DBU aktuell Nr. 2 | 2017

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Prof. Ritter beim Vortrag in Osnabrück: Welternährungsorganisation FAO machte sich bereits 2013 für die Ernährung mit Insekten stark
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2.) Speisekarte 2030: Insekten und Maden gehören dazu!?

Hirschkäfersuppe zur Vorspeise, als Hauptgang Einkorn-Linguine mit dicken Bohnen und zum Dessert Lupinen-Eiscreme mit Quittenmousse an Algenschaum. Was bei manchem Unwohlsein hervorruft, lässt andere gespannt aufhorchen. Der Menü-Vorschlag für das Jahr 2030 stammt von Prof. Dr. Guido Ritter vom Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster. DBU aktuell unterhielt sich anlässlich seines Vortrags im DBU Zentrum für Umweltkommunikation mit Prof. Dr. Ritter über Ernährungsfragen der Zukunft.


DBU aktuell: Im Jahr 2050 werden nach heutigen Schätzungen rund 10 Mrd. Menschen auf der Erde leben. Wie wird unser Speiseplan dann aussehen?


Prof. Dr. Ritter: Fleisch, Eier und Milch sind Luxusprodukte und der Braten wird allenfalls an Sonn- und Festtagen auf dem Speiseplan stehen können. Unsere Proteinquellen werden viel stärker als heute Leguminosen wie Lupine, Bohnen und Erbsen bilden, aber auch Insekten, Algen, Quallen oder Seegras, weil für Letztere kein Land zur Aufzucht benötigt wird. Fisch und Krill sehe ich deshalb als problematisch an, weil wir bereits heute überfischte Meere haben.


DBU aktuell: Manch einem dreht sich bei dieser Ankündigung der Magen um ...


Prof. Dr. Ritter: Tatsächlich sind all unsere Geschmacksvorlieben oder -abneigungen, die von Aromen bestimmt sind, erlernt und nicht angeboren. Die ersten Jahre unseres Lebens prägen uns da besonders. So entstehen diese unterschiedlichen Esskulturen auf unserem Planeten. Aber ab dem 8. Lebensjahr sind wir offen für Neues. Durch das sogenannte Flavour-Flavour-Learning ist es uns möglich eine Brücke zwischen einem bekannten Lebens­mittel und einem neuen Lebensmittel zu schlagen. Deshalb hat die Schoko­lade mit den Mehlwürmern, die ich zum Vortrag mitgebracht habe, dann doch vielen geschmeckt.


DBU aktuell: Stichwort Insekten. Sie sprechen sich in Ihrem Vortrag für die verstärkte Ernährung mit Insekten auch in Europa aus ...


Prof. Dr. Ritter: Nicht nur ich: Die Welternährungsorganisation FAO machte sich bereits 2013 dafür stark.


DBU aktuell: Warum?


Prof. Dr. Ritter: Es gibt eine Reihe von Vorteilen: weniger Treibhausgase bei der Aufzucht sowie geringerer Wasser- und Flächenverbrauch. Außerdem ist der Energieumsatz bei Insekten im Vergleich zu Warmblütern besser. So entsteht bei Insekten aus ca. 1,5–2 kg pflanzlichem Eiweiß rund 1 kg tierisches Eiweiß. Zum Vergleich bei Schweinen und Hühnern liegt der Faktor bei 5:1, bei Rindern sogar bei 8 bis 10:1.


DBU aktuell: Ein deutliches Plus hinsichtlich der Effizienz. Aber ist die Ernährung mit Insekten nicht doch noch weitgehend Vision?


Prof. Dr. Ritter: Nein, das Start-up »Bugfoundation« hat schon heute vor, Insekten in Produkte einzubringen, die lecker sind und schmecken, beispielsweise den sogenannten Bux-Burger, der inzwischen sogar käuflich zu erwerben ist und »gut läuft«, wie ich weiß. Einen spannenden Ansatz verfolgt auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Zürich: Dort wird mit Insekten gearbeitet, die keinen Darminhalt haben: Seidenspinner im Puppenstadium sowie Drohnenmaden und Puppen der Honigbiene. Im normalen Imker­betrieb werden Drohnenmaden weg­geworfen, damit sich keine Varroa­milben im Stock ausbreiten können. Pro Jahr sind das in der Schweiz rund 100 t an Material, das entsorgt wird. Angeröstet sind Drohnenmaden sehr lecker nussig schmeckend und proteinhaltig. Hier ist viel in Bewegung. In Deutschland gibt es inzwischen sogar eine eigene Fachtagung, die Insecta.


DBU aktuell: Trotzdem bleibt das Problem: der gewisse »Ekelfaktor« ...


Prof. Dr. Ritter: Da bin ich ganz zuversichtlich: Erstens steigt die Akzeptanz, wenn die Produkte verarbeitet sind. Außerdem wissen wir von Sushi, das viele Menschen in den 1980er-Jahren als rohen Fisch abgelehnt haben, wie schnell sich das Verbraucherverhalten neuen Trends anpassen kann.

 

  


Ein interessantes Erklär-Video zur Ernährung mit Insekten ist im Internet zu finden.