DBU aktuell Nr. 10 | 2015

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

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Diskutierte Fragen des Klimaschutzes im Zeichen der Pariser UN-Klimakonferenz: Gesprächsrunde moderiert von Katrin Bauerfeind.
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2.) Prof. Hans-Joachim Schellnhuber: Der beste Klima-Botschafter sitzt heute im Vatikan

Wo stehen wir im Klimaschutz  – national, aber auch weltweit? Diese und andere Fragen, die in direktem Zusammenhang mit der UN-Klimakonferenz in Paris stehen, diskutierten fünf kompetente Gesprächsteilnehmer unter der Moderation von Katrin Bauerfeind während der Umweltpreisverleihung in Essen. Die Teilnehmer des Panels waren: Parlamentarische Staatssekretärin im BMUB Rita Schwarzelühr-Sutter, Umweltpreisträger 1998 Prof. em. Dr. Hartmut Graßl, NRW-Umweltminister Johannes Remmel, Umweltpreisträger 2007 Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Joachim Schellnhuber und Dr. Michael Hüttner vom Programm­büro Internationale Klimaschutzinitiative (IKI), ehemaliger DBU-Stipendiat.

Eingangs der Runde verwies Rita Schwarzelühr-Sutter , Veranstaltungsführerin der Bundesregierung bei den Verhandlungen für globale Nachhaltigkeitsziele (SDG), auf die Tragweite der internationalen Konferenz, die Ende September in New York stattgefunden hat. Dass sich insgesamt 196 Staaten geeinigt haben, einen Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu verabschieden, habe historische Dimensionen, sagte Schwarzelühr-Sutter. Jetzt gehe es darum, die 17 Ziele und insgesamt 169 Unterziele der dort verabschiedeten Agenda umzusetzen. Schlagwortartig umriss die DBU-Kuratoriumsvorsitzende diese Ziele mit folgender Alliteration: people, planet, prosperity, partnership, peace.

Prof. Hans Joachim Schellnhuber, einer der wesentlichen Berater des Papstes bei der Entstehung der Enzyklika
»Laudato si«, berichtete aus erster Hand über die Bedeutung des Dokuments. Dieses Schriftstück sei kein verquastes Schriftstück, das nur für Scholastiker von Interesse sei, sondern analysiere zum Teil knallhart und setze sich mit unserer Kultur der Verschwendung auseinander, die uns langfristig ins Verderben treibe. Schellnhuber wörtlich: »Der beste Botschafter für den Klimaschutz sitzt heute im Vatikan.«
Der Wissenschaftler begründete seine Haltung damit, dass viele Menschen durch die Schreckensmeldungen der Klima-forscher über die Zeit abgestumpft seien, während die Papst-Enzyklika mitten ins Herz der Menschen ziele.

Dr. Michael Hüttner relativierte dies, indem er betonte, der Klimaschutz müsse nicht nur das Herz der Menschen erreichen, sondern auch deren Brieftasche. Mit anderen Worten: Man benötige strenge ökonomische Instrumente, die eine Transformation zu einer klimaverträglichen Wirtschaft und Gesellschaft attraktiv machten. Davon, so Hüttner, seien wir noch ein gutes Stück entfernt.

Weit zuversichtlicher fiel die Situationsbeschreibung von Hartmut Graßl aus: Länder wie Deutschland und Schweden hätten gezeigt, dass man das Energiesystem ohne Wohlstandsverluste massiv umbauen könne und am Ende nichts verliere, sondern vielmehr zum Gewinner werde. Der Klimaforscher wörtlich: »Mein Argument ist seit etwa zwei bis drei Jahren: In dem Moment, wo die Kilowattstunde Strom aus Photovoltaik billiger ist als der Kohlestrom, kippt das System in die richtige Richtung. Und genau das geschieht momentan. 33 % unserer Stromversorgung stammen inzwischen aus Erneuerbaren. Das haben nicht die Politiker verursacht, sondern die sich ständig einmischenden Bürger.« Selbst auf den Einwand, dass Braunkohlestrom und CO2-Emissionen dennoch nicht im erforderlichen Maße sinken würden, erwiderte Graßl: »Das stimmt nicht, verglichen mit 1990 ist der Kohlendioxidausstoß in Deutschland um mehr als 25 % gesunken.«
Angesprochen auf das Problem der Zeitknappheit im Klimaschutz entgegnete Schellnhuber: »Erhöhte Preise für fossile Energien, Steuern etc. sind richtig und wichtig, aber sie greifen erst über Jahrzehnte. Lebensstiländerungen hingegen, wie zum Beispiel der Entschluss vegetarisch zu leben, greifen über Nacht.« Er plädierte für noch mehr Einmischung durch die Wähler und Verbraucher. Allerdings müsse die Politik bereit sein, zuzuhören und die Anliegen der Bürger umzusetzen.

NRW-Umweltminister Remmel unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Vernetzung und Netzwerken. In NRW gebe es über 100 Städte, die sich ein eigenes Klimaschutzkonzept gegeben hätten. Das Land tue ähnliches durch Bündnisse mit anderen Regionen der Welt. Diese Zusammen-schlüsse bündeln ein Drittel der Wirtschaftskraft weltweit. Remmel verwies ferner auf die Bedeutung des Klimaschutzes als Wettbewerbs- und Standortfaktor. Das Ruhrgebiet sei hierfür das beste Beispiel. Natürlich könne er als Politiker die Wichtigkeit von politischen Rahmensetzungen nur unterstreichen, ergänzte der NRW-Umweltminister: »Wir brauchen jetzt eine politische Rahmenentscheidung vergleichbar dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, wenn wir 2030 zu umweltverträglicher emissionsfreier Mobilität kommen wollen.« Das Thema »Tempo im Klimaschutz« noch einmal aufgreifend, sagte er: »Ich denke, man muss in der Klimapolitik nicht immer darauf warten, bis der Letzte zustimmt.« Unterstützt wurde er in dieser Haltung von Michael Hüttner: »Wir sollten eine Koalition der Willigen schaffen und über die G7 oder G 20 vorangehen mit einer Dekarbonisierungstrategie.« Das zutreffende Bild für den globalen Klimaschutz der Gegenwart sei nicht: »Es sieht ganz gut aus, sondern: Wir müssen noch eine ganze Schippe drauflegen.«

Schlussendlich unterstrich Hans Joachim Schellnhuber nochmals die Bedeutung der notwendigen Dekarbonisierung.
Er sagte: »Wir brauchen tatsächlich eine komplette Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis 2050, sonst wird man auf keinen Fall unter die 2-Grad-Grenze kommen.« Das allerdings bedeute, so Schellnhuber, keine graduelle Entwicklung, sondern eine komplette Implosion des fossilen Betriebssystems der Erde. Und: »Hier sind wir noch längst nicht auf dem Weg.«