DBU aktuell Nr. 1 | 2021

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

33136 Kemptener Eisengießerei - Gussprozess © Laurin Schmid
Die Kemptener Eisengießerei optimiert die Arbeitsprozesse des alten Handwerks mithilfe von Künstlicher Intelligenz.
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AZ 33136 Kemptener Eisengießerei Einführung Handy-App © Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Maschinenbautechniker Jean-Pierre Hacquin bei der Implementierung der Smartphone-App in den realen Fertigungsvorgang der Kemptener Eisengießerei .
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1.) Kemptener Gießerei steigert Energie- und Ressourceneffizienz durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Jedes Jahr werden in Deutschland rund 3,5 Millionen Tonnen Eisenschrott in Gießereien umgeschmolzen. Das Gießen von Metall  gehört zu den energie- und ressourcenintensiven Fertigungsverfahren. Zur Herstellung eines Gusseisenbauteils von einer Tonne Gewicht werden rund 1.900 Kilowattstunden elektrische Energie benötigt. Für Deutschland hochgerechnet bedeutet dies aktuell einen Energiebedarf von rund sieben Terrawattstunden pro Jahr. Energie- und Materialeffizienz sind deshalb zentrale Herausforderungen für die Branche.

Werkzeuge für die Industrie 4.0 implementieren

Genau dort setzt die Kemptener Eisengießerei Adam Hönig AG an. Das mittelständische Unternehmen gilt als einer der Pioniere der Branche und hat sich auf anspruchsvolle Gussteile im Klein- und Mittelserienbereich für den Maschinenbau und die Fahrzeugbranche spezialisiert. Ziel des Unternehmens ist es, innovative Konzepte und Werkzeuge für die Industrie 4.0 zu implementieren und so eine ganzheitliche Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz zu erreichen.

Zahlreiche kleine Optimierungen durchgeführt

Vorarbeiten dafür wurden bereits in einem früheren DBU-Projekt erfolgreich durchgeführt. Bei dem Projekt wurden alle relevanten Daten zu Energieverbräuchen erfasst. Dadurch konnten zahlreiche kleine Optimierungen durchgeführt werden, die insgesamt zu deutlichen Energieeinsparungen führten. Ein Beispiel: Die nächtliche Abschaltung der Öfen. Diese fuhren in der Vergangenheit über Nacht automatisch an. Die genaue Analyse ergab, dass das Anheizen langsamer erfolgen kann. Dies spart Energie und verringert die Belastung des Ofenmaterials. Eine Smartphone-App ermöglicht es, die Arbeitsschritte in der Gießerei durch das Scannen von Barcodes in das System einzuspeisen. Dadurch konnten Abläufe innerhalb der Gießerei angepasst und optimal gesteuert werden. Eine Reduktion der Kohlendioxid-Emission in Höhe von rund 300 Tonnen wurde durch das Projekt erreicht.

Viele Gießereien sind beim Thema Digitalisierung am Puls der Zeit: „Konsequent wird der weitere digitale Ausbau in Gießereien beschritten, von der Datenerfassung und Datenverarbeitung in der Produktion, über die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M), die Prozessautomatisierung durch Robotereinsatz und durch flexible Produktion“, sagt Elke Radtke, Referentin für Umwelt- und arbeitsschutz beim Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG).

Software erlernt Ursache-Wirkung-Zusam­men­hänge

Ein aktuelles Projekt der Kemptener Gießerei baut auf den Ergebnissen des vorherigen auf. Der neue Ansatz: Eine weiterführende Nutzung der Daten und ganzheitliche Betrachtung der Ursache-Wirkungskette, um einen hohen Verbrauch an Energie im Betrieb zu lokalisieren und entsprechend zu reagieren. Als Instrument dient der Gießerei dabei die von der Hochschule Kempten und der EIDOLOGIC GmbH, Recklinghausen, entwickelte predictive analytics-Software EIDOdata. Sie erlernt auf Grundlage von künstlicher Intelligenz Ursache-Wirkung-Zusam­men­hänge und kann in Echtzeit Steuersignale zur Regelung der Prozesse senden. Das System erkennt Zusammenhänge, die für den Menschen noch nicht ersichtlich sind und kann so vorausschauend reagieren. Um für alle Betriebsteile die Zusammenhänge zwischen Prozessführung, Ergebnis sowie Energie- und Materialverbräuchen zu analysieren, werden digitale Modelle der Prozesse erzeugt, mit denen gezielte Optimierungen vorgenommen werden können. Fertigungen, die zu einem höheren Verbrauch führen, werden dadurch automatisch frühzeitig erkannt und sind mittels adaptiver Prozessoptimierung  vermeidbar. Adaptive Systeme analysieren selbstständig Arbeitsprozesse. Sie sind beispielsweise in der Lage, Lebensdauer oder Verschleiß von Maschinen zu erkennen und  können sich optimal darauf einstellen.

Im aktuellen Projekt soll erstmals die adaptive Optimierung von hochvernetzten Gießerei-Teilprozessen – also der gesamten maschinellen Abläufe – in der Praxis realisiert werden. Insgesamt soll so eine Reduktion von Energieverbrauch und Ressourceneinsatz um mindestens fünf Prozent gegenüber dem aktuellen Stand erreicht werden. Das entspricht einer jährlichen Einsparung von rund 700 Megawattstunden elektrischem Strom.


DBU-AZ 33136 und 35438

 

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