenen Organisation mit weltweit mehr als 1.200 Mitarbeitenden angewachsen und engagiert sich mit 31 Schutzprojekten in 18 Ländern auf vier Kontinenten. Bezeichnend ist laut Bonde „Schencks Mut, in großen Dimensionen zu denken und zu handeln“. Manche Schutzgebiete sind so groß wie die Schweiz und weisen im Vergleich zu Mitteleuropa das Zehnfache an Artenvielfalt auf. „Solche Biodiversitäts-Hot-Spots im tropischen Regenwald trotz wirtschaftlicher Interessen zu bewahren, spielt auch für den Weltklimaschutz eine entscheidende Rolle – bestes Beispiel ist Amazonien, die globale grüne Lunge“, sagt Bonde. Die dort voranschreitende Entwaldung nähere sich einem Kipppunkt mit dramatischen weltweiten Auswirkungen. Experten schätzen, dass 20 bis 25 Prozent Regenwaldverlust am Amazonas einen nicht mehr zu stoppenden Absterbeprozess initiieren würde. „Derzeit sind es rund 18 Prozent“, sagt Schenck.

Langfristiger Erhalt des Weltnaturerbes für kommende Generationen

Der im Schwarzwald aufgewachsene Schenck sei ein „unbeirrbarer Visionär, der das Weltnaturerbe langfristig für kommende Generationen erhalten will“, sagt Bonde. Mit faktensicheren Argumenten und viel Leidenschaft gewinne er finanzkräftige Entscheidungsträger aus Politik und Gesellschaft. So richtete er die Arbeit der 1858 gegründeten ZGF strategisch aus und erweiterte sie nach Bondes Worten „um eine politische und ökonomische Dimension“. Mehr als 7.000 Förderer unterstützten 2021 die ZGF, die rund 25 Millionen Euro in ihre Naturschutzprojekte investierte. „Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, wie entscheidend enge und gute Partnerschaften für den zuverlässigen Schutz von Nationalparken sind – vor allem in krisengebeutelten Regionen“, sagt Schenck.

Naturschutzarbeit als entscheidender Faktor für nachhaltige Entwicklung

Am Beispiel des Gonarezhou-Nationalparks in Simbabwe veranschaulicht Schenck den Einfluss der ZGF. Eine amerikanische Förderstiftung, die „uns auch schon in Tansania unterstützt hat“, bat um Beteiligung beim Management, so der international gut vernetzte Wildnisexperte. „Dieser Park ist mit unserer Unterstützung in 13 Jahren von einem völlig desolaten zu einem der best-gemanagten Parks im südlichen Afrika geworden“, sagt Schenck. Zwei Voraussetzungen sind ihm bei ZGF-Projekten besonders wichtig: zum einen die vom Geldgeber unabhängige Handlungsfähigkeit, zum anderen die Zustimmung des jeweiligen Landes – „ohne jedoch als Feigenblatt zu dienen“, so Schenck. „Der Park ist jetzt einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region und hat in den umliegenden Dörfern große Akzeptanz gewonnen.“ Dazu DBU-Generalsekretär Bonde: „Hier wird Naturschutzarbeit zu einem entscheidenden Faktor für nachhaltige Entwicklung und Stabilität im globalen Süden.“

Internationaler Naturerbefonds der Bundesregierung entstammt Schenckscher Ideenschmiede

Schenck konzentriert seine Arbeit auf das bestehende Weltnaturerbe, „weil uns das so schnell wegschmilzt wie Eis in der Sonne.“ Weltweit sterben laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) 150 Tier- und Pflanzenarten jeden Tag aus. Intakte Ökosysteme gehen verloren und mit ihnen die Grundlagen des Lebens wie saubere Luft, reines Wasser und unbelastete Böden. „Um den Goldstandard des Naturschutzes und die Funktionalität für uns Menschen zu gewährleisten, ist eine Basis-Finanzierung der Top-Nationalparke erforderlich“, sagt Schenck. Derzeit seien die Parks von schwankenden Einnahmen seitens Regierungen, Spendern, Organisationen oder aus dem Tourismus abhängig. Doch in Krisenzeiten wie etwa während der Corona-Pandemie könnten Einnahmequellen wie der Tourismus über Nacht versiegen. Das Schencksche ZGF-Team entwickelte deshalb als Gegenmittel ein Konzept – den internationalen Naturerbefonds (Legacy Landscapes Fund, LLF). Schenck: „Man legt einen Kapitalstock fest und lebt aus den Erträgen, so wie das Stiftungen machen.“ Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Idee voriges Jahr aufgegriffen und einen internationalen Wettbewerb ausgeschrieben, um 30 globale Top-Artenschutzgebiete über eine solche Grundfinanzierung zu sichern – „mit Ewigkeitsperspektive“ wie es Schenck ausdrückt. Der Biologe, der zu Beginn seiner Laufbahn drei Jahre im peruanischen Dschungel des Manu-Nationalparks Riesenotter erforschte, verzweifelt an den menschengemachten Krisen nicht: „Wenn wir’s gemacht haben, können wir’s auch ändern“, sagt er. „Unser Zeitfenster schmilzt zur Zeit enorm. Alles, was wir jetzt tun, schützt uns vor weiteren schlimmeren Katastrophen.“

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