Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) vergibt den diesjährigen Deutschen Umweltpreis an zwei international renommierte Persönlichkeiten, die in ihren wissenschaftlichen Disziplinen Herausragendes für mehr Arten-, Klima- und Umweltschutz erreicht haben: Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese für ihre Spitzenforschung zur Bedeutung der biologischen Vielfalt für Planet und Mensch sowie Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Joosten für seine jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit über Moore als klimaschutzrelevante Lebensräume und die gravierenden Folgen von Moorentwässerung für die Erderwärmung. Der Deutsche Umweltpreis der DBU wird am 10. Oktober in Darmstadt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht. Er ist mit insgesamt 500.000 Euro einer der höchstdotierten Umweltpreise in Europa.
Mit Makroökologie einen internationalen Namen gemacht
Biodiversitätsforscherin Böhning-Gaese hat einen „enormen wissenschaftlichen Beitrag geleistet, damit wir begreifen, welche dramatischen Folgen der Artenverlust für Menschen und das gesamte Zusammenwirken des Planeten hat“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Einen international herausragenden Namen in der Wissenschaft hat sich die im baden-württembergischen Oberkochen geborene Biodiversitätsforscherin nach Bondes Worten speziell auf dem Gebiet der Makroökologie gemacht: Mit den Methoden dieses modernen Forschungsgebiets untersucht sie ökologische Zusammenhänge nicht nur lokal und regional, sondern auch kontinental und global sowie auf unterschiedlichen Zeitskalen. Ziel der Forscherin sei es, so Bonde, zum einen die hochkomplexen Folgen von Klima- und Landnutzungswandel für Biodiversität und Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen zu erforschen. Zum anderen sei die Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und Professorin der Frankfurter Goethe-Universität bestrebt, Auswirkungen von Umweltveränderungen auf Ökosysteme in den nächsten Jahrzehnten so genau wie möglich vorherzusagen. Auch methodisch arbeite sie „beeindruckend vielfältig“ und interdisziplinär, bringe naturwissenschaftliche Disziplinen mit wirtschafts-, politik- und nachhaltigkeitswissenschaftlichen Bereichen zusammen und erlange dadurch neue Erkenntnisse über die Interaktionen zwischen Menschen und Ökosystemen.
Kampf gegen Artenrückgang eine gesellschaftliche Herausforderung
Die Arbeit von Frau Böhning-Gaese mache überdies deutlich, dass der Kampf gegen den Artenrückgang eine große gesellschaftliche Herausforderung sei, „die wir beherzt angehen müssen“, so Bonde weiter. Böhning-Gaese setzt sich laut Bonde „vorbildlich und mit hohem Engagement“ dafür ein, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Das gelinge ihr in ihrer Funktion als Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft sowie auch als Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften und Gremien, wie der Senatskommission für Grundsatzfragen der Biologischen Vielfalt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung leitet Böhning-Gaese auch das Programm „Wissenschaft & Gesellschaft“, das den Austausch zwischen Wissenschaft und gesellschaftlichen Akteuren fördert. „Durch die von ihr koordinierte Akademie-Stellungnahme zu Biodiversität und Management von Agrarlandschaften hat sie maßgeblich die Grundlagen für die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft für eine Agrarwende in Deutschland gelegt“, sagte Bonde. Für die designierte Preisträgerin legen die Erkenntnisse vor allem einen Schluss nahe: „Gerade beim Rückgang der Arten in der Agrarlandschaft sehen wir, dass wir alle handeln müssen. Natürlich ist hier die Landwirtschaft gefordert. Wir brauchen eine Ökologisierung der Landwirtschaft. Aber die Politik ist genauso gefordert, mit ihrer Förderpolitik, die Wirtschaft, der Handel und wir auch – jede und jeder Einzelne von uns – in unserem Konsum- und Ernährungsverhalten. Der Schutz der Biodiversität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jede und jeder muss hier dran“, so die 56-Jährige.
Moore unverzichtbar bei der Überwindung der Klimakrise
Wegweisende Erkenntnisse seien auch Moorforscher Joosten zu verdanken, so DBU-Generalsekretär Bonde. Er bezeichnete Joostens Arbeit als „höchst wertvoll“. „Er hat mit unermüdlichem Engagement überhaupt das Bewusstsein dafür geweckt, dass Moore unverzichtbare Verbündete bei der Überwindung der Klimakrise sind“, sagte Bonde. Der Deutsche Umweltpreis erkenne an, „wie schön und wie wichtig Moore für den Klimaschutz sind, weil sie auf drei Prozent der Landfläche der Erde doppelt so viel Kohlenstoff in ihren Torfen speichern wie alle Wälder der Welt auf rund 30 Prozent der Landfläche in ihrer Biomasse.“ Wiedervernässung und Wiederherstellung der Lebensräume seien das Gebot der Stunde und ein entscheidender Schlüssel, um auf natürlichem Weg Kohlendioxid (CO2) zu binden, so Bonde.
Paludikulturen für eine klimaschonende landwirtschaftliche Nutzung von Mooren
Der Moorkundler wurde 1955 im niederländischen Liessel geboren und hat bis zu seinem gerade begonnenen Ruhestand am Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald geforscht und gelehrt. Er habe darüber hinaus den Begriff „Paludikultur“ („palus“ – lat. „Sumpf, Morast“) geprägt, eine mittlerweile in Fachkreisen weltweit genutzte Beschreibung für eine klimaschonende landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore. Das heißt: Die Biomasse wird zwar verwendet – „aber so, dass die Moore nicht entwässert werden, kein CO2 und Lachgas entweichen und die Mooroberfläche nicht weiter nach unten sackt“, sagte Joosten. Ein Landwirt könne künftig „auch Schilf, Rohrkolben, Sonnentau oder Torfmoos anpflanzen“, so der Umweltpreisträger. Rohrkolben dienen etwa als Dämm- und Baumaterial, Torfmoos könnte den Gartenbau revolutionieren.
In mehr als 600 wissenschaftlichen Publikationen, darunter Standardwerken, und auf vielen Forschungsreisen in die Moorgebiete der Welt – von Alaska über den Kongo bis nach Nordkorea – hat der designierte Umweltpreisträger auf all diese Zusammenhänge hingewiesen und neue Entdeckungen gemacht. Mit dem Preisgeld will Joosten die am Greifswald Moor Centrum (GMC) beheimatete und mit etwa 25.000 Publikationen weltweit größte Moorbibliothek „PeNCIL“ zu einem globalen Kenntnis- und Kulturzentrum zu Mooren ausbauen. Die 2015 gegründete Einrichtung ist eine Kooperation von Universität Greifswald, Michael Succow-Stiftung und dem Verein „Duene“. Ziel des Zentrums ist das, wofür sich Joosten zeit seines Forscherlebens eingesetzt hat und weshalb er nun von der DBU ausgezeichnet wird: natürliche Moore vor Entwässerung zu schützen, degradierte – also trockengelegte – Moore wiederzuvernässen und sie lediglich nass zu nutzen. Seine lebenslange Mission beschreibt er kurz und knapp: „Moor muss nass!“
Weitere Informationen zum Festakt in diesem Jahr und zu der Preisträgerin sowie dem Preisträger sind ab sofort in unserem neuen Blog zum Deutschen Umweltpreis zu finden unter: www.dbu.de/umweltpreis-blog
Pressetexte, Fotos und O-Töne zum Umweltpreis 2021 finden sich in unserer Pressemeldung.